Ballschrank
Oliver Kahn
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| Donnerstag, 25. März 2004
Oliver Kahn wurde von der Stadt München für seine sportlichen Leistungen geehrt. Thomas Becker (FR 10.4.) wohnte der Zeremonie bei. „Der Franz hat einen, Karl-Heinz auch, und jetzt hat ihn auch der Oli: den Goldenen Ehrenring der Stadt München. Scherzbolde hatten sich schon vor der Zeremonie mit augenzwinkerndem Grinsen ganz bewusst versprochen und vom goldenen Ehering für den gazettenübergreifend als Ehebrecher enttarnten weltbesten Ballfänger gesprochen. Kein Wunder also, dass Oliver Kahns Vorfreude auf die Veranstaltung am Marienplatz gegen minus Unendlich tendierte. Dass aber der Geehrte die nur wenige Minuten dauernde Prozedur mit einer derart verbissenen Leichenbittermiene verbrachte, tat dem Betrachter schon fast wieder weh. Am Laudator kann es nicht gelegen haben, denn Oberbürgermeister Christian Ude ist nicht als Langweiler bekannt. Ort der Handlung ist der Kleine Sitzungssaal des Rathauses: verschnörkeltes Holz, gewaltige Lüster, schwere Holztüren, monumentale Wandgemälde, eine Kreuzigungsszene. Von diesem Anblick konnte sich der zuletzt häufig am Pranger stehende Kahn kaum losreißen, als es darum ging, samt Ring, Oberbürgermeister und den anderen Geehrten in die Presse-Kameras zu schauen. Kahn aber schaute überall hin: auf den Boden, hoch zum Kreuze, ins Ungefähre, das alles immens angestrengt und garantiert lächelfrei.“
Sinnbild deutscher Selbstkontrolle und Leistungsbesessenheit
Anlässlich dieser Gelegenheit porträtiert Philipp Selldorf (SZ 10.4.) die öffentliche Person Kahn. „Auch der OB sah sich bei seiner Ansprache genötigt, ein paar „leider unvermeidliche Worte“ zu sprechen, wie sie Kahn derzeit häufig hört. Sie handelten davon, dass der Fußballer hier „nicht für sein Verkehrsverhalten und Privatleben geehrt“ werde, sondern für seine sportlichen Leistungen. Verkehrsverhalten und Privatleben des zum „Titan“ erhobenen Torwarts haben zuletzt nicht nur in der kleinen Weltstadt mit Herz die Gemüter bewegt, sondern auch zwischen Sapporo und Fukuoka für Aufsehen gesorgt. „Es gab Klärungsbedarf“ mit den Werbepartnern in Japan, wie Kahns Manager Ludwig Karstens einräumt. In Japan ist der 33-jährige Münchner der größte ausländische Fußballstar – neben dem Engländer David Beckham von Manchester United –,was ihm wertvolle Reklameverträge eingebracht hat. Allerdings steht Oliver Kahn derzeit auch in Asien vor allem für Eskapaden abseits des Fußballfeldes. Was also müssen die Japaner denken, wenn sie all das hören und lesen: von der Geliebten und der Ehekrise, von exzessiven Expeditionen in die Münchner Amüsierwelt und wilden Fahrten über die Autobahn…? Sie müssen glauben, dass ihr Idol, dieses Sinnbild deutscher Selbstkontrolle und Leistungsbesessenheit, die Anarchie für sein Dasein ausgerufen hat (…) Der Medienrummel um Oliver Kahn sei „schon beängstigend“, meint der an allerlei Härten gewöhnte Bayern-Manager Uli Hoeneß, und auch das stimmt natürlich. Die Frage ist, was der Rummel anrichtet und ob er jemals enden wird. Viele deutsche Sportstars haben erfahren müssen, was es heißt, aus den Höhen gerissen zu werden, in die man sie zuvor gehoben hatte. Boris Becker ist schließlich der Lächerlichkeit preisgegeben worden, Steffi Graf hat sich durch Auswandern dem Zugriff entzogen, den sie so gefürchtet hat. Sebastian Deisler, 22, der das Pech hatte, in einer Zeit des Umbruchs in der Nationalmannschaft zum einzig wahren Wunderkind des deutschen Fußballs stilisiert zu werden, gilt bei seinem Klub, dem FC Bayern, bereits als „restlos versaut“ für einen halbwegs gesunden Umgang mit der Rolle als öffentliche Person. Mehmet Scholl, einst Deutschlands liebster Teenie-Star, verweigerte sich kürzlich sogar der harmlosen Ehrung zum „Torschützen des Monats“, weil er ein Eindringen in die Privatsphäre fürchtete. Hoeneß sagt, dass von Kahn nach der WM „ein Bild von einem Menschen geformt wurde, das nahezu perfekt ist“. Jener Held, dem Bild am Sonntag bei der WM stellvertretend fürs ganze Volk mitteilte: „Wir sind alle Kahn!“, muss sich ein halbes Jahr später vom Schwesterblatt aus demselben Verlag sagen lassen, er sei „sexkrank“. Dieser perfekte Mensch steckt jetzt, wie Berater Karstens bemerkt, „in einer Schublade mit Dieter Bohlen und den Superstars“.”
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