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Omnipotenz von Franz Beckenbauer

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Omnipotenz von Franz Beckenbauer

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung – nicht gerade für reflexhaftes Misstrauen gegenüber den Mächtigen dieses Landes bekannt – stößt sich an der Omnipotenz von Franz Beckenbauer, und die Süddeutsche Zeitung beleuchtet noch einmal die “Akte Fedor Radmann”.

Joachim Mölter (FAS 30.3.) kritisiert. „Franz Beckenbauer trägt die Gesamtverantwortung für das Organisationskomitee sowie für den deutschen Rekordmeister – und damit auch für die beiden derzeit größten Fußball-Affären. Aber niemand traut sich, ihn deswegen in die Verantwortung zu nehmen (…) Im deutschen Fußball gibt es niemanden, bei dem so viele Interessen so schadlos kollidieren wie bei ihm. Als Präsident des FC Bayern München wirbt Beckenbauer für die Deutsche Telekom, als Privatmann für das konkurrierende Unternehmen O2. Für den Verein muß er mit dem Großversicherer Allianz kooperieren, für das Organisationskomitee mit dessen Mitbewerber Hamburg-Mannheimer. Als Klubchef hat er den Bau eines neuen Stadions in München betrieben; als OK-Boß wird er es für die Fußball-WM anmieten. Und niemand traut sich, ihn aufzufordern, dieses Geschäftsgeflecht zu entwirren, um für klare, saubere Verhältnisse zu sorgen. Wer sollte das auch tun? Der Mann, den sie im Fußball den Kaiser nannten, hat sein Reich längst über das Spielfeld hinaus ausgedehnt. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber dient ihm beim FC Bayern als Vorsitzender des Beirats. Der Bundeskanzler Gerhard Schröder stand stramm und still hinter ihm, als die Entscheidung über die WM-Vergabe für 2006 fiel. Und als die beiden im vergangenen Jahr nach Afghanistan unterwegs waren und das Raketenabwehrsystem des Transall-Flugzeugs ausgelöst wurde, da stand Beckenbauer in den Schlagzeilen der Boulevardzeitungen; der Bundeskanzler stand im Kleingedruckten darunter. So wichtig ist Franz Beckenbauer mittlerweile also für Deutschland. Soll man da ernsthaft erwarten, daß der Innenminister Otto Schily, Aufsichtsratsmitglied des WM-Organisationskomitees, Beckenbauers Rolle in der Radmann-Affäre kritisch hinterfragt? Womöglich die Konsequenzen fordert, die in der freien Wirtschaft üblich sind, nämlich den Vorgesetzten Radmanns zur Rechenschaft zu ziehen, der über die Vorgänge hätte Bescheid wissen müssen? So müßte es sein, aber so wird es nicht kommen. Beckenbauer hat eine Medienmacht hinter sich: Bild, Premiere, RTL. Und der Kaiser dient so vielen Leuten, die mit ihm, durch ihn, dank ihm so gute Geschäfte machen, daß sie ihn nicht stürzen werden, sondern stützen.“

siehe auch: Eine direkte Leuchte ist er nicht

WM-OK-Vize Fedor Radmann unter Verdacht

Thomas Kistner (SZ 1.4.) untersucht die „Akte Fedor Radmann“. „Es gibt schon jetzt auffallend viele zufällige Geschäftsvernetzungen innerhalb der deutschen WM-Organisation. Auch spricht nicht direkt für ein modernes Geschäftsgebaren, wenn die bisher vier nationalen WM-Sponsoren zugleich auch den OK-Chef Beckenbauer auf der PR- Payroll führen oder führten. Was hat der DFB zum Erhalt dieser WM eigentlich versprochen: Deutschland macht’s möglich – oder Kaiser Franz allein macht sie möglich? Nun ist der OK-Chef auch noch Radmanns stärkste Stütze in all den Affären. Deshalb geht es am Dienstag auch um die Frage, wie das sportive Zukunftsmodell Deutschland aussieht: Mit Vollgas zurück ins Kaiserreich? Sollte Radmann erneut das Vertrauen des OK erhalten, könnte das Auswirkungen haben für die Aufsichtsräte; für Innenminister Schily, DFB-Chef Mayer-Vorfelder und Günter Netzer, Miteigner der WM-Fernsehrechte. Keiner wird behaupten können, er sei überzeugt, dass nun nichts mehr passieren werde. Nach allem, was vorliegt, und nach allem, was der Klärung bedarf, ist Gutgläubigkeit eine zu dünne Entscheidungsbasis. Wird dem OK-Vize noch einmal das Vertrauen erteilt, darf nichts mehr schiefgehen im weiten Feld seiner WM- Geschäfte. Insofern wird das Thema Radmann am Dienstag tatsächlich beendet. Ganz gleich, wie die Lösung aussieht.“

(28.3.)

Jan Christian Müller (FR 28.3.) stellt fest, dass die Rückendeckung für WM-OK-Vize Radmann schwindet. “Selbst im eigenen Haus, so scheint es inzwischen, verfolgt man Radmanns Umtriebigkeit mit zunehmendem, wenn auch öffentlich noch verhalten verlautbartem Argwohn. Dass Politiker gerade in Zeiten dramatisch zusammenbrechender Steuereinnahmen unangenehme Fragen stellen, wenn sie von den möglicherweise erquicklichen Verästelungen im weit verzweigten Geschäftsgeflecht des Fedor Radmann hören, darf den Schattenmann hinter Beckenbauer nicht verwundern. Eine Fußball-WM ist ein gigantisches Geschäft für wenige, für das viele zur Kasse gebeten werden. Allein das WM-Kulturprogramm soll bis zu 60 Millionen Euro an Steuergeldern verschlingen. Radmann begegnet den unbehaglichen Nachfragen mit Brachialrhetorik: Das schlägt angesichts der weltpolitischen Lage dem Fass den Boden aus. Wenn er da mal nicht wieder einen Schritt zu weit gegangen ist.“

(27.3.)

Jens Weinreich (BLZ 27.3.) porträtiert. „Fedor Radmann hat Stil, keine Frage. Der distinguierte Grauschopf parliert in mehreren Sprachen. Er weiß die Vorzüge erlesener Weine zu schätzen. Und wer sich je von ihm in ein fremdländisches Restaurant einladen ließ, hat es nicht bereut. Es war ein Genuss. Ach ja, und außerdem kennt sich der 58-jährige Radmann gut aus in der Sportpolitik. So gut, dass er an der Seite seines bayerischen Landsmannes Franz Beckenbauer im Sommer 2000 zwölf von 24 Stimmen des Fifa-Exekutivkomitees für Deutschlands Bewerbung um die Fußball-WM 2006 gewinnen konnte. Doch nur weil Neuseelands Jack Dempsey damals in Zürich aus mysteriösen Gründen der Abstimmung fernblieb, erhielt Deutschland die WM – bei einem 12:12 wäre Südafrika Gastgeber geworden. Seither tourt Radmann wie ein kleiner Fürst durch die Welt. Kumpel Franz präsidiert das deutsche WM-Organisationskomitee (OK). Kumpel Fedor, ein Freund der schönen Künste, fungiert als Vizepräsident, für Kultur und Marketing – welch lustige Kombination. Unter Radmanns Agide wurde – ohne Ausschreibung und von der Agentur seines Freundes und Geschäftspartners Andreas Abold – ein WM-Logo erstellt, über dessen Qualitäten im Ausland bloß gelacht wird. Drei Jahre vor der WM hat das OK nun allerlei Sponsoren verpflichten können, für manche fungiert Beckenbauer gleichzeitig als persönlicher Werbeträger – oder ist das umgekehrt? Beckenbauer ist Beckenbauer. Radmann aber ist nur Radmann, und deshalb werden seine Geschäfte weniger gnädig beäugt.“

Joachim Mölter (FAZ 27.3.) kritisiert die Verschwiegenheit des WM-OK-Vizes im Hinblick auf die öffentlichen Anschuldigungen. „Was Radmann nicht mitteilte, war seine Beteiligung an einer Münchner Agentur, die an sich nicht anrüchig ist. Brisant wird sie erst dadurch, daß auch der Münchner Andreas Abold Anteile daran hält, und Abold wiederum für das Organisationskomitee arbeitet: Er hat unter anderem das umstrittene WM-Logo entworfen (…) Der Ärger erreicht sogar politische Dimensionen. Radmann ist im OK auch zuständig für das Kulturprogramm, und das wird mit Steuergeldern finanziert: Dreißig Millionen Euro sind vom Bund zugesagt, die Länder haben bis zu weiteren dreißig Millionen in Aussicht gestellt. Wir verfolgen die Situation mit steigendem Argwohn, sagt Dagmar Freitag, die sportpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag. Auch ihrem CDU-Kollegen Klaus Riegert ist nicht recht wohl bei der Sache. Zum einen hält er die Summe generell für zu hoch, zum anderen irritiert ihn, daß die WM-Organisatoren unlängst selbst auf Nachfrage, wofür sie das viele Geld verwenden wollten, nur Gedanken, keine Konzeption, keine Details mitteilten. Außerdem gab der Abgeordnete aus Göppingen zu bedenken: Jeder, der einen Auftrag von Radmann erhält, steht jetzt unter Generalverdacht. Das können die besten Büros sein, das kann alles in Ordnung sein, aber es wird immer ein G’schmäckle haben (…) Wer am Mittwoch gar nichts sagte, war OK-Präsident Franz Beckenbauer. Nur dem mußte Radmann bei seiner Anstellung im OK von vornherein alle Geschäftsverbindungen offenlegen. Beckenbauer hätte also Bescheid wissen müssen, und wenn er es getan hat, stellt sich die Frage nach seiner Rolle in Radmanns weitverzweigtem Geschäftsgeflecht.“

„Schily will mit Radmann sprechen“ SZ

siehe auch:

Wie weit reicht die Kirch-Affäre?

Der Geheimvertrag Kirch/Bayern

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