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Michael Roth

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Michael Roth

Obwohl Nürnbergs Präsident Michael Roth noch vor wenigen Wochen im Anschluss an ein Fan-Votum ankündigte, in dieser Saison keine Personalentscheidungen mehr treffen zu wollen („Notfalls gehen wir mit Klaus Augenthaler in die Zweite Liga“), halten sich Überraschung und Empörung in den Redaktionen in Frankfurt, München und Berlin über den spontanen Trainerrauswurf in Grenzen. Offenbar wirkt der Teppichhändler auf seine Mitmenschen derart unglaubwürdig, dass diese von vornherein der naiven Versuchung widerstehen, ihn an seinen Worten zu messen.

„Kein anderer deutscher Verein im bezahlten Fußball heuert und feuert seine Trainer so radikal, wie es der 1. FC Nürnberg unter der Ägide des Teppich-Moguls tut“, kritisiert Gerd Schneider (FAZ 2.5.) die Personalstrategie von Michael Adolf Roth. „Man kann darüber streiten, ob sich der knorrige Niederbayer als Startrainer beim Club der Namenlosen abgenutzt hat. Zuletzt leistete seine Mannschaft nicht einmal mehr passiven Widerstand. Es heißt, der einstige Weltklassespieler sei im Training immer öfter selbst am Ball gewesen. Damit soll er seine Profis, die bedauernswerten, bloßgestellt haben. Roth nahm diese Vorlage nun allzugern auf und begründete die Entlassung mit den vielzitierten Problemen zwischen Trainer und Mannschaft. In Wirklichkeit verstellen fadenscheinige Argumente wie diese den Blick auf die eigentlichen Ursachen für die Schwäche. Dem Low-Budget-Team, in dem Torhüter Darius Kampa als bekanntester Spieler gilt, fehlt es ganz einfach an Klasse, um sich in der Bundesliga dauerhaft zu behaupten. Warum der Club trotz günstiger Voraussetzungen nicht die Mittel für bessere Profis hat, das liegt in der Verantwortung der Vereinsführung. Gewiß hat der Traditionsverein unter Roth Altlasten in Millionenhöhe abgebaut. Doch daß allein sein Hang zum Feuern ein Vermögen gekostet hat, kann auch Roth nicht unter den Teppich kehren.“

Dahingegen versteht Thomas Kilchenstein (FR 2.5.) die Motive für den Rausschmiss, aber nicht den Zeitpunkt. „womöglich hat der oberste Clubberer, der Teppichhändler Roth, nun wirklich nicht für besondere Langmut bekannt, just in diesem Fall zu lange gezögert mit dem Trainerrausschmiss. Was soll der Neue, Wolfgang Wolf, kein klassischer Feuerwehrmann und auch nicht dafür bekannt, ein Ausbund an Motivationskraft zu sein, eigentlich vier Spieltage vor Ultimo bei vier Punkten Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz noch bewirken? Nein, wenn denn ein Trainerwechsel Sinn gemacht hätte, dann schon Wochen vorher, als Roth nur auf Druck der Fans davon abgesehen hatte, dem unleidlichen Augenthaler den Stuhl vor die Tür zu setzen. Denn schon damals war der rapide Autoritätsverlust des Trainers erkennbar, war bekannt, dass der Freund des gepflegten Weizenbiers bisweilen Mannschaftssitzungen ausfallen ließ und sich ganz gern sarkastisch über seine zu betreuenden Kicker auszulassen pflegte. Ein anderes Mal hat er nur den Kopf geschüttelt, ja sie einfach ausgelacht, als sie hilf- und orientierungslos über den Platz gefußballert waren. Ohnehin gibt es ja viele, die der für kleines Geld zusammengestellten Elf die Bundesligatauglichkeit absprechen. Da wirkt es nicht sehr clever, wenn sich der eigene Trainer lustig macht übers Team. Nach der jüngsten Pleite gegen den HSV soll es dann im Mannschaftsbus zu einer ordentlichen Schreierei gekommen sein. Das Tischtuch war endgültig zerschnitten. Nun also Wolfgang Wolf, der neue Besen. So viel Temperament und Leidenschaft, berichteten Kiebitze vom ersten Training am Valznerweiher, habe man bei den Profis lange nicht mehr gesehen.“

Zu den Ursachen von Augenthalers Entlassung liest man von Volker Kreisl (SZ 2.5.). „Am Ende erwies sich die Macht der Anhänger als Illusion. Vor vier Wochen hatten ihre Sprechchöre Klaus Augenthaler noch im Amt gehalten, dann musste ihr Lieblingstrainer doch gehen, und was von der Rebellion übrig blieb, waren zwei hagere Fans am Trainingsgelände, die gegen den neuen Trainer Wolf protestierten und ein eher niedliches Transparent hoch hielten („Heiliger Krieg gegen Roth“). Der Präsident hatte sie vielleicht an der Nase herumgeführt, hatte vielleicht selber nicht gewusst, was er wollte, gescheitert waren die Fans und ihr Trainer aber am banalen Phänomen Misserfolg. Als Augenthaler vor drei Jahren gekommen war, hatte er die versteckten Möglichkeiten in Nürnberg gerühmt, das weite Trainingsgelände, die vielen Fans, die Tradition. Augenthaler galt als der Richtige, weil er früher viel Erfolg hatte und die Spieler sich an ihm aufrichten konnten. Zunächst hörten sie ihm auch wissbegierig zu und zeigten trotz mittleren Talents Ausreichendes für die Bundesliga. Doch dann kam der Zeitpunkt, an dem sich die Wirkung des Vorbilds offenbar ins Gegenteil verkehrte. Augenthaler zeigte seinen Spielern im Training, dass er selber noch besser schießen kann. Er distanzierte sich oft von deren schlechten Leistungen, die Spieler hörten manchmal, „heute hätte jeder ausgewechselt werden müssen“ und spielten danach noch mutloser.“

Hans Böller (FAZ 2.5.) berichtet. „Die Reaktion fiel branchenüblich aus: In der Nacht zum Mittwoch tagten Präsidium und Aufsichtsrat, am nächsten Morgen war der einstige fränkische Lieblingstrainer Augenthaler beurlaubt – und Wolfgang Wolf als Nachfolger schon bestellt. Mit neun zu null Stimmen hatte man sich gegen Augenthaler ausgesprochen; das Vormittagstraining leitete bereits der am 3. März in Wolfsburg entlassene Wolf, inerhalb von vier Stunden aus seinem Wohnort Braunschweig angereist. Beinahe, erzählte der Neue, hätte ich auf der Autobahn einen Unfall gebaut. Solche Dynamik hatte man zuletzt vermißt am Valznerweiher, wo sich der akribische Arbeiter Augenthaler zunehmend isoliert fühlte. Schon im Herbst, trotz einer erfolgreichen Hinrunde, hatten Aufsichtsräte ohne Not begonnen, an ihm herumzumäkeln, auch Roth kritisierte Taktik und Aufstellung.“

Tim Bartz (FTD 2.5.) glossiert. „Die Welt ist reich an Witzfiguren. Unangefochtener Spitzenreiter der Rangliste der größten Lachnummern ist derzeit natürlich Mohammed Said el Sahhaf. Saddams sympathischer Propagandachef machte einst seine Pressekonferenzen zu Happenings und leugnet wohl noch heute die Anwesenheit amerikanischer Panzer in Bagdad.. Was das mit der Bundesliga zu tun hat? Ganz einfach: Platz zwei hinter Sahhaf auf der nach unten offenen Blödmann-Skala wird souverän von Michael A. Roth verteidigt. Noch vor vier Tagen versicherte der Nürnberger Vereinsboss, dass „in dieser Saison personell garantiert nichts mehr passieren wird“, um nur zwei Tage später Trainer Klaus Augenthaler zu feuern – ein echter Sahhaf sozusagen.“

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