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Nach dem Einzug ins Achtelfinale Hochstimmung in Stuttgart und in den Sportredaktionen – Timo Wenzel, Torschütze und Held – Felix Magath, die schwäbische Instanz (taz) u.v.m.

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Nach dem Einzug ins Achtelfinale Hochstimmung in Stuttgart und in den Sportredaktionen – Timo Wenzel, Torschütze und Held – Felix Magath, die schwäbische Instanz (taz) u.v.m.

VfB Stuttgart – Glasgow Rangers 1:0

Beklemmendes Gefühl, daß es so grandios nicht weitergehen kann

Peter Heß (FAZ 28.11.) drückt die Daumen: “So gefestigt, clever und abgeklärt sich die Mannschaft von Trainer Magath präsentiert, so wenig Anlaß zur Sorge ihre Spiele objektiv betrachtet bieten, irgendwie entsteht das beklemmende Gefühl, daß es so grandios nicht weitergehen kann. In den überraschenden und überragenden Erfolgen des VfB liegt schon der Keim des Vergehens – denn haben wir nicht gelernt: Nur die reichen Vereine können auf Dauer triumphieren? Längst macht die Konkurrenz Jagd auf die Talente, umschmeichelt sie mit Angeboten, die sich etwa der FC Schalke 04 nur leisten kann, weil er Teile seiner Zuschauereinnahmen auf Jahre verpfändet hat. Zur gedanklichen Ablenkung kommt der körperliche Verschleiß. Anders als die Bayern ist der VfB nicht in der Lage, seine besten Kräfte durch ein Rotationsverfahren zu schonen. So viele gleichwertige Spieler haben die Stuttgarter nicht. Welchen VfB werden wir also im nächsten Frühjahr erleben, wenn die Champions League entschieden wird? Einen Verein, der weiter den FC Bayern beschämt, oder einen Klub, der einer großartigen Vorrunde nachtrauert und wieder zu Bayern München aufsieht? (…) Nicht, daß Magaths Mannschaft ein großes Stück Fußballkunst abgeliefert hätte. Für den Glanz, für das Mitreißende an diesem Abend hatten in größerem Maße die Begeisterungsstürme der 50 000 Zuschauer im ausverkauften Gottlieb-Daimler-Stadion gesorgt. Was die jungen Profis des VfB geboten hatten, war weniger spektakulär, aber von großer Nachhaltigkeit. Sie hatten einen erfahreneren, sich mit teilweise unfairen Mitteln wehrenden Gegner beherrscht. Sie lieferten dabei kein Beispiel dafür ab, was jugendlicher Überschwang bewirken kann, sondern wie gefestigt, konzentriert, wie selbstbewußt und clever sie sind. Ihr Einzug ins Achtelfinale der Champions League war ein ganz abgeklärtes Werk von Frühreifen.“

Martin Hägele (Tsp 28.11.) beschreibt Stuttgarter Hochgefühl: „„Rosa Zeiten für die Roten“, wie der Traditionsklub aus Bad Cannstatt seit 110 Jahren genannt wird, versprach der Leitartikel der Stuttgarter Nachrichten; und der Kommentator der Stuttgarter Zeitung empfahl seinen Lesern, sich doch den 26. Mai schon mal vorzumerken: An diesem Tag steigt in der Arena Auf Schalke das Finale der Champions League. Also, spinnen die jetzt alle im Schwabenland? Sehen sie jetzt keine Grenzen mehr für ihre überwiegend jugendlichen Himmelsstürmer? Ist vielleicht alles etwas zu schnell gegangen? Immerhin hat sich ein Teil dieser Mannschaft vor nicht einmal zweieinhalb Jahren gerade noch vorm Abstieg in die Zweite Liga gerettet. Timo Wenzel hat die schlechten Zeiten damals mitgemacht, und als gleich zu Beginn dieser Runde der VfB zu einer Spitzenmannschaft in der Liga wurde, schien für den bodenständigen Verteidiger kein Platz mehr zu sein. Vor dem denkwürdigen Sieg gegen Manchester United wurde der 25-Jährige zum ersten Mal aus dem 18-köpfigen Kader gestrichen. Mit Tränen in den Augen saß Wenzel auf der Tribüne, während sich seine Kollegen vor einem Millionenpublikum in Trance spielten. Und nur weil der Brasilianer Bordon operiert wurde, rückte Wenzel vor fünf Wochen wieder ins Team. Er sollte, so gut es ging, dessen Stellvertreter sein in der statistisch besten Hintermannschaft des Kontinents, weil man, wie Wenzel selbst sagt, „einen Bordon nicht ersetzen kann“. Und ausgerechnet dieser Spieler schoss am Mittwoch das 1:0 gegen die Rangers. Mit verschwitztem Trikot saß er um Mitternacht vor 200 Journalisten und acht Fernsehkameras und soll dort erst mal sein persönliches Märchen und dann auch noch das Wunder VfB erklären.“

Fast schon britische Intensität und Aggressivität

Michael Kölmel (BLZ 28.11.) schildert Stuttgarter Stärken: „Ungewöhnlich wenige Chancen hatten die Schwaben im Rückspiel am Mittwoch, aber ihre fast schon britische Intensität und Aggressivität ließ nie einen Zweifel aufkommen, wer die Partie entscheiden würde. Auch die Freistoßvariante über drei Stationen, die zum 1:0 führte, ist Ergebnis monatelanger Arbeit. Assistenztrainer Krassimir Balakov hatte sie mit der Mannschaft einstudiert. Wir haben eben nicht nur einen Trainer, sagte Magath lapidar und erklärte, dass der Erfolg nichts Märchenhaftes an sich habe, sondern vielmehr eine logische Entwicklung sei, Ergebnis zielgerichteter Arbeit der Mannschaft, die es jetzt schon zweieinhalb Jahre mit mir aushält. Gerade die jungen Profis hätten sich durch Balakovs Abschied aus dem Spielerkader enorm gemacht. Kuranyi, Hinkel, Tiffert, Hleb haben aus der Not heraus gelernt, Verantwortung zu tragen. Inzwischen geben sie Magath Anlass zum Schwärmen. So einen Zusammenhalt habe ich selten erlebt, sagte er, da muss ich schon Jahrzehnte zurückdenken, um etwas Ähnliches zu finden. Eine große Zukunft prophezeit er seinem Team. Ein versteckter Hinweis auch an Kuranyi, der noch um einen besser dotierten Vertrag pokert: Es wäre sehr schade, wenn einer ohne Not diese Mannschaft verlassen würde.“

Noch kein europäischer Spitzenklub

Benedikt Voigt (Tsp 28.11.) hält zu viel Euphorie für abträglich: „Bis zu 9,61 Millionen Zuschauer sahen im Fernsehsender Sat1 das 1:0 gegen die Glasgow Rangers, zuvor hatten sich die Fernsehzuschauer und die Leser der „Bild“-Zeitung in einer Abstimmung für das Spiel des VfB Stuttgart und gegen die Partie des FC Bayern entschieden. Sie wollten lieber Leidenschaft und Mut sehen als Routine und Abgeklärtheit. „Seht, ihr Bayern, so wird das gemacht“, sangen die Fans des VfB Stuttgart am Mittwoch. Die Bayern dürften es sich für das direkte Duell am 13. Dezember gemerkt haben. Und vielleicht täte eine Niederlage gegen die Bayern dem VfB Stuttgart auch ganz gut. Denn der beständige Jubel ist noch kein Indiz dafür, dass der Verein für Bewegungsspiele ein europäischer Spitzenklub ist. Er muss das erst noch beweisen, wenn das Umfeld ernüchtert ist. Zum Beispiel muss Stuttgart in der Lage sein, Rückschläge zu verkraften. Einen solchen hat das Team seit eineinhalb Jahren nicht erlebt. Hinzu kommt das Management. Es muss zeigen, dass es schwierige Situationen bewältigen kann. Vielleicht ist es deshalb nicht schlecht, dass der Stürmer Kevin Kuranyi die gute Stimmung mit seinem Vertragspoker stört. Er deckt ein Defizit auf, das auf dem Platz nicht zu sehen ist: Das Management muss erst noch mit der sportlichen Entwicklung Schritt halten.“

Elke Rutschmann (FTD 28.11.) beglückwünscht Timo Wenzel, einziger Torschütze: „Beim großartigen Fest gegen Manchester United saß der 25-Jährige noch auf der Tribüne. Doch dann verletzte sich Marcelo Bordon und Timo Wenzel füllte problemlos die Lücke im hoch gelobten Stuttgarter Abwehrverbund. Gegen die Rangers schoss er das Tor des Abends und verlängerte damit vorzeitig die Verweildauer des VfB in der Champions League. „Ich fühle mich deshalb aber nicht als Held. Außerdem ist es schwer, Marcelo zu ersetzen“, sagte Wenzel, und sein Kinn verschwand immer wieder im Revers seiner schwarzen Trainingsjacke. Dabei hat er keinen Grund sich zu verstecken. „Er kann Bordon sehr wohl gut ersetzen“, lobte Felix Magath. Der Trainer genoss den Abend wie gewohnt mit einer Tasse Pfefferminztee, plauderte locker, ohne selbstherrlich zu wirken. Wie so oft in den vergangenen Wochen nutzte er das feine Instrument der Koketterie. So rechnete er schon einmal aus, dass man sich bei einem Verkauf des unschlüssigen Angreifers Kevin Kuranyi beispielsweise Lauterns Stürmer Miroslav Klose als Ersatz leisten könne. „Aber bei uns wird ja nicht so schnell gerechnet. Man ist etwas langsam im Zusammenzählen“, sagte Magath, und hören sollte das vor allem Ulrich Ruf, Vorstandsmitglied, zuständig für Finanzen und Verwaltung. Mit dem ist sich der Teamchef und Manager regelmäßig uneins über die Verwendung der Einnahmen. „Um sich langfristig zu etablieren, braucht man auch Mut“, sagte Magath.“

Magath spricht, die Schwaben glauben, keiner zweifelt

Tobias Schächter (taz 28.11.) hat Stuttgarts Trainer zugehört: „Die Instanz, die die Himmelsstürmer in den rot-weißen Trikots am Boden hält, ist aus Fleisch und Blut: Felix Magath, der Trainer. Der hat zwar Visionen, ist aber auch Realist. Auf der Pressekonferenz stellte er noch einmal das kollektive Erweckungserlebnis in den Mittelpunkt. Der Sieg gegen Manchester hat allen gezeigt, was hier möglich ist, erklärte der Schwaben-Messias. Und jetzt, vor dem letzten Spiel in Manchester, dem Endspiel um den Gruppensieg, da hat Magath wieder eine Steigerung parat: Wir wollen natürlich auch dort gewinnen, um dann als Gruppenerster gesetzt in die Achtelfinal-Auslosung zu gehen. Im Rückspiel hätte man dann Heimrecht. Magath spricht, die Schwaben glauben, keiner zweifelt. So ist das zur Zeit im Ländle. Und selbst die Frage eines eifrigen Reporters, ob denn nicht auch das Finale drin sei, wird nicht etwa mit Kopfschütteln kommentiert, sondern die Blicke richten sich streng nach vorne aufs Podium, wo Felix Magath kurz lächelt, sich einen Kaffee einschenkt und dann leise orakelt: Ein Schritt nach dem anderen, so weit sind wir noch nicht. Magaths Traum ist es, mit dem VfB zu erreichen, was er einst als Spieler des HSV geschafft hat, als man den Bayern trotzte und den Europacup gewann. Dies ist eine Arbeit hier, wie ich sie, was den Teamgeist, die Begeisterung und die deutschlandweite Anerkennung angeht, in der Bundesliga schon Jahrzehnte nicht mehr erlebt habe.

Selbst die Engel ham’s erkannt, Stuttgart ausser Rand und Band

Martin Hägele (NZZ27.11.) berichtet den Sieg des VfB Stuttgart: „Champions-League-Partys, so scheint es, lassen sich in der neuen Hauptstadt des deutschen Fussballs, fast nach Programm feiern. Auch wenn sich die Event-Planer dabei noch etwas hölzern mit ihren Botschaften anstellen: Das Motto „Selbst die Engel ham’s erkannt, Stuttgart ausser Rand und Band“ auf dem Transparent und die riesige VfB-Fahne mit den Cherubim im Trikot des Bundesligaklubs sollten wohl Weihnachtsstimmung vermitteln. Damit das schwäbische Aschenputtel- Märchen in Europas Königsklasse weitergeht, waren aber auch Tore der jungen Himmelstürmer verlangt. Damit hatte das Ensemble von Felix Magath zunächst einige Probleme, vor allem, nachdem sich die erste grosse Chance des Spiels ausgerechnet den defensiv orientierten Schotten geboten hatte. In der 22.Minute tauchte Ricksen ganz allein vor Hildebrand auf – nun weiss auch der Anhang der Glasgow Rangers, warum der junge Keeper in der Bundesliga für jede Menge Rekorde und Schlagzeilen verantwortlich gewesen war.“

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