Ballschrank
Marcel Reif
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| Donnerstag, 25. März 2004
Roland Zorn (FAZ 12.3.) porträtiert. „Marcel Reif, der Premiumreporter, schätzt im Gegenteil die elitäre Nische, da er sich selbst noch nie anheischig gemacht hat, vor allem und unbedingt populär sein zu wollen. Er ist es dennoch geworden und geblieben, gerade weil er sich selbst immer wieder die Qualitätsfrage gestellt und darauf stets aufs neue gehaltvolle Antworten gefunden hat. Ebendeshalb ist ihm am Dienstag die begehrteste aller deutschen Fernsehauszeichnungen, der Grimme-Preis, zuteil geworden. Eine reife Leistung für jemanden, dessen Stimme ein Minderheitenpublikum anspricht und sprachlich verwöhnt. Reif ist nie ein Entertainer gewesen. Selbst als vor einem Spiel der Champions League zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund 1998 ein Tor umfiel, haben er und sein damals kongenialer Partner Günther Jauch die Zeit bis zum Aufbau eines neuen Tors nur dazu genutzt, ihren Zuschauern die Pause mit intelligenten, witzigen, spielerischen Bemerkungen zu verkürzen. Dienst am Kunden auf hohem Niveau – dafür sind die beiden später mehrfach ausgezeichnet worden (…) Neunzig Minuten Reif pur, das sind in aller Regel Reportagen voller Esprit, in denen es zuerst um Genauigkeit geht. Dieser Kommentator begnügt sich nicht mit Bildbesprechungen, ihm geht es um das Destillat, die Essenz, das Wesentliche. Darum verliert sich Reif auf der ständigen Suche nach Prägnanz nicht in selbstverliebten Sätzen. Sein Spiel auf den Punkt zu bringen ist ihm ein Bedürfnis. Als der fünfsprachige Sprachakrobat 1996 beim ZDF damit begann, der Öffentlichkeit erste Stilproben seiner Neigung zum Sport anzuvertrauen, reagierten die Zuschauer zunächst erschrocken. So einen distanziert anmutenden, von der Fußballersprache nicht angekränkelten Reporter hatten sie noch nicht erlebt. Klarheit und Klugheit zeichnen seine Art, den Fußball zu bewerten, aus und dazu eine angenehme Ironie im Umgang mit den echten und eingebildeten Stars des Genres Profifußball (…) Er ist so etwas wie ein Bruder des ähnlich preisgekrönten Fußball-Experten der ARD, Günter Netzer. Netzer war ein Fußballgenie, Reif nur ein Fußballtalent des 1. FC Kaiserslautern. Der Chefanalytiker und der Chefreporter haben sich, weil über die Jahre unbeeindruckt von jeglichem Schnickschnack rund um das Fußballgewerbe, mit ihrer altmodisch-modernen Leidenschaft für das Spiel beliebt gemacht. Den Abstand des Kritikers zu wahren, aber nie die Nähe zum Gegenstand der Begutachtung zu leugnen, das hat Reif und Netzer zu einer in der Scheinwelt des Fernsehens seltenen Glaubwürdigkeit verholfen.“
Moritz Müller-Wirth (Zeit 13.3.) erinnert. „Die Szene, die sich am 1. April 1998 in Madrid abspielte, ist inzwischen ein Klassiker geworden. Im Bernabeu-Stadion fällt, kurz vor dem Anpfiff der Champions-League-Begegnung Real Madrid gegen Borussia Dortmund, ein Tor um. Die Fans hatten an den Stangen, an welchen die Tornetze befestigt waren, derart ausdauernd gerüttelt, dass eines der Tore zusammenstürzte. Bis Ersatzgebälk gefunden und montiert war, verstrichen fast eineinhalb Stunden. In diesen genau 76 Minuten lieferte sich der damals noch in Diensten des Senders RTL stehende und an diesem Abend im Stadion sitzende Reporter Reif ein kongeniales Zwiegespräch mit dem im Studio moderierenden Kollegen Günther Jauch, gipfelnd in einem Ausspruch Reifs, der in die Annalen des Fußballs und des Sportjournalismus eingehen würde: „Noch nie hätte einem Spiel ein Tor so gut getan wie heute.“ Als endlich ein Ersatztor gefunden und befestigt worden war, wurde an jenem Abend auch noch ein Fußballspiel angepfiffen – an dessen Verlauf und Ergebnis sich heute niemand mehr erinnert. Nach dem Spiel erhielt der Reporter Reif zwei Anrufe. Der erste Anrufer war Günther Jauch, der sich und seinem Partner prophezeite: „Dafür gibt es was!“ Bald darauf gab es was: den Bayerischen Fernsehpreis für Jauch und Reif. Der zweite Anrufer war Chefredakteur Hans Mahr, der am nächsten Morgen verkündete, dass die Quote während des Spiels auf zwei Tore wesentlich geringer gewesen sei als während des Vorspiels zum fehlenden Tor (…) Ist es verwunderlich, dass man nicht viele Menschen trifft, die sich als Gegner Marcel Reifs bezeichnen? Der Reifsche Abwehrriegel fängt nach innen wie nach außen eine ganze Menge ab. Und doch gibt es sie, die Gegner. Der Trainer Erich Ribbeck gehört zu ihnen, der ehemalige Nationalmannschaftscoach Berti Vogts, den Reif eine Zeit lang mit Bedacht immer Hans-Hubert nannte, zählte dazu, bis beide sich aussprachen. Und einige Fans von Borussia Dortmund gehören dazu, und das kam so: Es hat einmal ein Champions-League-Spiel gegeben, am 1. November 1995 in Bukarest, zwischen Steaua Bukarest und Borussia Dortmund. Es endetet 0:0. Reif war, damals noch als Sportchef bei RTL, mit von der Partie und musste nach dem Spiel das Interview mit Dortmunds Trainer führen, der damals Ottmar Hitzfeld hieß. „Herr Hitzfeld“, begann der Reporter Reif, „ich bin bereit, Ihnen zum Weiterkommen zu gratulieren, wenn Sie den Zuschauern Ihr Mitgefühl ausdrücken für die Art und Weise, wie es denn zustande gekommen ist.“ Ein „etwas komplizierter“ Einwurf, wie Reif heute findet, aber nichts Ehrenrühriges. Das sah man in Dortmund offenbar anders. Das Vereinspräsidium hielt Reif öffentlich ein unbotmäßig kritisches Verhältnis zur Borussia vor. Beim nächsten Champions-League-Heimspiel gegen Atletico Madrid klettert der Reporter Reif dann wieder auf seinen angestammten Reporterplatz im Westfalenstadion und hört kurz vor Spielbeginn die Fans auf den Rängen seinen Namen skandieren: „Und schon wieder keine Ahnung, Marcel Reif!“ Später: „Schwuler, schwuler Marcel Reif!“ Nicht 50 oder 60 Fans, wie sich Reif erinnert, „sondern die gesamte Südtribüne“. So ging es weiter, fast das gesamte Spiel. Und er? Was habe ich mit den Prolls am Hut? Die Damit-kann-ich-leben-Parade? Wenigstens im Rückblick? Ganz im Gegenteil. „Es war das Grauen, es packte mich das blanke Entsetzen“, sagt er, und wieder bröckelt kurz der Abwehrriegel ums Innenleben. Ganz im Reinen scheinen sie in Dortmund mit Reif, auch vier Jahre nach seinem Wechsel zum Pay-TV, noch immer nicht zu sein. In einer vorzüglichen Kneipe in der Madrider Innenstadt hatten sich Vater und Sohn Reif zum Tapas-Essen zurückziehen wollen und waren dabei auf eine Gruppe Dortmunder Schlachtenbummler gestoßen. Zwei von ihnen ließen sich mit Reif fotografieren, der Rest intonierte: „Reif, du Drecksau.““
11 Freunde machen Werbung
Gunnar Leue (taz 27.2.). „Da dürften die Freunde von 11 Freunde etwas verwundert gucken, so als hätte Paul Gascoigne bei St. Pauli unterschrieben und nicht in China. Das Lieblingsheft aller Fußballtraditionalisten überrascht in seiner Februar-Ausgabe mit Anzeigen. Nicht nur mit solchen für den kleinen Fan-Shop, sondern ganzseitigen für MTV, den PC-Fußball Manager 2003 oder die Zeitschrift brand eins. Umgekehrt laufen derzeit Werbespots für das Monatsheft auf MTV oder DSF. Da hats richtig Pop gemacht im Freunde-Haus, das bisher als Eigenverlag der hartgesottenen Arminia-Bielefeld-Fans Philipp Köster und Reinaldo Coddou firmierte. Doch die beiden haben das Heft nicht aus der Hand gegeben, nur die Lizenz an den Kölner Intro-Verlag, damit ein paar mehr Sportfreunde das Magazin für Fußball-Kultur als Alternative zum sportjournalistischen Mainstream entdecken (…) Als überregionales Fanzine haben wir uns inzwischen etabliert, aber in der Breitenwirkung können wir noch zulegen, sagt Köster. Wir wollen die dritte Kraft hinter Kicker und Sportbild werden. Soll heißen: In den nächsten zwei Jahren wird eine jährliche Verdopplung der Auflage – derzeit 35.000 Exemplare, davon 3.000 Abos – angepeilt. Die Chancen dürften gar nicht schlecht stehen, denn es gibt viele, die die Ranisierung der Fußballwelt nicht so lustig finden (…) Eine echte Konkurrenz zu Kicker und Sportbild sehen die 11 Freunde-Macher nicht. Unser Gründungsgedanke bleibt: Fußball ist Leidenschaft. Wir wollen über Leute berichten, die das ausdrücken. Wir glauben, dass Fußball bisher nicht den journalistischen Widerhall bekam, den er verdient, sagt Köster. Tatsächlich dürfte 11 Freunde den Platzhirschen kaum das Revier streitig machen, repräsentiert es doch eher die Indierock-Fraktion, während Kicker und vor allem Sportbild die Kommerzfuzzis sind, die sich ums Fußball-Entertainment kümmern.“
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