Ballschrank
Matthias Sammer verliert Kredit in Dortmund – René C. Jäggi feuert Erik Gerets in Kaiserslautern – die Sonntagsspiele in Freiburg und Hannover: Ärger in Leverkusen, ungewohnte Harmonie in Hannover – Robson Ponte, Leverkusener Star (FAS) u.v.m.
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| Donnerstag, 25. März 2004Sie sollten sich an finanziellen Gegebenheiten ausrichten, nicht länger am Standesdünkel
Martin Hägele (NZZ 3.2.) schildert die Lage in Dortmund: “Die schwersten Schmerzen, die ein Dortmunder nur bekommen kann, wenn sein Verein gegen den verhassten Nachbarn verliert, haben die schwarz-gelbe Firma ausgerechnet in einem Moment befallen, da niemand mehr die Mechanismen des BVB kontrollieren, geschweige denn die Nachrichten aus der Führungsetage koordinieren kann. Die Geschlossenheit der Chefs war schon während der Hitzfeld-Ära (1991 bis 1997) das Dortmunder Erfolgsgeheimnis. Doch anders als vor sieben Jahren, als der ehrgeizige Niebaum seinen Startrainer Hitzfeld aus egoistischen Gründen geopfert hat, wird das Triumvirat diesmal nach den Gesetzen der Branche zerrissen. „Da man die Mannschaft nicht auswechseln kann, muss man sich vielleicht vom Trainer trennen. Ich sehe keinen Ansatz zur Besserung. Es fehlt an Begeisterung und Leben.“ Wenn Udo Lattek, der als Ziehvater von Matthias Sammer und als enger Freund von Niebaum und Meier gilt, solche Sätze ganz offen im DSF sagt, weiss man schon, wem die Stunde schlägt. Sammer, in seiner ersten Saison 2001/02 als Cheftrainer gleich Deutscher Meister, steht zur Disposition. Kurioserweise kann ihn nur sein Gehalt vor der Kündigung retten. Sammers Abfindung würde Borussia Dortmund geschätzte 7,5 bis 8 Millionen Euro kosten; woher dieses Geld nehmen, nachdem der Klub seinen Professionals bereits die Gehälter gekürzt und Probleme bekundet hat, den laufenden Geschäftsbetrieb zu begleichen? In dieser bescheidenen Lage hilft nur eins. Niebaum und Meier müssen möglichst schnell ein Konzept vorlegen, das Borussia Dortmund sportlich und wirtschaftlich neu ausrichtet. Sie sollten sich an den finanziellen Gegebenheiten ausrichten, nicht länger am Standesdünkel, wonach sie zu den G-14 und ihre Mannschaft zum Stamm der Champions League gehört. Denn ohne einen klaren Orientierungspunkt ist es aus der Krise nicht mehr weit bis zum Chaos.“
1. FC Kaiserslautern: Jäggi feuert Gerets Tsp
SC Freiburg – Bayer Leverkusen 1:0
Wir waren sorglos, arrogant und überheblich
Michael Ashelm (FAZ 3.2.) teilt Leverkusener Enttäuschung und Ärger mit: „Drei Punkte weg, den Anschluß an die Spitze verpaßt und dann auch noch die wichtigste Offensivkraft verloren (Robson Ponte) – schlimmer hätte das Fußballjahr für Bayer Leverkusen gar nicht beginnen können. Dementsprechend harsch gehen nun die maßgebenden Personen auf seiten des Bundesligaklubs mit sich ins Gericht, so selbstkritisch, wie es zuletzt nur in der desaströsen Vorsaison zu hören war, als sich die hoch bezahlte und mit einer ganzen Schar von Nationalspielern ausgestattete Werkself fast in die Zweitklassigkeit verabschiedet hatte. Von Schlafwagen-Fußball sprach Kapitän Jens Nowotny, Torwart Jörg Butt bezeichnete die Leistung der Mannschaft als Rückschlag, während Cheftrainer Klaus Augenthaler ganz schnell zu den arbeitstechnischen Konsequenzen überging: Da müssen wir jetzt Extra-Einheiten einlegen. Wie schwer werden die kommenden Wochen?Nach der respektablen Hinrunde und dem Anliften der Ziele für den zweiten Teil der Saison hat sich die Situation für die Leverkusener plötzlich wieder verändert. Die überraschende Niederlage wirft Fragen auf, die sich in den vergangenen Monaten eher nur am Rande gestellt hatten. Wir waren sorglos, arrogant und überheblich, so die Analyse des Geschäftsführers Reiner Calmund.“
Wie ein ungezogenes Kleinkind
Thomas Klemm (FAS 1.2.) porträtiert Robson Ponte: „Als einziger aus der Leverkusener Stammelf hat der Brasilianer mit italienischem Paß noch nie ein Länderspiel absolviert; selbst Aufrücker Hanno Balitsch hat bereits ein A-Länderspiel hinter sich. Auch für die Zukunft macht sich Robson Ponte nicht allzuviel Hoffnung. Der brasilianische Nationaltrainer Carlos Albert Parreira schöpft schließlich aus dem vollen, so daß Ponte bei Bayer wohl in puncto Auslandseinsätze jene Ausnahmeerscheinung bleibt, die er in der Bundesliga-Hinrunde auch als Leverkusener Spielgestalter war. Er ist ein Leader, der nicht nur Südamerikaner mitreißt, sondern auch unsere Deutschen, sagt Bayer-Manager Ilja Kaenzig. Die Gründe für die erfolgreich verlaufene Hinrunde sieht Trainer Klaus Augenthaler zwar in der allgemeinen Auf- und Einstellung begründet. Doch aus der kollektiven Stärke ragte Robson Ponte an vielen der 17 Spieltage heraus: mit zwei Treffern und acht Vorlagen, den zweitmeisten der Liga-Hinrunde. Als er einmal fehlte, erlebte Bayer seine größte Enttäuschung, verlor im Achtelfinale des DFB-Pokals beim Regionalligaklub TSG Hoffenheim 2:3. Erst jetzt, im vorgerückten Fußballeralter von 27 Jahren, habe Ponte angefangen, sein Potential abzurufen, behauptet Kaenzig, der dem Offensivspieler nun Reife auf und neben dem Platz bescheinigt. Diese Platzreife erlangte Robson Ponte indes nicht in Leverkusen, wohin er 1999 vom FC Guarani für neun Millionen Mark gekommen war, sondern auf seinem Umweg über Wolfsburg. Nachdem er bei Bayer nach 36 Bundesligaspielen, zwei Toren und einer Roten Karte ins Abseits gedribbelt war, entschloß er sich zum Wechsel. Zu ungeduldig und unbeherrscht sei er gewesen, sagt Ponte; wie ein ungezogenes Kleinkind, meint Kaenzig. Das Vertrauen des damaligen Wolfsburger Trainers Wolfgang Wolf habe ihm geholfen, vom eigenbrötlerischen Schönspieler zur allseits engagierten Offensivkraft zu werden, behauptet Ponte. Was blieb ihm auch anderes übrig als einzigem Südamerikaner beim niedersächsischen Bundesligaverein?“
Hannover 96 – Hamburger SV 3:2
Nun hat Moar, der stolze Spanier, seine Ehre wieder
Sascha Zettler (FR 3.2.) stellt ungewohnte Harmonie in Hannover mit: „96 hat neue Helden. Gestern saßen fünf Neue wie auf der Hühnerstange in der Firma des Präsidenten, um sie der Öffentlichkeit vorzustellen. In alphabetischer Reihenfolge: Wladimir Butt, Clint Mathis, Jaime, Stanko Svitlica, Abel Xavier. Seit dem Aufstieg 2002 hat 96 damit nicht weniger als 28 Spieler verpflichtet. Dass die ausgerechnet Moar, aus dem winterlichen Machtkampf mit Rangnick als Verlierer herausgegangen, fünf potenzielle Verstärkungen hervorgezaubert hat, passt ins schnelllebige Bild. Der spanische Sportdirektor vollzog binnen sieben Tagen den Wandel vom Deppen zum Helden: Erst verpflichtete er Clint Mathis, der einst mit Irokesenfrisur bei der WM 2002 für Aufsehen sorgte und bei seinem Bundesliga-Debüt gegen den HSV glänzend Regie führte und zum 2:1 traf. Dann holte Moar in einem Pokermarathon mit La Coruña Mittelfeldspieler Jaime zurück nach Hannover, der gegen die Hamburger ebenfalls traf. Und abschließend wiederholte er das, was ihm im Vorjahr den Titel heimlicher Retter von Hannover eingebracht hat. Er verpflichtete einen Hochkaräter: Abel Xavier, 31-jähriger Abwehrstar der Portugiesen bei der EM 2000, zuletzt von Liverpool an Galatasaray Istanbul ausgeliehen und nach Vertragsauflösung arbeitslos, kommt ablösefrei bis 2005. Mein Traum ist die Euro 2004, sagte Xavier gestern, ich hoffe, dass ich das über Hannover schaffe. Moar hatte den bunten Vogel gelockt: Hannover ist wie eine Vitrine, in der Du ausgestellt wirst. Genau wie Fredi Bobic vor einem Jahr. Nun hat Moar, der stolze Spanier, seine Ehre wieder.“
Frank Heike (FAZ 3.2.) ergänzt: „Es scheint so, als habe das winterliche Reizklima zwischen Rangnick und Moar durchaus gute Erfolge für den Verein hervorgebracht. Das dürfte vor allem einen freuen: Präsident Martin Kind. Er steht als Schlichter vom Dienst nun als der große Sieger da.“
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