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Leverkusen in Liga Zwei

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Leverkusen in Liga Zwei

„Kopf hoch, Bayer, in der 2. Liga reicht auch Platz zwei. Diese Aufschrift eines Transparent der gegnerischen Fans aus Hamburg deutet es an. Leverkusen wird gegebenenfalls mit Schadenfreude in Liga Zwei verabschiedet werden. Das Mitleid der Ohrenzeugen erweckt allenfalls Trainer Thomas Hörster, der – mehrere Zeitungen berichten es – nach der 1:4-Niederlage bestätigt haben soll, er habe die Zuversicht auf den Klassenerhalt verloren. Darin erkennt die SZ einen überraschenden Trend: „Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit hat Konjunktur. Es ist ein seltsames Phänomen, ein Pessimismus, den Fußballtrainer normalerweise mit aller Macht bekämpfen, diesmal aber erreichte er früh schon Cottbus, er herrscht in Nürnberg vor und gedeiht nun auch prächtig in Leverkusen.“ Wenn sie Abstiegskampf und Existenzangst vermissen, spekulieren Beobachter gerne über die Ursachen solcher wehrlosen Auftritte. „Liegt es wirklich im Rahmen des Möglichen“, fragt die taz, „dass sich Profis nicht alles abverlangen, um sich durch attraktive Ablösefreiheit im Falle eines Abstiegs einem neuen Verein für die kommende Saison anzunähern?“ Ein schlimmer Verdacht.

Dahingegen hat der Meister der laufenden Saison alle (sportlichen) Bedenken nachdrücklich ausgeräumt. „Der FC Bayern muß nichts mehr verteidigen und nichts mehr erobern, und doch hat er noch einmal nach Herzenslust angegriffen. Ein nachahmenswertes Beispiel. Die Sorge, die Bayern könnten als vorzeitig feststehender Meister die letzten Spiele schon in den Urlaub integrieren, ist dagegen verflogen“, schreibt die FAZ nach dem 6:3 in Berlin .

Zweifel am Arbeitsethos

Rainer Seele (FAZ 12.5.) analysiert das Wesen des Abstiegskampfs. „Das Ende naht, die Grenzen werden spürbar. Damit soll in diesem Fall weniger die körperliche Erschöpfung von Fußballspielern auf den Schlußrunden der Saison gemeint sein. Es lassen sich, kurz vor Bundesliga-Ultimo, schließlich nicht nur Studien über die Fitneß von Berufssportlern anstellen, sondern – was wesentlich interessanter erscheint – auch über Charaktereigenschaften. Über die Berufsauffassung von Profis vor allem, über ihr Arbeitsethos, das mancherorts zu wünschen übrigläßt. Zwei Spieltage also noch, zweimal Gelegenheit, Verluste abzuwenden, Bilanzen zu schönen – doch nicht jeder Betroffene hat daran noch ein massives Interesse. Das ist eine bemerkenswerte, eine nachdenklich stimmende Erkenntnis dieses Wochenendes, an dem beispielsweise für Bayer Leverkusen und den 1. FC Nürnberg wieder eine Zitterpartie und eine Nervenprobe auf dem Programm standen. Doch weder die einen noch die anderen, beide am Abgrund taumelnd, erweckten den Eindruck, sich bedingungslos gegen das drohende Unheil stemmen zu wollen.“

So coacht man eine Mannschaft hinein in den Abstieg

Josef Kelnberger (SZ 12.5.) beschreibt Strategien, mit dem drohenden Sturz in Liga zwei umzugehen. „Gibt es noch irgendwo Trost für die Tod geweihten? Es wird auf dem Fußballplatz doch nur symbolisch gestorben, Herr Hörster, genau wie auf der Theaterbühne. Deshalb sei an dieser Stelle ein Ausflug zum österreichischen Schauspieler Klaus Maria Brandauer gewagt und zu dessen Liebeserklärung an seinen steirischen Heimatort Altaussee. Wenn dort Musik aus dem Wirtshaus dringe, erklärte er im Interview, wisse man nie, ob gerade eine Geburt, eine Hochzeit oder eine Beerdigung gefeiert werde. Ein schönes Bild für die Gelassenheit im Umgang mit Werden und Sterben wäre das: die Bundesliga als ein riesiges Wirtshaus, wo Meisterschaft und Abstieg gleichermaßen hingebungsvoll begossen werden, Ottmar Hitzfeld und Thomas Hörster Arm in Arm im Wirtshaus von Altaussee. Jenseits des Friedhofs-Geredes scheinen sich die Mannschaften ohnehin schon auf dem Weg der Erkenntnis zu befinden: Cottbus: 0:3 gegen 1860. Nürnberg: 1:4 in Dortmund. Leverkusen: 1:4 in Hamburg. Kein verkrampftes Verteidigen mehr, macht hoch die Tore. Auch im Unvermögen liegt ein gewisser Charme, und niemand verkörpert diesen Reiz besser als Thomas Hörster. Das hat man noch von keinem Trainer im Abstiegskampf gehört, dass er nach einer Niederlage Zitate streute wie: Damit müsse er selbst erst einmal klar kommen, nach dieser Leistung habe er alle Hoffnung aufgegeben. Genau so coacht man eine Mannschaft hinein in den Abstieg. Aber vielleicht liegt darin gerade eine Marktlücke für die oft wegen ihrer Verbissenheit gescholtene Bundesliga – in der Großzügigkeit im Untergang.“

Nerven aufreibender Kampf im Herzen dieser Nebelbank

Dahingegen erläutert Thomas Hahn (SZ 12.5.) die Spannung im Mittelfeld. „Der UI-Cup erinnert bei falscher Aussprache ein bisschen an ein Theater der kleinen Wunder, bei dem das Publikum immer wieder in freudiges Erstaunen gerät („Uiii!“). Tatsächlich ist UI die Abkürzung für Uefa Intertoto, womit auch der wenig poetische Hintergrund des Turniers klar wird: Der Kontinentalverband Uefa braucht auch im tiefen Sommer Stoff fürs Sportwettengeschäft. Doch der hohe Wert bleibt: Europas bessere Hinterbänkler bekommen eine Chance und damit jene ein Ziel, die eigentlich schon alle Ziele verloren haben. Genießen wir also nicht mehr nur die Pirouetten des Meisters, die Scharmützel um Champions League- und Uefa-Cup-Teilnahme, das Wettrennen gegen den Abstieg. Sondern fiebern wir auch mit beim Nerven aufreibenden Kampf im Herzen dieser Nebelbank, die in der Bundesliga die schmale Lücke zwischen Gut und Schlecht schließt. Schauen wir hin, wenn die beiden wichtigsten Vertreter der Mittelklasse, 1860 München, auch genannt „die Löwen“ (roarr!), und der VfL „die Wölfe“ Wolfsburg, ihr Fernduell ausfechten. Platz acht ist ihr Himmel. Dafür arbeiten sie: Ein bisschen mittelmäßiger sein als der Gegner, um wieder einzutauchen in den erlesenen Kreis der Provinzmannschaften. Constructorul-93, Slaven Belupo, FH Hafnarfjödur. Im UI-Cup tun sich neue Welten auf und vielleicht ein Schlupfloch in den Uefa-Cup, den UI-Cup für Erwachsene.“

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