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Nachschuss

Peter Chladek – Abstieg

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Peter Chladek – Abstieg

In der Saison 1999/2000 strebte Peter Chladek, Autor des Fußball-Romans Abstieg, geradewegs auf die denkwürdige 40 zu. Chladek arbeitet im Heidelberger Jugendzentrum und hat sich in der Vergangenheit insbesondere mit dem Verfassen von Musikkritiken für die verschiedensten Musikzeitschriften, bzw. Stadtzeitungen einen Namen gemacht. Das alles lässt darauf schließen, dass einiges an Chladek’scher Autobiographie sich im Titelhelden Frank Liebig widerspiegelt, ist doch auch dieser ein Enddreißiger, arbeitet auch dieser als Sozialarbeiter in einem Jugendzentrum. Im übrigen wird die Entfernung nach Mönchengladbach im Roman mit rund 300 Kilometern angegeben. Mit andern Worten: Chladek hat von dem geschieben, wovon er etwas zu verstehen meint: von Frauen (aber welcher Mann versteht schon die Frauen?!), von Musik, von Filmen. Und halt von Fußball. Aber Männer täuschen sich zuweilen: ob es sich um Frauen handelt oder ob der Reaktionen bezüglich der eigenen musikalischen Einschätzung einer sich Caspar Brötzmann Massaker nennenden Combo.

Im Prolog zitiert Chladek Nick Hornby, nach dem die Schicksalswege des eigenen Lebens und des jeweiligen Lieblingsvereins miteinander verflochten seien. Das mag wohl sein – mehr oder weniger. Wenn Chladek aber auf Hornby verweist, dann unterscheiden sich Abstieg und Fever Pitch in einem ganz grundlegend: Hornby hat ein Fußballbuch geschrieben, Chladek hat der durchaus sympathischen Schilderung seines Lebens, die Komponente Fußball hinzugefügt.

Der Titelheld Frank Liebig braucht zunächst die gesamte Hinrunde, um die Trennung von Sabine (sie hat sich von ihm getrennt) zu verkraften. Aber es gibt ja nicht nur Sabine. Frank wird bis zum Saisonende noch mit Claudia, Lissy, Gudrun oder auch Patrizia zu tun haben und mit seinem Kumpel André durch die Kneipen ziehen. Er hört bevorzugt Rickie Lee Jones und The Jesus Mary Chain, aber auch Pavement oder Neil Young, mag das filmische Schaffen eines Woody Allen, eines Jarmusch, von Buck und Kaurismäki, schwärmt von Günter Netzer, schätzt Hans Meyer und Bernd Korzynietz. Frank Liebig, der zuweilen mal einen Whiskey (mit ey !) abkippt und unter chronischen Beziehungsängsten leidet gibt hier seine Reflektionen über Frauen kund. Und diese kommen mir irgendwie bekannt vor. So schildert er seine Ängste vor einer uneingeschränkten Verbindung, beschreibt den Einheitsbrei im Radio oder dass potenzielle Freundinnen einen Fußballfan gar häufig als „spätpupertierenden Proleten“ betrachten.

Die Geschichte spielt vor dem Hintergrund der Zweitligasaison 99/00, vermag aber nicht wirklich eine Synthese von Fußball und Frauen herzustellen. Frank Liebig besucht während der gesamten Saison gerade mal ein Spiel (Oberhausen), auch wenn das Buch nach Spieltagen gegliedert ist, die Ergebnisse scheinen nur von nachgeordnetem Interesse zu sein, werden meist erst gar nicht erwähnt. Und wenn das Fernsehen als adäquater Ersatz für einen Stadionbesuch angesehen wird, so muss der Rezensent, der über keine Fernsehmaschine verfügt, dies strikt verneinen.

Abschließend sei noch auf zwei inhaltliche Eigenheiten hingewiesen. In Kapitel 14 führt Chladek aus: „Für uns waren die Bayern nichts anderes als selbstgefällige Geldsäcke, schuld am Niedergang des Fußballs, der Emotionen…“ Warum eigentlich „waren“ ??? Im übrigen hat sich mir nicht erschlossen, aus welchem Grunde im 21. Kapitel Sabine ausführt, sie hätte vielleicht sogar gegen Claudia ankämpfen müssen. Frank lernt Claudia erst im siebten Kapitel kennen, von Sabine hat er sich bereits im ersten getrennt.

Abstieg – der Titel kann sich nur auf den Abstieg des Frank Liebig nach der Trennung von Sabine beziehen. Die Gladbacher Borussia ist zu diesem Zeitpunkt bereits abgestiegen. Jeder Abstieg beinhaltet aber auch einen Neuanfang. Und wie dieser mit Vornamen heißt, wird der Leser erst am letzten Spieltag erfahren.

Andreas Stahl, Hohenstein / Taunus,

Der Rezensent ist if-Leser

Peter Chladek .Abstieg. Roman. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg: 2002 – 7,90.

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