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„Fans retten Auge“

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für „Fans retten Auge“

„Fans retten Auge“ titelte die Nürnberger Abendzeitung und drückte damit treffend die allgemeine Überraschung aus, die den Worten des Club Präsidenten Michael Adolf Roth entsprang: „Klaus Augenthaler hat diese und nächste Saison einen Vertrag, und der wird auch auf jeden Fall erfüllt. Und ich hoffe, wir können mit Klaus Augenthaler dann zu entsprechender Zeit verlängern.“ Vor einer Woche, als der Club auf dem Betzenberg in Grund und Boden gespielt wurde, klang das noch ganz anders. Aber Roth wäre nicht Roth, würde er seine Meinungen nicht innerhalb weniger Tag komplett ändern können.

Der aufmerksame Beobachter vernahm im Frankenstadion am Sonntag Abend während des Matchs gegen die Hertha aus Berlin skurrile Begebenheiten: Die erste Halbzeit bestimmten entweder gellende Pfiffe oder gespenstische Ruhe. Zur “Prime Time”, zwischen 25. und 40. Minute, sammelten sich lange Schlangen vor den Bratwurst- und Bierständen des Stadionvorplatzes, wie es sonst nur in der Halbzeit üblich ist. Die Fans selbst schienen von der Angst gepackt, unfähig sich das Leid weiter anzusehen. Selbst der sonst unermüdliche Anheizer vor Block 7 verstummte in der ersten Halbzeit vollkommen.

In der zweiten Halbzeit drehte sich diese Situation ebenso wie es später Roth tun würde: Die Fans erhoben ab der 45. Minute ihre Stimme, feuerten teils Trainer, teils Mannschaft an, skandierten „Au-gen-thaler, Du bist der beste Mann“, „Außer Auge könnt ihr alle gehen“ aber auch „Kämpfen, Nürnberg, kämpfen“. Der Anheizer schien sich alle Energie für die zweite Hälfte aufgespart zu haben und die Stimmung war selbst nach dem 0:3 noch prächtig, zumindest relativ prächtig. Eine Wendung gab allerdings schwer zu denken: „Ohne Auge, wärt ihr gar nicht hier“, womit die miserable Situation des Clubs kaum trefflicher formuliert werden konnte.

Der ruhmreiche, neunmalige Deutsche Meister 1. FC Nürnberg beschäftigt in seinen Reihen mit Klaus Augenthaler und Edgar Geenen zwei hauptamtliche Angestellte, die ihr nicht gerade kärgliches Brot damit verdienen, mit gegeben Mitteln eine bestmögliche Mannschaft aufzustellen. Am Wochenende waren bis auf Kos, Nikl, dem eingewechselten Krzynowek und Driller (auf der Bank) ausschließlich Spieler für den Kader nominiert, die das Duo Augenthaler und Geenen verpflichteten. Davon zu sprechen, dass nicht der Trainer sondern die schlechte Mannschaft für die Misere verantwortlich ist, ist eine Farce. Teams wie Stuttgart oder Rostock wurden zu Anfang der Saison mit vergleichbaren finanziellen Mitteln ausgestattet, weshalb die mangelnde finanzielle Ausstattung nur bedingt als Ausrede herhalten darf. Verstärkt man sich zudem mit Spielern, die von vornherein die Gefahr versprühen, von den Fans als Söldner abgestempelt zu werden, ist auch der erschreckend schwache und kritische Zuschauerzuspruch nur logisch.

Blick zurück: Trainer Friedel Rausch stolperte sowohl in Nürnberg als auch in Frankfurt über seine Arroganz und seine uneinsichtige Art, dass nicht er, sondern ausschließlich die Mannschaft Schuld trage an schlechtem Abschneiden. Trainer bekommen unter anderem verdammt noch mal gutes Geld dafür, gemeinsam zu gewinnen – und gemeinsam zu verlieren. Klaus Augenthaler begibt sich seit einiger Zeit in eben dieses “Rauschende Fahrwasser” und zieht die Mannschaft ins Lächerliche („Wenn ich die Peitsche auspacken würde, hätte ich am Wochenende nur noch 5 Spieler auf dem Platz“). Nicht die Mannschaft exklusive Klaus Augenthaler verliert oder gewinnt, sondern der 1. FCN inklusive Augenthaler.

Klaus Augenthaler hat in drei Jahren Nürnberg viel erreicht, scheint nun aber am Ende seines Lateins. Anstatt Fehler, wie beispielsweise eine verfehlte Einkaufspolitik offen anzusprechen, flüchtet sich die Vereinsführung in Durchhalteparolen, mit denen sich das Team schneller als gewünscht in der zweiten Liga wiederfindet.

Roth hat den Ruf eines knallharten Präsidenten, der im Zweifel gegen jeden Einwand erhaben einen Trainer beurlaubt, wenn es um das Wohl des Vereins geht. Verfolgt man die Trainerentlassungen der letzten Jahre aufmerksam, hat Roth stets im Sinne des Vereins gehandelt und die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen. Schade, dass Michael A. Roth diesmal vor den Fans eingeknickt ist.

Roland Wittner ist Clubberer, if-Mitarbeiter, Liebhaber und Experte des englischen Fußballs, und nach eigenen Aussagen mit fränkischem Kabarett groß geworden.

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