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Neue Facette der Ikonographie als Phänomen der Sport- und Popkultur

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Neue Facette der Ikonographie als Phänomen der Sport- und Popkultur

Paul Ingendaay (FAZ 3.7.) legt aus. „Beckham ist etwas anderes. Um das zu begreifen, genügt ein einziger Blick. Der Brite trägt die Rückennummer 23, die mythische Ziffer des amerikanischen Basketballspielers und Werbekönigs Michael Jordan. Damit entsteht in der internationalen Sportwelt eine neue Symbolik, ein disziplinen- und länderübergreifendes Universum der Stars. Ehrenpräsident Alfredo di Stéfano, der die größte Epoche in der Geschichte Real Madrids verkörpert, hat Beckham wenige Minuten zuvor das neue Trikot überreicht. Becks soll wissen, was es bedeutet, im Klub von Gento, Netzer, Butragueño, Raúl und Zidane zu spielen – oder mit den aktuellen Stars Raúl, Figo und Zidane. Und er weiß es. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen, sagt er dem Fernsehsender Real Madrid TV. Mein einziger Wunsch ist, mit all diesen großartigen Spielern in einer Mannschaft zu stehen. Am Vortag hat der englische Nationalspieler eine medizinische Untersuchung überstanden (Kein Gramm Fett, lautete das ärztliche Urteil, der Junge ist wie neu) und einen Vierjahresvertrag unterschrieben, der ihm 25 Millionen Euro garantiert. Als der ehemalige Publikumsliebling von Manchester United den Rasen überquert, die Zuschauer gegrüßt und ein wenig mit dem Ball gezaubert hat, schlüpft plötzlich ein Junge unter der Absperrung hindurch und läuft auf sein Idol zu. Beckham zögert nicht und schließt ihn in die Arme. Der Junge weint: Er trägt kein Hemd. Vor unseren Augen findet die Begegnung zweier Welten statt. Der Fußballer wehrt die Sicherheitsleute ab, geht mit dem jungen Fan über den Platz und streift ihm ein Trikot über, das neue Beckham-Produkt mit der Nummer 23, das am Tag darauf in den Läden zu kaufen sein wird. Lasset die Kinder zu mir kommen: Der bestverdienende Fußballprofi des Planeten fügt seiner eigenen Ikonographie als Phänomen der Sport- und Popkultur eine neue Facette hinzu.“

Es war eine perfekte Vorstellung

“In Madrid ist der reale Wahnsinn ausgebrochen“, lesen wir von Ralf Itzel (SZ 3.7.). „Sollte irgend ein Marketing-Superhirn auch das inszeniert haben, dann gebührt ihm ein Preis. Als David Beckham auf Real Madrids Trainingsplatz zwei für die Fotografen jonglierte, stürmte plötzlich ein kleiner Junge, bekleidet nur mit kurzen Hose und ohne Hemd, auf den Fußballer zu. Er hatte sich unter dem Zaun durchgezwängt. Bei den Sicherheitsleuten schrillten die Alarmglocken, aber Beckham beschwichtigte sie, schloss den aufgeregten Knirps lange in die Arme, schenkte ihm ein Trikot und streifte es ihm auch noch eigenhändig über. Lady Diana hätte es nicht einfühlsamer machen können. Englands Prinzessin der Herzen hat einen männlichen Nachfolger gefunden. Durch diese Geste eroberte der Brite die Spanier schon am Tag seiner offiziellen Präsentation. Und dass seine Frau Victoria, früher Sängerin der Kapelle Spice Girls, das weiße Kätzchen mit dem Klub-Halsband, das ihr irgendjemand hinstreckte, so zärtlich streichelte, ist auch niemandem entgangen. Es war eine perfekte Vorstellung.“

Symbol der Postmoderne

Markus Jakob (NZZ 3.7.) berichtet. „Um 12.11 Uhr hielt Beckham – himmelblauer Anzug, weisses Kavalierstuch – unter den Klängen der Klubhymne seinen Einzug, flankiert von Florentino Pérez und Alfredo di Stéfano. Mit Beckham, so führte der Präsident aus, habe er sehr wohl „eine globale Ikone, ein Symbol der Postmoderne“ nach Madrid geholt; er, Pérez, sehe in ihm aber vor allem den „phantastischen Fussballer“. Auch wenn diese Aussage nicht ganz zum Nennwert zu nehmen ist, passt sie doch zu seinem Entscheid, mehrere hundert akkreditierungsbegierige Vertreter der Regenbogenpresse draussen zu lassen. Es lässt sich nicht behaupten, sie hätten viel verpasst. Um 12.16 Uhr überreichte di Stéfano dem Spieler sein neues Trikot – die Stunde der Zahlenmystiker: Weder trug es die Nummer 7 (die Beckham als Cantona-Nachfolger in Manchester getragen hatte, die in Madrid aber Raúl vorbehalten bleibt) noch die 11 (mit der man gerechnet hatte, obwohl sie letzte Saison Ronaldos Rücken zierte, der dann seinerseits Morientes‘ 9 hätte übernehmen können), sondern die 23. Allgemeine Verblüffung, bis klar wurde, dass das die Rückennummer des bisher rentabelsten aller Sportler war: die des Basketballstars Michael Jordan. Da also geht es lang. Um 13.30 Uhr waren bereits über zweihundert Hemdchen mit der betreffenden Nummer zum Preis von 78 Euro über den Ladentisch gegangen. (…) Allfällige Fragen aus den Mündern der Medienvertreter waren nicht vorgesehen. Sie waren wohl auch nicht nötig, zumal diese ja schon alles ausfindig gemacht hatten, was es herauszufinden gab: den Preis von Beckhams Suite im Hotel Fénix, den der Brillanten (rhomboidal) an seinen Ohrläppchen und den der Schule, die Brooklyn, der ältere seiner beiden Söhne, in Madrid besuchen wird. Im einzigen Interview auf spanischem Boden, das er Real Madrid TV gewährte, hatte Beckham lobende Worte für seine neuen Compañeros übrig, namentlich für Figo, dieses „grosse Fussball-Gehirn“.“

Manuel Meyer (BLZ 3.7.) blickt voraus. “Madrid, die Drei-Millionen-Stadt, hat aber nicht nur als Einkaufs-Hochburg, sondern auch für Davids Beckhams Aktionsdrang einiges zu bieten. Vielleicht nimmt ihn der portugiesische Weltfußballer Figo ja mal zum Golfen mit. Figo ist nämlich Stammgast des Madrider Golfclub. Und wenn Becks wirklich Ruhe haben will? Das Familienleben, das die Beckhams so schätzen, dürfte in Madrid idyllisch werden. Den Zuschlag gaben sie nämlich einer Villa im Nobelvorort La Moraleja, obwohl sie zunächst eigentlich für 3,5 Millionen Euro den Marmorpalast La Murta in der Nachbarschaft des spanischen Königs Juan Carlos ersteigern wollten. Der Vorteil des Domizils von La Moraleja: Das Haus liegt in der Nähe der englischen Schule, die Sohn Brooklyn besuchen wird. Außerdem lebt dort die Hälfte von Beckhams neuen Kollegen von Real Madrid. Und in ihrer Freizeit – bei Kindergeburtstagen etwa, Nachbarschaftsfeiern und auf dem Spielplatz – treffen sich Spieler wie Zidane, Raul und Beckhams Landsmann Steve McManaman. Was aber, wenn das alles nicht reichen sollte? Schon jetzt befürchten spanische Zeitungen, die Beckhams könnten im lebensfrohen, aber braven Madrid den Esprit Londons vermissen. Madrid ist schließlich vor allem eine Stadt, in der sich das Leben auf der Straße und auf den Plätzen abspielt. Im Altstadtviertel auf der Plaza Mayor, auf der Puerta del Sol und auf der Gran Via, Spaniens Broadway, spielt die Musik. Ob den Beckhams die Nähe zum spanischen Normalverbraucher gefallen wird? Ob sie das unschlagbare Kulturangebot Madrids mit Prado, Reina Sofia und Thyssen-Museum zu würdigen wissen?“

Michael Jordan muss sich im Grab umdrehen

Bayernmanager Uli Hoeneß, der den Fans in der letzten Saison stolz Teenie-Schwarm Michael Ballack präsentierte, kommentiert. Das war ein Affentheater, wie ich es noch nie gesehen habe. Ich habe das im Urlaub im Liegestuhl köstlich verfolgt, ich sehe Real Madrid auf der Entwicklung vom Fußballclub zum Zirkus. Das ist gut für uns. Da sieht man, wie man es nicht macht. Das wird sich auf lange Sicht auch auf das Spiel auswirken.“ Der Kapitän der englischen Nationalmannschaft wird wie Basketball-Legende Michael Jordan die Rückennummer 23 tragen, was Hoeneß zu folgender Stilblüte veranlasst: Michael Jordan muss sich im Grab umdrehen.

Ist Jordan denn gestorben? (of)

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