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Packendes Spiel in Ahlen – St. Pauli steigt ab

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Packendes Spiel in Ahlen – St. Pauli steigt ab

LR Ahlen – FSV Mainz 05 4:3

Ingo Durstewitz (FR 14.5.) referiert Erinnerungen, die das denkwürdige Spiel bei Beteiligten und Beobachtern hervorrief. “Diese Leere, diese verfluchte Leere! Nach fast einem Jahr ist sie wieder aufgetaucht, am Montag, 12. Mai, um kurz nach zehn Uhr abends, nahe der Werse. Die Leere hat sich alt bekannte Freunde gesucht, sie ist in den zweitklassigen Fußballspielern des FSV Mainz 05 hochgekrochen, hat sie geschüttelt, zu Boden geworfen, in sich zusammensinken lassen; hat ihre Gesichter fahl gefärbt, die Augen in tiefe schwarze Höhlen gelegt, und sie hat für diesen Blick gesorgt, diesen leeren Blick ins Nichts. 3:4, das der Fakt, hat Mainz 05 am Montag verloren beim Leichtathletik Rasensport Ahlen. Ein nacktes Ergebnis, das eingebettet ist in ein kleines Fußballdrama voller wunderschöner Emotionen in Reinkultur: Trauer, Freude, Wut, Enttäuschung, Entsetzen. Harald Strutz, gezeichneter Präsident des FSV, hauchte: Das ist die Steigerung der Grausamkeit. Es ist vor allem ein völlig verrücktes, denkwürdiges Fußballspiel gewesen in diesem kleinen, nicht eben zum Hexenkessel taugenden Wersestadion in Ahlen. Ein Spiel, das Mainz schon fast verloren (0:2 nach elf Minuten), dann fast gewonnen (3:2 nach 52. Minuten) und am Ende wieder verloren hatte: 3:3, 91. Minute, 3:4, 92. Minute. Und Schluss. Der Sportinformationsdienst sah sich bemüßigt, an das Champions-League-Finale 1999 zwischen Bayern und ManU zu erinnern, und auch der Nachklapp der Begegnung war fast bühnenreif: Da gingen der Mainzer Trainer (Jürgen Klopp) und der Mainzer Torwart (Dimo Wache) wie zwei wild gewordene Handfeger aufeinander los, konnten nur mühsam davon abgehalten werden, sich an die Gurgel zu springen, da beharkten sich zwei unter Strom stehende Trainer (der prollige Werner Lorant und Jürgen Klopp, der sich tags drauf an das Gekeife nicht mehr erinnern konnte) vor laufender Fernsehkamera verbal bis an die Schmerzgrenze – tja, und auf der einen Seite des dampfenden Rasens die verschwitzte Ausgeburt der Glückseligkeit, auf der anderen die personifizierte Fassungslosigkeit, die Leere.“

Wie eine Gazelle im Endorphinrausch

Ulrich Hartmann (SZ 14.5.) beobachtete Werner Lorant (Trainer LR Ahlen). „Lorant trat erst in Erscheinung, als er hernach über den Rasen sprang wie eine Gazelle im Endorphinrausch. In den schönsten Momenten von Böse-Buben-Geschichten freut man sich ja auch ein wenig mit dem Hallodri, und so eine Geschichte spielte sich nun in Ahlen ab. Dorthin hatte es Lorant im Januar nach neuneinhalb Jahren in München und elf Monaten in Istanbul verschlagen, weil er es als Herausforderung empfand, in seiner westfälischen Heimat einen angeschlagenen Provinzklub vor dem Abstieg in die Drittklassigkeit zu retten. „Wo Lorant ist, ist Erfolg“, hatte der 54-Jährige trompetet und schnelle Rettung prophezeit. Die lässt allerdings immer noch auf sich warten, obschon der Sieg gegen Mainz einen Dreipunkte-Vorsprung auf die Abstiegszone einbrachte. 21 Zähler hat Ahlen unter Lorant in 15 Spielen erwirtschaftet. „Man muss zufrieden sein“, sagte er am Montag ein wenig zerknirscht. Womöglich hatte er sich zwecks Außenwirkung eine spektakulärere Bilanz erhofft. Man könne aber nur spielen, was das Material hergebe, entschuldigte er sich und beklagte übertriebene Erwartungen der westfälischen Kundschaft. „Viele dachten, hier kommt der Professor, und mit dem läuft es von allein“, skizzierte er grob die Ahlener Mentalität, die ihn noch grübeln lässt, ob er hier auch in der nächsten Spielzeit den Trainer geben möchte. „Erst mache ich meine Aufgabe“, sagt er auf diesbezügliche Fragen, „dann entscheide ich mich.“ Die Klubverantwortlichen würden ihn ganz gern bei sich behalten, wenngleich Lorant dem Klub des allmächtigen Parfüm-Millionärs Helmut Spikker am Rande des Fußballrasens nur bedingt Freude bereitet. Während Manager Joachim Krug den TV-Berichterstattern vom DSF übertriebene Konzentration auf Lorants ausgeprägte Selbstdarstellung ankreidet, hat er den Trainer in Sachen Öffentlichkeitsarbeit bereits in die Pflicht genommen. „Junge, wir sind doch hier nicht in Istanbul“, habe er „den Werner“ ermahnt, nachdem dieser wortkarg und grantelnd die mehr Harmonie gewohnten Reporter der zwei Lokalzeitungen verschreckt hatte.“

St. Pauli steigt ab

Mir sind die Gäule durchgegangen

Michael Eder (FAZ 14.5.). „Geht es noch schlimmer als damals, am 5. Mai vergangenen Jahres, als die Mainzer bei Union Berlin noch einen Punkt gebraucht hätten, um zum erstenmal in der Vereinsgeschichte in die Fußball-Bundesliga aufzusteigen? Damals verloren die Rheinhessen 1:3, die entscheidenden Tore fielen in der Schlußphase, und es war der VfL Bochum, der sich den dritten Aufstiegsplatz sicherte. Geht es noch schlimmer? Ja, murmelte Harald Strutz, der Präsident des FSV Mainz 05, am Montag abend nach der spektakulären 3:4-Niederlage der Mainzer bei LR Ahlen. Das war die Steigerung der Grausamkeit. (…) Denn als die Artikel, die von einem glücklichen und wichtigen Mainzer Sieg berichtet hätten, geschrieben und fast schon in die Redaktionen gesendet waren, da konnte auch Wache nicht mehr helfen. Es war die 90. Minute, dann die Nachspielzeit, ein ManU-Erlebnis, wie der Mainzer Manager Heidel in Erinnerung an das legendäre Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Manchester United sagte. Was nun? Selbst der Mainzer Trainer Jürgen Klopp, sonst ein Meister der kühlen Analyse, verlor nach dem niederschmetternden Ergebnis die Fassung. Der Schiedsrichter, der selbstgerechte Lorant, selbst der eigene Torhüter – sie alle bekamen die Wut von Klopp zu spüren. Die Enttäuschung suchte sich ein Ventil, doch schon am Tag danach sah es anders aus. Mir sind die Gäule durchgegangen, sagte Klopp und kehrte zur Normalität zurück.“

Kaiser Franz the Second

René Martens (FTD 14.5.). „Als der FC St. Pauli zuletzt in der dritten Liga spielte, war er noch ein Verein ohne Image und nennenswertes Stammpublikum. 2100 Zuschauer kamen in der Saison 1985/86 im Schnitt, um der Mannschaft auf ihrem Weg in die zweite Liga zuzuschauen. Nach 17 Jahren kehrt Hamburgs Nummer zwei in der kommenden Saison nun zurück ins Niemandsland des deutschen Fußballs. Wenn dann die Amateurteams Borussia Dortmunds oder des 1. FC Köln am Millerntor gastieren, werden aber, so viel ist sicher, vier- bis fünfmal so viel Zuschauer dabei sein wie 1986. Denn seitdem hat sich der Verein eine leidensfähige Anhängerschaft erarbeitet (…) Der Klub und die Fans haben eine einzigartige Saison hinter sich: Null Punkte und 1:14 Tore nach drei Spielen bedeuteten den schlechtesten Saisonstart der Nachkriegsgeschichte, Trainer Dietmar Demuth flog bereits nach der zweiten Partie. Nachfolger Joachim Philipkowski, der sich als Talentausbilder im Verein Meriten erworben hatte, war mit dem Job überfordert. So standen nach der Hinrunde gerade einmal neun Punkte zu Buche – einer mehr als zur gleichen Zeit in der Erstligasaison 2001/02. Als schon fast alles verloren schien, übernahm Sportdirektor Franz Gerber das Amt. 600.000 Euro investierte der Klub in sechs neue Spieler, die allesamt zu Stammkräften avancierten, sodass der FC mittlerweile 31 Spieler eingesetzt hat. Gegenüber der Vorrunde steigerte sich die Mannschaft zwar erheblich, doch verspielte sie viele wichtige Punkte jeweils in den letzten Minuten eines Spiels. Gegen Union Berlin kassierten die „Last-Minute-Deppen“ (Bild) in der 87. und 90. Minute zwei Treffer zum 2:2, das 1:2 gegen Reutlingen fiel praktisch mit dem Abpfiff und das 2:2 gegen Burghausen in der Schlussminute – Indizien für ein falsch konzipiertes Konditionstraining (…) Obwohl der Klassenerhalt unter dem dritten Übungsleiter der Saison mehrmals in Reichweite war, gab Gerber insgesamt keine gute Figur ab. Das Talent Alexander Meier setzte er öffentlich unter Druck, den Publikumsliebling Nico Patschinski vergraulte er, und obwohl Gerber selbst zehn Spieler verpflichtet hatte, jammerte er ständig über die Qualität des Kaders – was dem Selbstvertrauen der Truppe nicht eben förderlich war. Außerdem äußerte sich der Coach auch mehrfach öffentlich zu Etatfragen, was normalerweise nicht Sache eines Trainers ist. Angesichts der finanziellen Voraussetzungen sei „der Wiederaufstieg nicht drin“, unkte Gerber schon Ende März. Vor etwas mehr als 20 Jahren, als Gerber Kanadas Fußballer des Jahres war, nannte man ihn dort „Kaiser Franz the Second“, und entsprechend führt er sich heute noch auf. Ob die Verantwortlichen seine Allüren noch lange tolerieren?“

Gewinnspiel für Experten

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