Ballschrank
Medium des Antichristen
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| Donnerstag, 25. März 2004
Erik Eggers (taz 6.5.) widmet seine Aufmerksamkeit dem Matchwinner. „Auch Ozzy Osbourne fand keine Gnade vor dem Erlöser Leverkusens an diesem Abend, vor Lucimar Ferreira de Silva, genannt Lucio. Obwohl der US-Hardrocker in letzter Zeit ein wenig handzahm geworden ist und heute als Hauptdarsteller in der nach ihm benannten Serie bei MTV allenfalls zum Schmunzeln anregt. Osbournes Provokationen verfügen ja nun nicht mehr über jene Drastik der 70er-Jahre, als die erzkonservativen amerikanischen Theologen nichts weniger in ihm erblickten als ein Medium des Antichristen. Vielleicht wusste das auch Lucio, jedenfalls hat er sich zunächst zwar artig bedankt für die aktuelle Osbourne-CD, die ihm ein Fernsehsender nach dem 3:1-Sieg gegen Arminia Bielefeld noch auf dem Rasen als Spieler des Tages als Präsent überreichte. Dann ließ er unverzüglich via Dolmetscher ausrichten, dass er es nicht so mit Rockmusik habe: Ich mag lieber Kirchenmusik. Dabei erinnerte die Spielweise des 24-Jährigen in den 90 Minuten zuvor keineswegs an einen braven Gang in den Gottesdienst. Vielmehr hatte Lucio mit seiner bemerkenswerten Brachialität und Willenskraft den Werkskickern drei wichtige Punkte gesichert (…) Profaner sahen es die Konkurrenten aus dem Ostwestfälischen. Diese Glücksschüsse, meinte etwa der Ketzer in Gestalt Detlev Dammeiers, gehen nicht jede Woche rein. Und auch Gäste-Trainer Benno Möhlmann wies in seinen Analysen fast mit Stolz darauf hin, dass der Gastgeber in keinem Moment die spielerischen Möglichkeiten gefunden habe, den aus zehn Mann bestehenden Abwehrriegel seiner Mannschaft zu knacken. Tatsächlich vermochten sich weder Bierofka auf links noch der schwache Franca entscheidend durchzusetzen, sodass Leverkusen gegen diesen weltlichen Beton weitgehend auf Weitschüsse und Standards angewiesen war. Die ganze Chancenarmut zeigte sich speziell in der zweiten Halbzeit, in der Leverkusen, abgesehen von den beiden Toren, keine weiteren Torschüsse zu verbuchen hatte.“
Dem Streß mit Beruhigungspillen begegnet
Michael Ashelm (FAZ 6.5.) ebenso. „Jeder hat gesehen, warum er Weltmeister ist, schwärmte Thomas Hörster über Lucio. Dieser Satz kam Hörster zwar gewohnt spröde über die Lippen, aber die große Erleichterung war auch ihm nach der Berg-und-Tal-Fahrt des Sonntags anzumerken. Der spätberufene und umstrittene Trainer konnte erfreut feststellen, daß endlich einer seiner Spieler im Kampf um den Verbleib in der höchsten Spielklasse Courage zeigte. Zu bestaunen war ein Profi, der im Gegensatz zu seinen Kollegen nicht die Verantwortung ängstlich an den nächsten weiterreichte, sondern auch nach einem Rückschlag die Entscheidung für sich und die Mannschaft erzwingen wollte. Also der Typus von Profi, den sich die Verantwortlichen bei Bayer in den vergangenen Wochen so sehnlichst herbeigewünscht hatten. Wir haben ein wichtiges Spiel gewonnen. Wir wollen die drei anderen auch gewinnen und in der Bundesliga bleiben, sagte Lucio nach vollbrachter Tat. Das hört man gern in dieser ungemütlichen Zeit in Leverkusen, in der kreuz und quer debattiert wird, zwischen den Entscheidungsträgern unterschwellig Dissonanzen sicht- und hörbar werden und der große, nicht mehr ganz so allmächtige Geschäftsführer Reiner Calmund dem Streß mit Beruhigungspillen begegnet. Das alles kostet Nerven, nicht jeder auch im Kreise der Spieler mag dem gewachsen sein. Also vertraut man auf die Hoffnung und Siegertypen wie Lucio.“
Lucios CD von Ozzy Osbourne ausleihen
Christoph Biermann (SZ 6.5.) schlägt vor. „Man hätte gerne gewusst, was zu all dem Reiner Calmund gesagt hätte, der Ende vergangener Woche immerhin Adolf Hitler aus dem Feld schlagen konnte. Bei der Wahl zum „Liebling des Monats“ in der Harald-Schmidt-Show war der Bayer-Manager trotz Hitler auf den ersten Platz gewählt worden. Doch Calmund hat sich ein Schweigegelübde auferlegt und spricht nur noch donnerstags bei den offiziellen Pressekonferenzen zu den Menschen. Am Sonntag vermochte er nicht einmal mehr das Spiel unter Menschen zu schauen („Ich leide wie ein Hund“), nach dem 2:1 von Lucio verschwand er und sah sich den Rest im Fernsehen zuende an. Bei so viel Leiden sollte sich Calmund zum Stressabbau vielleicht einfach mal Lucios CD von Ozzy Osbourne ausleihen – und ganz laut abspielen.“
Hansa Rostock – Schalke 04 3:1
Zu lange nachgedacht
Friedhard Teuffel (FAZ 6.5.) schreibt über Rostocker Stürmer. „Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte dafür, daß Fußball kein Denksport ist, dann hat ihn der Schwede Rade Prica am Sonntag geliefert beim 3:1-Erfolg des FC Hansa Rostock gegen den FC Schalke 04. Er stand alleine vor dem Schalker Torwart Frank Rost und konnte sich aussuchen, wie er den Ausgleich für den FC Hansa erzielen wollte. Ein Heber wäre möglich gewesen, ein Schlenzer an Rost vorbei oder auch ein listiger Schuß durch die Beine des Torwarts. Doch Prica tat das Falsche: Ich habe zu lange nachgedacht. Nach dieser Denkpause beförderte Prica den Ball über das Tor, sehr zur Enttäuschung seiner Mannschaft, sehr zum Verdruß des Publikums im Rostocker Ostseestadion, das ihn daraufhin auspfiff, und sehr zum Ärger seines Trainers Armin Veh: Da darf er den Ball überall hinschießen – nur nicht über das Tor. Wozu der Kopf beim Fußballspielen da ist, hat Prica dafür in der zweiten Halbzeit sich und den 25.000 Stadionbesuchern gezeigt, als er den Ball ins Tor köpfte.“
Javier Cáceres (SZ 6.5.) fragt. „Wohin der Weg der Schalker führen wird, ist vergleichsweise ungewiss, statt Uefa-Cup wird es wohl nur zum UI-Cup reichen (wo immerhin der FC Barcelona als Kassenschlager winkt). Womit Schalke ungefähr wieder da gelandet ist, wo man mit Wilmots’ Vorgänger Neubarth schon einmal war. Auch die strategische Personalie Trainerposten ist für die kommende Spielzeit offen. Wilmots, der eigentlich vorhatte, in die belgische Politik zu wechseln, erklärte zum wiederholten Male genervt, dass er erst am 24. Mai entscheiden werde, ob er als Trainer in Schalke bleibt oder nicht – „punkt!“ Selbst dann würde Schalke noch drei Monate Zeit haben, um einen neuen Übungsleiter zu finden. Als er gefragt wurde, ob diese Niederlage ein Resultat war, das ihn nach Belgien katapultiert, wurde er verräterisch laut: „Wenn ich in den Uefa-Cup will, dann will ich für den Verein in den Uefa-Cup, nicht für mich. Ich brauche das nicht.““
Unpässlich
Marko Schumacher (NZZ 6.5.) liefert Hintergründe aus Nürnberg. „Neben der sportlichen Talfahrt droht eine Schlammschlacht mit Augenthaler. Reichlich unvermittelt sind nach seiner Entlassung schwere Vorwürfe laut geworden gegen den Weltmeister von 1990. Von Alkohol-Eskapaden ist die Rede und davon, dass Mannschaftssitzungen mehrmals ausfallen mussten, weil der Trainer unpässlich gewesen sei. Von Rufmord spricht Augenthaler und will rechtliche Schritte gegen den ehemaligen Arbeitgeber einleiten. Denn schon wurden Gerüchte laut, Roth wolle mit gezielten Falschinformationen die Abfindung einsparen. Der Vertrag des Trainers läuft bis 2004.“
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