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Legale und unanständige Steuerpraxis in Dortmund – gute Stimmung bei 1860 München

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Legale und unanständige Steuerpraxis in Dortmund – gute Stimmung bei 1860 München

Anständiges Geschäftsgebaren sieht anders aus

Thomas Kistner (SZ 17.9.) rügt die Steuerpraxis von einigen Bundesligavereinen – etwa Borussia Dortmund. „Die Frage, ob Arbeitsleistungen wie das EM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalelf in Island, das Teamchef Völler zum Rundumschlag gegen Neider und Kritikaster ermutigte, wegen des späten Samstag-Abend-Termins nicht dringend steuerlich günstiger zu behandeln sind, wäre vielleicht zu boshaft. Grundsätzlich aber gilt es durchaus zu klären, wie es um die Bodenhaftung in der Balltreterbranche bestellt ist. Die Antwort: Partiell besorgniserregend. Dieser Auffassung sind nun nicht nur dem Fußball zugewandte Politiker aller Couleur, sondern auch wichtige Vertreter der Profibranche selbst. Man muss also nicht gleich von Futterneid oder arglistiger Fantasie getrieben sein, um die Nutzung von Nacht- und Feiertagszuschlägen für Bundesligaspieler als Missbrauch von Steuervorteilen zu begreifen. Als dreisten Zugriff auf Vergünstigen, die ja erkennbar für schlechter Verdienende gemacht worden sind. Juristisch, wohlgemerkt, ist diese Steuerpraxis nicht anfechtbar, anständiges Geschäftsgebaren sieht anders aus. Wenn nun Millionenjongleure wie der Dortmunder Manager Michael Meier Grund- und Verfassungsrechte zitieren, um daraus die hohe Notwendigkeit einer finanziellen Gleichbehandlung von Fußballstars mit Krankenschwestern, Busfahrern und Fließbandarbeitern abzuleiten, ist das nur grotesk. Selbst Meiers Münchner Kollege Uli Hoeneß findet, derlei Steuervergünstigungen passten „nicht in die Landschaft bei unseren Millionengehältern“, dem wäre nichts hinzuzufügen.“

Größte Schweinerei, die es gibt

Die SZ (17. 9.) informiert über Hintergründe. „Groß ist die Aufregung in den Volksparteien, von SPD bis zur Union, über verwegene Steuerpraktiken in der Fußball-Bundesliga. Borussia Dortmund zahlt seinen Spielern einen Teil der Gehälter als Feiertags- und Nachtzuschläge, das bestätigt BVB-Manager Michael Meier. Auch Bernd Hoffmann, Vorstandschef des Hamburger SV und Werder Bremens Sportdirektor Klaus Allofs finden großen Gefallen an der Steuerlücke. „Wir befassen uns seit Jahresanfang damit“, sagt Allofs, „haben es aber noch nicht umgesetzt. Es ist geltendes Gesetz. Wenn andere Klubs den Paragrafen nutzen, wir aber nicht, entsteht uns ein Wettbewerbsnachteil. Jetzt den moralischen Zeigefinger zu erheben, ist verwunderlich, im Eishockey und Basketball werden die Möglichkeiten des Paragrafen 3b längst genutzt. Niemand hat sich aufgeregt.“ Vielleicht liegt das daran, dass es bisher kaum jemand wusste. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) jedenfalls hält das Sparmodell für den „eklatanten Missbrauch einer Regelung, die für hart arbeitende Bürgerinnen und Bürger geschaffen wurde“; auch sein rheinland-pfälzischer Amtskollege Kurt Beck (SPD) schimpft: „Ich kann Bundesliga-Manager und Spieler-Millionäre nur dringend ermahnen, die Verbindung zu den normalen Menschen nicht völlig zu verlieren. Nacht- und Feiertagszuschläge stehen den Menschen zu, die wirklich hart arbeiten müssen.“ Den Dortmunder Manager haben die Politiker-Reaktionen entsetzt. Meier hält sie für „populistisch“; den Vorwurf unmoralischen Verhaltens, der aus den Kritiken ja deutlich herauszuhören ist, empfindet er schlicht als „größte Schweinerei, die es gibt“.“

Sympathische, dynamische Marke

Gerald Kleffmann (SZ 17.9.) befasst sich mit der Vereinsführung von 1860 München, die die Euphorie im Umfeld zu einer Imagepolitur nutzt. „Die Folgen des gelungenen Saisonstarts sind unübersehbar. Die Basis der Anhänger ist beschwingt wie nach einem Sektempfang, und die Spieler wirken während ihrer Übungen so, als genießen sie reichlich die Sonnenseite ihres Berufes, die sie gerade durchleben. Es wird gefeixt, es wird gelacht, und nach dem Training sind die Profis für Fans und Journalisten ansprechbar wie der Nachbar im Haus nebenan. Erfolg macht eben locker, besonders schön ließ sich das am Montagabend begutachten, im Fernsehsender des Bayerischen Rundfunks. Andreas Görlitz gab seine Premiere in Blickpunkt Sport, für einen wie ihn, der vor wenigen Monaten nur Branchenexperten bekannt war, eine wahrhaft große Aufgabe. Natürlich meisterte sie der junge Görlitz, sogar mit Bravour. Sympathisch, entspannt, bodenständig sei er rübergekommen, meinten Löwen-Anhänger tags darauf an der Grünwalder Straße. Vor allem dass Görlitz mit einem 1860-Retro-Trikot aus den sechziger Jahren erschien, schindete bei manchen Fans Eindruck. An Auftritte wie den von Görlitz wird man sich in Zukunft gewöhnen müssen, denn 1860 hat ein neues Marketing-Potenzial entdeckt: sich selbst. „Wir, die Löwen, wollen uns stärker als Branding präsentieren“, sagt Pressesprecher Dirk Grosse und erklärt, wie er das meint. 1860 solle in der Öffentlichkeit wieder als sympathische, dynamische Marke wahrgenommen werden, als ein Klub, auf den Mitglieder, Fans und Anhänger stolz sein können; das Image von der grauen Maus nervt schließlich lange genug. In der Wirtschaftssprache wird dieser Zustand als Corporate Identity bezeichnet, als ein gemeinsamer, Identität stiftender Unternehmensgeist – ein Ausdruck, der den 1860-Verantwortlichen gefällt. Das Ziel lautet daher: Die Profis sollen diesen Unternehmensgeist mehr als zuvor verinnerlichen. Und, vor allem, auch ausstrahlen.“

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