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Netzer und Sport-Bild greifen Michael Ballack persönlich an

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Netzer und Sport-Bild greifen Michael Ballack persönlich an

Die FAZ (19.9.) hält die Nase in den Wind. „Wenn das nicht mal die neue Debatte wird, die die Republik die nächsten Wochen über beschäftigt: Günter Netzer hat, nicht zum ersten Mal, den Bayern-Spieler Michael Ballack kritisiert. Dieser, so schreibt Netzer in seiner Sport-Bild-Kolumne, sei „nicht prädestiniert für die typische Rolle eines Führungsspielers wie zu früheren Zeiten“. Und warum das so ist, dafür hat Netzer eine weniger sportliche denn geographisch-politisch-historische Erklärung parat. „Ballack ist in der DDR aufgewachsen“, gibt Netzer zu bedenken. „Dort zählte das Kollektiv, das hat den Weg für Genies verstellt. Ohne jetzt sagen zu wollen, daß das nur schlecht war: Aber Ballack begnügt sich in seiner Rolle, in der eigentlich mehr drin wäre.“ Da also haben wir die Wurzel allen Übels: Ballack ist – und bleibt es offenbar – Ossi. Auch wenn der Görlitzer zum Zeitpunkt des Mauerfalls erst 13 war, mithin schon die Hälfte seines Lebens im westlichen System verbracht hat, ist der Osten aus ihm nicht herauszukriegen. Politisch korrekt ist eine solche Sicht sicher nicht, weshalb Karl-Heinz Rummenigge, wie Netzer ein Geschöpf des West-Fußballs, Netzer frontal angeht: „Ungeheuerlich, wenn er die DDR ins Spiel bringt. Das klingt ja gerade so, als hätten die Leute dort alle ein Handicap, das darf ja wohl nicht wahr sein. Das ist eine Beleidigung aller ehemaligen DDR-Bürger.““

Persönliche Rufschädigung

Jörg Hahn (FAZ 19.9.) schüttelt den Kopf. „Günter Netzer ist sein Geld wert – aber er setzt seinen Ruf aufs Spiel. Fragt sich nur, ob dies bei klarem Bewußtsein geschieht oder ob er zum Opfer der Themensteuerung und der Marketingstrategie jenes Medienhauses zu werden droht, von dem der ARD-Mitarbeiter einen weiteren Teil seiner Einkünfte als Fußball-Kritiker bezieht. Schon in der zweiten Woche nach Rudi Völlers isländischer Eruption wird im Namen des Experten Netzer Rabbatz gemacht. Nahm er sich zunächst Völler zur Brust, so bekommt diesmal Nationalspieler Michael Ballack sein Fett weg. In beiden Fällen ist, von außen betrachtet, ein ähnlicher Mechanismus zu erkennen; Netzer (oder sein Ghostwriter?) formuliert in der angestammten Mittwochskolumne einer Sportzeitschrift provokante Thesen, die tags darauf das täglich erscheinende Schwesterblatt aufgreift und mit neuen, weiter gehenden Ideen ausbaut (…) Die Befindlichkeiten früherer DDR-Bürger hätte er besser nicht außer acht gelassen. Genau hier fängt die persönliche Rufschädigung an. Seine unbedachten Ansichten mögen vor der Veröffentlichung unbeanstandet geblieben sein – die Journalisten aber, die springlebendig fürs Tagesgeschäft zuständig sind, haben sich Netzer umgehend vorgeknöpft: Kann ein ,Ossi‘ nicht Bayern und die Nationalelf führen? Schon ahnt man, wie eine Pro-Ossi-Kampagne aussehen und wer darin als Verteidiger ostdeutscher Interessen und Fähigkeiten auftauchen dürfte. Netzers Gegenspieler könnten plötzlich nicht mehr Völler oder Ballack heißen, sondern Merkel oder Tiefensee. Au Backe! So gefährdet man seine Qualifikation für die WM 2006 – auch wenn man daran bloß als Fernsehkommentator teilnehmen will.“

Es ist ein Wahnsinn, was da drinstand

FAZ-Interview mit Michael Ballack

FAZ: Haben Sie eigentlich schon einmal bedauert, in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, geboren zu sein – und nicht in Mönchengladbach, der Heimatstadt von Günter Netzer?

MB: Ich? Nee. Warum? Ich nehme an, Sie spielen auf Netzers Sport-Bild-Kolumne an, in der mir meine DDR-Herkunft quasi zum Vorwurf gemacht worden ist.

FAZ: So ist es. Haben Sie sich Netzers Kritik, im Kollektiv aufgewachsen und deshalb vielleicht charakterlich nicht dazu geeignet zu sein, eine Mannschaft zu führen, zu Herzen genommen?

MB: Über solche Aussagen muß ich gar nicht erst diskutieren. Das erledigt sich von selber. Dennoch: Es ist ein Wahnsinn, was da drinstand.

FAZ: Haben Autoren aus dem Westen Deutschlands wie eben Netzer eine falsche Vorstellung darüber, wie Kindern in der DDR das Fußballspielen beigebracht wurde?

MB: Ich war mal gerade zwölf Jahre alt, als die Wende kam. Ich habe Fußball gespielt, weil es mir Spaß gemacht hat. Da kam kein Trainer zu mir, der mir gesagt hätte, mein lieber Michael, du darfst dich persönlich nicht weiterentwickeln und keinerlei Führungsaufgaben übernehmen. Im Ernst: Die DDR ist auch heute noch für ihre teils hervorragenden Sportler bekannt.

FAZ: Haben Sie etwa Netzers Kolumne gar nicht so ernst genommen?

MB: Eigentlich kann ich mir gar nicht vorstellen, daß ein Grimme-Preisträger so etwas gesagt hat.

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