Ballschrank
Pflichtlektüre nicht nur für Bayernfans!
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| Donnerstag, 25. März 2004„Warum es doch einen Grund gibt, den FC Bayern zu lieben.“ Heike Faller (Zeit28.5.) erzählt die „Geschichte eines Clubs, der zu seinem jüdischen Präsidenten hielt. Kurt Landauer hat wie keiner vor ihm, so heißt es in der Chronik des FC Bayern, die Werte und Prinzipien verkörpert, die dem Verein 1932 zur ersten deutschen Fußballmeisterschaft verholfen haben und die ihn heute zum Rekordmeister machen. Dass er aus einer jüdischen Familie kam (wobei er weder gläubig war noch Zionist), passte in einen Club, der um die Jahrhundertwende im Bohemeviertel Schwabing gegründet worden war. Die Ur-Bayern waren Ladenbesitzer, Studenten, Bürgersöhne, Juden wie Christen. Man scheint sich darin einig gewesen zu sein, dass Turnen spießig war und dass ein eleganter Fußballer das Spielfeld niemals ohne Krawatte betrat. Schon in den zwanziger Jahren spielten beim FC Bayern Preußen und andere Ausländer. Und es war ein österreichisch-ungarischer Trainer, mit dem der Club 1932 Meister wurde. (Mit einem 2:0-Sieg gegen die feldüberlegene Frankfurter Eintracht, der sich, typisch Bayern, aus einem Elfmeter und einem Alleingang zusammensetzte.) In einer Bayern-Chronik gibt es ein Fotos vom Empfang der Mannschaft in München. Darauf zu sehen sind die offenen Pferdekutschen, mit denen die Spieler vom Hauptbahnhof abgeholt werden, gefolgt von Jugendlichen in gestreiften Baumwollhemden. In einem der Zweispänner saß Landauer, geborener Münchner, leidenschaftlicher Bayer, Bayern-Präsident und Jude. Hätte Kurt Landauer oder sonst irgendjemand der Tausenden, die ihm an diesem Sommertag von den Straßenrändern zugejubelt haben, ahnen können, dass ein Jahr später der Cousin seines Schwagers von der SA durch dieselben Straßen geführt werden würde? Dem armen Mann, einem Rechtsanwalt, hatten sie die Hosenbeine abgeschnitten und ein Schild umgehängt, auf dem stand: „Ich bin Jude und will mich nicht gegen die Polizei beschweren“ nachdem dieser sich für einen Mandanten eingesetzt hatte. Und hätte sich jemand vorstellen können, dass Landauer selbst, im Jahr nach der deutschen Meisterschaft, erst seinen Arbeitsplatz verlieren würde und dann als Bayern-Präsident würde zurücktreten müssen, ohne dass das beim Verein jemand so gewollt hätte? Kurt Landauer wurde später nach Dachau verschleppt und kam nach zwei Monaten wieder frei. 1939 flüchtete er nach Genf. Vier seiner Geschwister würden dem „Dritten Reich“ nicht entkommen (…) Die Vergangenheit ist überall in der Zentrale des FC Bayern. Hunderte von Pokalen und grotesk geformten Trophäen in Glasvitrinen geben den Gängen die Atmosphäre einer Berufsschule für Metallfachberufe am Tag der offenen Tür. Wahrscheinlich wäre es ein Sakrileg, all die goldenen Kickschuhe und Metall gewordenen Ballflugbahnen wegzutun, auch wenn sie hässlich sind und die Siege, für die sie stehen, längst alt und klein. Vielleicht ist es die Pflicht und das Privileg eines Fußballvereins, dass man sich eher an Turniersiege und Pokale erinnert als daran, welche gesellschaftlichen Entwicklungen sich in dem ganzen Metall widerspiegeln. Kaum einer weiß um die jüdisch-christliche Vorgeschichte des FC Bayern, der diese nie vermarktet hat. Nicht dass der Club ein Geheimnis daraus machen würde: Landauer und die anderen jüdischen Mitgründer des Vereins tauchen in jeder Chronik auf. Weiter geht das Interesse nicht. „Ich war zu der Zeit nicht auf der Welt“, lässt Uli Hoeneß, der Manager, ausrichten. Dabei gehört die Geschichte zum Sympathischsten, was der Verein zu bieten hat. Man könnte damit sogar dem SC Freiburg noch Fans abjagen: wie eng der Kontakt zwischen Verein und Landauer auch nach dessen Rücktritt noch gewesen sein muss, selbst als dieser schon in Genf war. 1940 reiste die Mannschaft zu einem Freundschaftsspiel und stürmte nach dem Schlusspfiff auf die Tribüne, um ihren alten Präsidenten zu begrüßen. Sollte Hitler einen Münchner Lieblingsverein gehabt haben, so muss man davon ausgehen, dass es der Lokalrivale 1860 war, der so genannte Arbeiterverein, der schon von 1934 an SA-Männer an der Führungsspitze hatte. Bei den Bayern, heißt es in dem Buch München und der Fußball, konnte erst 1942 ein Parteimitglied im Präsidentenamt durchgesetzt werden. Bis dahin galt der Verein als „Judenclub“, auch wenn er längst keine jüdischen Mitglieder mehr hatte. Bei den Bayern in der ersten Mannschaft zu spielen konnte trotzdem lebensgefährlich sein: Die „Roten“ landeten häufiger an der Front, während „Sechziger“ eher zum Arbeitsdienst in München eingesetzt wurden. Dementsprechend gingen zu der Zeit die Lokalderbys aus.“
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