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Matthäus vs Bayern, der „papierene“ Weltfußballer Sindelar
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| Donnerstag, 25. März 2004Matthäus gegen Bayern – Zweite Liga in Fürth und St. Pauli – Fußball-Fernsehrechte – ein “papierner” Weltfußballer
Matthäus gegen FC Bayern
Den Verzicht von Lothar Matthäus, seinen alten Arbeitgeber Bayern München zu verklagen, bewertet Joachim Mölter (FAZ 11.2.). „Das Urteil ist natürlich längst gefällt, da kann Matthäus noch so oft versichern, daß er gar kein Geld will, sondern nur alle Abrechnungen und Belege komplett einsehen möchte. Mit allerhöchster Empörung und völligstem Unverständnis haben erst die Bayern-Verantwortlichen Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß auf Matthäus‘ Ansinnen reagiert und danach jeder, der im Fußballgeschäft etwas zu sagen hat oder es auch nur glaubt. Den FC Bayern München verklagen? Ja, wo samma denn? In Bayern, bei Bayern, einem Freistaat, der unterhalb des kaiserlichen Aufsichtsrats Franz Beckenbauer und des Vorstandsvorsitzenden der Bayern-AG Rummenigge noch einen Ministerpräsidenten als Berater duldet. Den FC Bayern verklagen? Das darf man nicht, nicht in München und schon gar nicht als Franke, wie Loddar Maddäus einer ist. Das wäre ja so, als ob einer mit dem Luftgewehr gegen fünf Panzer antritt, um den Bayern-Manager Hoeneß mal zu zitieren. Ob dieser Vergleich gut überlegt ist angesichts des Umstands, daß Matthäus momentan als Trainer in Belgrad eine Truppe namens Partizan befehligt, sei mal dahingestellt, jedenfalls überrollt gerade eine vom FC Bayern in Gang gesetzte Medienmaschinerie den armen Luftikus Lothar mit der Kraft der fünf Panzer. Schon diktiert Hoeneß die Friedensbedingungen: Ein Gespräch kann nur so aussehen: Er sagt, daß er einen Fehler gemacht hat. Dann darf der Herr M., wie sich Rummenigge unlängst auszudrücken pflegte, seinen Fehler vermutlich gutmachen, indem er sich öffentlich anprangert und geißelt.“
Wolfgang Hettfleisch (FR 8.2.) kommentiert den zunächst geplanten Prozess zwischen Matthäus und Bayern. „Dachten wir uns schon. Der Mann wird hier zu Lande unterschätzt, von manchen gar belächelt. Die Deutschen, erst recht seine Ex-Spezln vom FCB, sind eben undankbar. WM-Held, Rekord-Internationaler, Dampfplauderer, Intimus und Futtermittel-Lieferant des Boulevard mit einem Kometenschweif aus wechselnden Gefährtinnen, dessen Alterskurve proportional zu den Hoffnungen des 41-Jährigen auf einem Trainerjob in der Bundesliga verläuft – die Welt des Sports, sie wäre doch ein klein bisschen fader ohne ihn. Freuen wir uns also auf den Spaß in Saal sechs des Landgerichts zu München. Gut, der Lothar Matthäus ist kein Karl Valentin. Letzterer hat nie geredet, ohne vorher gedacht zu haben, auch wenn es sich hernach so anhören sollte, als habe er. Ersterer plaudert von jeher gern aus dem Bauch heraus, dem ja keine sonderliche Nähe zum Hirn nachgesagt wird, was sich hernach auch so anhört.“
Klaus Hoeltzenbein (SZ 8.2.) fragt. „Wer berät eigentlich Lothar Matthäus? Wer sagt ihm, was gut und schlecht für ihn ist? Wer ist sein Korrektiv? Gerade jetzt, da der Übergang vom Spielplatz ins Büro zu gestalten ist, vom Feiertag in den Alltag, in dem sich die Dinge nicht durch einen Spannstoß aus 30 Metern wenden lassen. Wer hat ihn darin bestärkt, die Vertrauten von einst vors Gericht zu zerren? Mit einem Vorgang aus einer Ära, in der noch Franz Beckenbauer, der Pate und Patron der teils großartigen, teils verplapperten Matthäus-Karriere, als Präsident beim FC Bayern amtierte. Zugespitzt lautet der Tatbestand ja: Er, Matthäus, habe den Verdacht, der väterliche Freund habe ihn um eine Million Mark geprellt (…) Ohne präjudizieren zu wollen, wird eines vor großem Publikum noch einmal bekräftigt: Lothar Matthäus hat aus seinem Abschiedsspiel vom Organisator, dem FC Bayern, bereits einen Nettobetrag von 3,927 Millionen Mark überwiesen bekommen. Trotzdem sah er sich bis heute nicht in der Lage, die versprochenen Spenden in Höhe von rund 600.000 Mark an fünf gemeinnützige Stiftungen zu überweisen. Auch mit dieser (relativ) bescheidenden Ambition waren Freunde und Fans ins Stadion gelockt worden. Und sie können rechnen.“
Andreas Burkert (SZ 8.2.) liefert den Hintergrund dazu. „Die Fronten sind verhärtet. Matthäus will Akteneinsicht erzwingen in die Abrechnung seiner letzten Partie. Gar nicht nötig, wendet Hopfner ein, ‚er hat alle Rechnungen gesehen, im Herbst 2000 – er war damals bei mir im Büro und hat sich noch bedankt‘. Hoeneß ergänzt, man habe ’sich den Hintern aufgerissen, weil wir ihm mehr zukommen lassen wollten als einem normalem Spieler – und der FC Bayern behält doch keinen Euro für sich‘. Hoeneß ist erbost. Er geht. Der Vorgang ist diffizil, so ein Abschiedsspiel ist eine aufwändige Angelegenheit. Und es bringt eine Menge Geld. Die Bruttoeinnahme der Matthäus-Partie belief sich auf 8,447 Millionen Mark, den Hauptanteil generierten der FC Bayern als Organisator sowie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als Veranstalter aus den TV-Geldern: 6,5 Millionen Mark. Kosten der Veranstaltung: Rund 1,6 Millionen, unter anderem 300.000 Mark für den von Matthäus präferierten Italo-Rocker Zucchero sowie knapp 600.000 Mark für den Feinkost-Partydienst. Nach SZ-Informationen hat Matthäus exakt 3.927.671 Mark überwiesen bekommen. Und 16 Pfennige. Nach Steuern, versteht sich, netto. Er ist nun jedoch der Ansicht, die Summe hätte um eine Million Mark höher ausfallen müssen. Es geht um die Million, die an die Ufa floss. Die Rechtefirma hatte eigentlich den Zuschlag für die Vermarktung des Ereignisses erhalten. Doch nachdem das Match kurzfristig als offizielles Länderspiel der Nationalelf deklariert worden war, fiel die Vermarktung an den DFB mit dessen Länderspielpartner ARD. Die Folge war ein um drei Millionen Mark höherer TV-Erlös im Vergleich zum Ufa-Gebot – eigentlich erfreulich aus Matthäus’ Sicht. Im Gegenzug erhielt die Ufa eine Million Mark als Verzichtszahlung. Matthäus ist plötzlich der Auffassung, diese Million hätte nicht auf der Kostenseite angerechnet werden dürfen.“
Zweite Liga
Torsten Geiling (FR 8.2.) schreibt über die Spielvereinigung Greuter Fürth. „In Zeiten leerer Kassen und nach einem personellen Aderlass vor Saisonbeginn hatte Präsident Helmut Hack ein Übergangsjahr als Talentförderungsverein ausgerufen. Elf Neuzugänge, alle ablösefrei, markierten einen radikalen Schnitt. Trainer Eugen Hach ist es gelungen, mit jungen Spielern um die Oldie-Achse Günther Reichold, Zoran Mamic, Mirko Reichel und Rachid Azzouzi einen homogenen Kader mit großem Potenzial zu bilden, der auch Ausfälle von Leistungsträgern relativ gut kompensieren kann. Morgen müssen Carsten Birk (Knöchelbruch) und Azzouzi (fünfte Gelbe Karte) ersetzt werden. Hach lässt zumeist offensiv spielen, was von dem jungen, hungrigen Team Flexibilität und großen läuferischen Aufwand verlangt. Als Glücksgriff gilt Neuzugang Rösler, der nach Erfolgen mit dem SSV Ulm bei 1860 München in eine Sackgasse geraten war. Ich musste da weg, sagt Rösler. Über den Umweg Oberhausen kam der 24-Jährige zu Saisonbeginn nach Fürth. Dem Linksfuß kommt die offensive Spielweise entgegen. Beweglich, kampf- und kopfballstark stört er den Spielaufbau des Gegners, hält den Ball für nachrückende Mitspieler oder reißt Löcher in die Abwehr. Dass er nicht ganz an der Spitze der Torjägerliste steht, liegt an seiner Abschlussschwäche, an der der gesamte Sturm leidet. Trainer Hach weiß gar nicht mehr, wie oft er schon lesen musste, dass sein Team das Spiel dominierte, eindrucksvoll kombinierte und am Ende die Überlegenheit wieder nicht in Tore ummünzen konnte. Zu einer Spitzenmannschaft fehlt den Fürthern neben dem finalen Torschuss auch eine Defensive, die über 90 Minuten konzentriert und fehlerlos arbeitet. Zu häufig verspielen die Franken durch individuelle Fehler oder kollektive Blackouts den Lohn ihres aufwändigen Spiels.“
Zur Lage des abstiegsbedrohten FC St. Pauli meint Jörg Marwedel (SZ 10.2.). „Das Grauen hatte seinen Anfang an einem lauen Sommerabend im vergangenen August genommen. 0:6 hatte St. Pauli gegen den Aufsteiger aus Lübeck verloren. Fortan machte das Team – von einem kleinen Zwischenhoch mit hohen Siegen gegen Braunschweig und Mannheim abgesehen – einen immer verloreneren Eindruck, stolperte orientierungslos von Niederlage zu Niederlage und kassierte schließlich in der Hinrunde rekordverdächtige 42 Gegentore. Genau genommen hatte das Elend natürlich noch früher begonnen – mit einer beispiellosen Kette von Fehleinschätzungen, die sich vor allem der ehemalige Trainer Demuth und der damals auch sportlich verantwortliche Manager Stephan Beutel leisteten. Sie vertrieben Publikumslieblinge wie Deniz Baris, Henning Bürger und Marcel Rath, die sich mit dem Verein identifizierten. Sie sahen zu, wie der SC Freiburg ihr größtes Talent, Zlatan Bajramovic, köderte, obwohl der gern geblieben wäre, wo er aufgewachsen ist. Selbst Thomas Meggle entschied sich erst zum Wechsel nach Rostock, als er partout ‚kein Konzept und keine Perspektive‘ mehr erkennen konnte. Lediglich Christian Rahn zog es mit Macht fort – zum ungeliebten Nachbarn HSV, der Karriere wegen. Am Ende stand der Verein finanziell so gut wie nie da – aber ohne wettbewerbsfähige Mannschaft. Ein Kraftakt in der Winterpause sollte das ändern. Sechs neue Profis wurden geholt, weshalb man nun ziemlich hohe Rückennummern braucht. Erst kamen Torwart Heinz Müller aus Bielefeld, Trainersohn Fabian Gerber aus Freiburg und Babacar N’Diaye aus Hannover, dann Stefan Blank aus Bremen und zuletzt zwei Brasilianer mit den klangvollen Namen Vivaldo Nascimento Barreto und Christian Maicon Hening, genannt Chris. Eine Frischzellenkur, so außergewöhnlich wie zuvor die Vernichtung der sportlichen Ressourcen und wohl vor allem zu spät. Kommt es wie erwartet, hat der FC St. Pauli nur noch einen Trost: Corny Littmann, der Chef des Kulttheaters Schmidt’s Tivoli auf der Reeperbahn, ist ein schillernder und tatkräftiger Präsident. Am 25. Februar sollen die Mitglieder den Interimschef im Amt bestätigen, was für den Klub nicht das Schlechteste wäre. Einige Intrigen im Untergrund hat Littmann schon ausgehoben.“
Weiteres
Interview mit einem Mitglied des Jeff-Strasser-Fanklubs SZ
Der Rhetorikprofessor Walter Jens (Tsp 10.2.) erinnert an einen Weltfußballer. „Am 10. Februar 1903 wurde in der Nähe von Iglau ein Fußballspieler geboren, der als Einziger den Anspruch erheben kann, eine literarische Figur gewesen zu sein – genial wie ein Wunderwesen aus Robert Musils ‚Mann ohne Eigenschaften‘. Sein Name: Matthias Sindelar. Sein Attribut: ‚Der Papierene‘. Elegant, leichtfüßig, kein Bolzer. Sindelar war ein Meister im ‚Scheiberln‘. Mittelstürmer der ‚Austria‘, immer nobel und seigneural von Kopf bis Fuß. Dabei ein Kind kleiner Leute, herangewachsen im Wiener Vorort Favoriten. Böhmen war nah, Großdeutschland fern. Sindelar liebte die Nazis nicht; die Verachtung war gegenseitig. Die Recken aus deutschen Landen verziehen dem linken Bruder aus Österreich nie, wie sehr er sie bei einem Wettspiel gelinkt hatte, indem er, einer Vorschrift aus Berlin zum Trotz, den Ball mit der ihm eigenen Raffinesse über die Torlinie befördert hatte. Deutschland blieb auf der Strecke, verlor nicht gerade haushoch wie in den Tagen der Weimarer Republik, aber immerhin doch mit 0:2. Matthias Sindelar war – nachzulesen im Kapitel ‚Ein Volk, ein Ball, ein Führer: Fußball in Österreich‘, eine glanzvolle Passage des Buchs ‚Stürmer für Hitler‘ von Gerhard Fischer und Ulrich Lindner – ein Mensch in seinem Widerspruch. Sehr leise, sehr bescheiden und sehr rätselhaft: Unwillig, sich mit dem Nazi-Regime zu identifizieren, plädierte er gleichwohl für den Anschluss, hatte eine jüdische Lebensgefährtin, kaufte einem Freund dessen ‚arisiertes‘ Café ab und bezahlte ihn nobel. Warum er, zur Ostmark-Zeit, den Gashahn aufdrehte und gemeinsam mit der Freundin Suizid beging, ist bis heute unklar geblieben. Auf jeden Fall haben Tausende getrauert, als der ‚Papierene‘, der mit seinem Wunderteam dem Kampfsport Fußball spielerischen Glanz verlieh, im Januar 1939 auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt wurde.“
„Fussball-Fernsehrechte, wohin des Wegs?“, fragt Felix Reidhaar (NZZ8.2.). „Ein Vergleich zwischen den europäischen Ländern fördert dabei Erstaunliches zutage. England und Deutschland bilden die entgegengesetzten Pole im Spektrum der Übertragungsrechte. Die Hauptursache hiefür liegt in der konträren Entwicklung des Bezahlfernsehens in den beiden Ländern, aber auch in der ungleich höheren Dichte an TV- Sendern in Deutschland. Der Satellitensender BSkyB (mehr als 5 Millionen Abonnenten) und weitere Stationen lassen sich die TV-Rechte an der Premier League rund 800 Millionen Euro kosten. Die deutsche Bundesliga muss sich heuer mit 290 Millionen Euro bescheiden, die mehrheitlich von zwei früheren und noch nicht in neue Hände übergegangenen Kirch-Unternehmen aufgebracht werden: von dem mit 2,9 Millionen Kunden nach wie vor unrentablen Pay-TV-Sender Premiere (148 Millionen) und von der Pro-7/SAT-1-Gruppe (80 Millionen). Vor wenigen Tagen hat SAT 1 die Optionsfrist ungenutzt verstreichen lassen und angekündigt, dass ihr die 1. Bundesliga ab neuer Saison im freien Fernsehen höchstens 50 Millionen Euro wert sei – sehr zum Ärger der Bundesliga-Elite, die überzeugt ist vom hohen Verkaufspreis der Ware Fussball.“
Christian Eichler (FAS 9.2.). „Sperren oder Geldbußen? Da lacht der Kicker von Welt. Die wahre Höchststrafe ist der Fußballer zu Fuß. Ferrari und Porsche von James Beattie zum Beispiel, mit 16 Toren für Southampton der Treffer der englischen Saison, sind nur noch Immobilien – 30 Monate Führerscheinentzug wegen Trunkenheit am Steuer. Oder Wayne Rooney, mit 17 Jahren in Everton die Teenager-Sensation der Premier League: Trotz einer Million Euro fürs erste Profijahr muß die Kfz-Bestellung warten – durchgefallen im Theorieteil der Führerscheinprüfung. Straßenverkehr ist halt unübersichtlicher als der halbe Hektar Rasen, auf dem man sein Geld verdient. Und erst die Technik! Gern erzählt man in Dortmund die Geschichte vom Neu-Brasilianer, der eines Wintermorgens die Werkstatt alarmierte, weil er durch die Scheiben seines Autos nichts mehr sah. Experten empfahlen einen Eiskratzer.“