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Ballschrank

Langeweile ist ein Zustand der Erlebnisarmut

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Langeweile ist ein Zustand der Erlebnisarmut

Rainer Moritz (FTD 14.4.) langweilt sich. „Mal ehrlich: Wer ist nicht froh, wenn am 24. Mai diese Bundesligasaison vorbei ist? Von Wochenende zu Wochenende wird es mühsamer, den Spieltagen etwas Schönes abzugewinnen. Gewiss, noch ist es nicht sicher, wer Cottbus in die zweite Liga begleiten und ob der ewig beleidigte Matthias Sammer seine überteuerte Truppe noch auf Champions-League-Kurs bringen wird. Doch wie erbarmenswert ist, was diese Spielzeit uns beschert! Wie bezeichnend, wenn das Ballgeschiebe des Hamburger SV ausreicht, um von Barcelona oder Turin zu träumen! Stückwerk, wohin das Auge blickt, und auch das einst als „weißes Ballett“ gerühmte Bayern-Ensemble schleppt sich über die Runden. „Langeweile ist ein Zustand der Erlebnisarmut“, hielt Philosoph Immanuel Kant fest, ohne die Bundesliga gekannt zu haben. Mitleid verdienen Sat-1-Reporter, die müde Kickereien zu Topspielen erklären müssen und uns mit so bedeutsamen Dinge wie der „Urlaubswette“ zwischen Ailton und Elber bei Laune zu halten versuchen. In der Wüste wirkt der Grashalm großartig.“

Tristesse

Christoph Biermann (SZ 12.4.). „Am letzten Sonntag verlor Wolfsburg in Rostock 0:1, und Hansas Mittelfeldspieler Thomas Meggle fand: „Da hat Not gegen Elend gespielt.“ Diese Begegnung steht in der Bundesliga derzeit häufig auf dem Terminplan. Jeden Montag vergibt der kicker den Bundesligapartien Noten, die jenen in der Schule entsprechen. Man mag über den Sinn solcher Bewertungen debattieren, eine Tendenz zeigen sie trotzdem. Am vergangenen Wochenende etwa gab es für die beste Partie, die in Leverkusen, ein glattes Befriedigend (…) Mit mangelnder Spannung hat die Tristesse übrigens nichts zu tun, auch wenn der FC Bayern als Meister und Energie Cottbus als erster Absteiger schon festzustehen scheinen. Eher liegt das farblose Bild in der Liga der Entnervten daran, dass zur Zeit fast alle Klubs unter ihren Erwartungen bleiben. Ein Jahr der Enttäuschungen ist diese Spielzeit für so viele Mannschaften wie selten zuvor. In Stuttgart mögen sie den zweiten Tabellenplatz ihres VfB bestaunen, in Hamburg über die Position des HSV zwei Ränge dahinter jubeln, doch sonst gibt es kaum lachende Gesichter. Nicht mal beim FC Bayern, wo der fast sichere Meistertitel angesichts des frühen Ausscheidens aus der Champions League den Charakter eines Trostpreises behält und das Team nur noch gegen die eigene Langeweile kämpft (…) Kein Wunder, dass die Leistungen unter diesen Umständen immer schlechter werden. Wenn sich berechtigte Erwartungen nicht erfüllen oder Ziele unrealistisch werden, sinkt das sportliche Niveau. Und lausig ist es in der Rückrunde insgesamt, denn in der Not werden die Bälle am liebsten nur noch hoch und weit nach vorne gehauen. Dann sind sie wenigstens nicht nahe des eigenen Tores, und vielleicht hilft vorne ja das Glück. Ohne Esprit und trostlos anzuschauen ist das, und lässt die ohnehin schon bescheidenen Mittel der Bundesligaprofis noch weiter verkümmern. Deren notorische technische Mängel paaren sich mit taktischen Vorgaben von Trainern, die Realismus predigen und damit doch nur irgendwie über die Runden kommen wollen. So fügt sich in der Bundesliga ein Bild zusammen, das zur allgemeinen Krisenstimmung im Land passt: viel Gewurstel und kein Spaß, nirgends. Fußball mag hierzulande immer eine Note von Kampf und Schweiß gehabt haben, doch wer kann schon so viel Angstschweiß riechen?“

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