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Portraits Huub Stevens, Falko Götz und Juri Schlünz
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| Donnerstag, 25. März 2004Portraits der Trainer Huub Stevens (Hertha BSC Berlin), Falko Götz (1860 München) und Juri Schlünz (Hansa Rostock) – die bemerkenswerte Strategie Andreas Rettigs, Manager des 1. FC Köln – Benjamin Lauth, Stürmertalent
Stevens’ Leben war von Beginn an ein Kampf gegen Widerstände
Stefan Hermanns (Tsp 18.10.) porträtiert Huub Stevens: „Berti Vogts hat den Niederländer einmal als fähigsten Trainer der Bundesliga bezeichnet. Von Rudi Assauer, dem Manager des FC Schalke 04, wurde der Niederländer als bester Trainer, „den Schalke je hatte“, verabschiedet. Mit dem Verein aus dem Ruhrgebiet gewann Stevens den Uefa-Cup und zweimal den DFB-Pokal, die Fans wählten ihn zum „Trainer des Jahrhunderts“. Und Dieter Hoeneß, der Stevens zu Hertha holte, hat noch im Mai bei der Mitgliederversammlung gesagt: „Um diesen Trainer beneidet uns die ganze Liga.“ Weiß Berlin Qualität nicht zu schätzen? Wenn die kurze Ära Stevens bei Hertha an diesem Wochenende nach nicht einmal 16 Monaten zu Ende gehen sollte, wird von einem großen Missverständnis die Rede sein; davon, dass der Arbeiter Stevens aus der niederländischen Provinz nicht in die Weltstadt Berlin und zu deren Ambitionen gepasst habe. Das Problem war nicht Stevens. Das Problem waren die Erwartungen. Die Erwartungen aber wurden für Stevens zum Problem. Stevens hat sich noch nie nach den Erwartungen anderer gerichtet (…) Was will man Stevens vorwerfen? Dass er so ist, wie er ist? Dass er so geblieben ist, wie er ist, obwohl man einen anderen aus ihm machen wollte? In seinen Anfängen in Berlin ging es nicht darum, ob Stevens mit einer Vierer- oder Dreierkette spielen lässt; viel wichtiger schien zu sein, ob Stevens auf der Bank Anzug oder Trainingsanzug trägt. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass der neue Trainer mehr PR-Termine zu bestreiten hatte als Trainingseinheiten. Stevens wurde zum Sommerfest des Bundeskanzlers geschickt – und ging hin. Er schoss Elfmeter gegen Schröder, schenkte ihm ein Hertha-Trikot und lachte. Inzwischen hat Hertha die Strategie geändert, Stevens darf sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Auf den Fußball. Wer Herthas Trainer verstehen will, muss in dessen Heimat zurückkehren. Stevens wehrt sich dagegen, als Holländer bezeichnet zu werden. Wenn überhaupt, dann ist er Niederländer, er stammt aus Limburg, dem katholischen Süden des Landes. Von der protestantisch geprägten Mehrheit der Niederlande, den Holländern, werden die Limburger traditionell nicht richtig ernst genommen. Die Provinz wird als Reserve-Belgien oder Limbabwe verspottet. Die Menschen dort sprechen einen komischen Dialekt, der sich anhört wie Niederländisch mit dem Singsang der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Stevens’ Leben war von Beginn an ein Kampf gegen Widerstände (…) Wie bei allen öffentlichen Personen gibt es auch bei Stevens zwei Figuren: eine private und eine öffentliche. Und es scheint so, dass sich der öffentliche Stevens und der private Huub – soweit man das beurteilen kann – vollkommen widersprechen. Im menschlichen Umgang ist Stevens nett und charmant, witzig, und vor allem gibt er sich interessiert. Den Frauen seiner Spieler gratuliert er zum Geburtstag, die Termine hat er in seinem Laptop gespeichert. Wenn ein Trainerkollege entlassen wird, ist Stevens einer der Ersten, der ihn anruft. An Armin Veh, der vor zwei Wochen bei Hansa Rostock zurückgetreten ist, hat er sogar einen Brief geschrieben. Diesen freundlichen Huub aber bekommt das Volk nur selten zu sehen. Das Bild von ihm ist vor allem geprägt von den Auftritten bei öffentlichen Terminen, von den Interviews, die er dem Fernsehen gleich nach einem Spiel geben muss. Dann faltet sich seine Stirn, die Pupillen rücken zusammen. Weil er hinter jeder Frage einen Angriff wähnt, nimmt Stevens’ Körper automatisch eine Abwehrhaltung ein. Er sagt selbst: „Da habe ich Probleme, locker zu bleiben.“ Wenn er aber locker sein will, wirkt er oft gekünstelt. Sein Lachen ist dreckig, laut, unnatürlich. In einer Hotellobby soll er einmal so losgepoltert haben, dass sich ein anderer Gast bei der Direktion beschwerte.“
Tsp-Interview mit Rudi Assauer über Huub Stevens
Deutliche Anleihen der Calmund-Schule
„Andreas Rettig, Manager des 1. FC Köln, betreibt eindrucksvolles Krisenmanagement“, schreibt Christoph Biermann (SZ 18.10.): „Die Mannschaft steht am Tabellenende, und inzwischen wird in Köln eine Trainerdiskussion geführt, wie es sie in der Geschichte der Bundesliga so offen geführt noch nicht gegeben hat. „Neu ist der Ansatz, dass Funkel über alles Bescheid weiß“, sagt Rettig. Der Coach ist seit einem Monat davon unterrichtet, dass der Manager bereits den Markt sondiert hat. Der Schweizer Marcel Koller, bis vor kurzem bei Grasshoppers Zürich, wäre aussichtsreichster Kandidat auf den Trainerjob am Geißbockheim. Mit ihm hat sich Rettig bereits getroffen. „Funkel hat natürlich erst einmal geschluckt, als ich ihm das gesagt habe“, sagt Andreas Rettig, „aber er ist ein echter Profi und sehr stressresistent.“ Trotz der auch in den Medien vermeldeten Sondierungen stellte Rettig seinem Coach für die letzten beiden Spiele gegen Bremen und in Stuttgart eine Arbeitsplatzgarantie aus. „Das Schlimmste in so einer Situation ist die Ungewissheit, und unser Trainer soll keine Energie verschwenden“, sagt er. Funkel soll also nicht darüber nachgrübeln müssen, wo Rettig gerade ist, ob und mit wem er verhandelt und welche Zeitungsgerüchte stimmen, weil das nur seine Probleme potenziert. „Es gibt ihm ein Gefühl der Stärke, dass er weiß, was läuft“, sagt Rettig. Es geht also nicht um Schulterschlüsse oder Männerfreundschaften. Rettig hält einen Wechsel des Trainers zwar „immer für das Schlimmste, was passieren kann“, es aber auch für seine Pflicht, darauf vorbereitet zu sein (…) Von Günter Netzer ist Andreas Rettig für sein Krisenmanagement öffentlich gelobt worden. Kölns Manager ist bei Bayer Leverkusens Manager Reiner Calmund in die Schule gegangen, der ein Meister des doppelten Bodens ist und immer drei Umdrehungen weiter denkt als alle anderen. Manchmal auch eine zu viel. Rettigs Umgang mit der Situation in Köln verrät deutliche Anleihen der Calmund-Schule. Es ist ein neuer und durchaus respektabler Weg, den er mit dem 1. FC Köln beschreitet. Aber er ist so verwirrend ausgeschildert, dass man dort auch die Orientierung verlieren könnte.“
Matthias Wolf (FAZ 18.10.) charakterisiert Juri Schlünz: „Vielleicht muß ja auch ein Verein manchmal zu seinem Glück gezwungen werden? Bei der Frage kann sich Horst Klinkmann, Vorsitzender des Aufsichtsrates beim FC Hansa Rostock, ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ich denke, es ist ganz gut, daß es jetzt so gekommen ist. Womöglich haben wir jahrelang zuwenig getan, um unseren Wunschkandidaten zu bekommen. Professor Klinkmann, Mediziner und Vereinsgründer, spricht von Juri Schlünz. Der besitzt seit über 35 Jahren das Vereinsbuch von Hansa. Seit ihn sein Vater bei einem Spaziergang beim Klubgelände spontan in der Kindermannschaft angemeldet hat. Man könnte sagen, Schlünz, der nach dem ersten Mann im All benannt ist, Jurij Gagarin, hat von jeher eine kosmische Bestimmung für den Posten des Cheftrainers beim einzigen Ost-Bundesligaklub gehabt. Doch erst jetzt hat er das Kommando übernommen – als Hansas Vorstand vom Rücktritt Armin Vehs überrascht wurde. Zweimal war Schlünz zuvor nicht mehr als eine Interimslösung. Weil er sich fürchtete vor dem Amt, aus dem man früher oder später sowieso rausgebrüllt und gefeuert wird. Wohl aber auch, weil er erst jetzt gespürt hat, daß er die volle Rückendeckung der Vereinsführung besitzt. Mangels echter Alternativen? (…) Abstiegskampf lautet Hansas Schicksal, fast in jeder der nunmehr zehn Bundesliga-Spielzeiten. Schlünz soll das ändern. Er sei keine Notlösung oder Billigvariante, betont Vorstandschef Manfred Wimmer. Zum Beweis haben sie seinen Kontrakt bis Juni 2005 verlängert und sein Jahresgehalt auf angeblich 450 000 Euro erhöht. Der 42jährige Trainer verquickt vieles, was einigen Vorgängern als einzelne Stärke nachgesagt wurde. Er gilt als intelligent, fleißig, kämpferisch und als Fachmann, der die Sprache der Spieler spricht. Obendrein ist Schlünz ehrgeizig. Auch wenn das schwer zu glauben ist bei einem, der sechs Jahre zufriedener zweiter Mann war. Seine Vita: Abitur, Deutschstudium, Diplomsportlehrer, Jugendtrainer, Kotrainer. In seiner Sporttasche hat Schlünz stets ein Buch und in seinem Haus in Satow, 25 Kilometer vor Rostock, eine Bibliothek. Die Prüfung zum Fußball-Lehrer bestand der gebürtige Ost-Berliner mit der Note gut. Der Mann war stets mehr als nur ein Hütchenaufsteller: Er koordinierte die Kontakte zwischen Profis und Amateuren, beobachtete die Gegner, erstellte Trainingspläne. Ich habe mich stetig weiterentwickelt, sagt Schlünz.“
Thomas Becker (FR 18.10.) porträtiert Falko Götz: „Klar, das mit der Frisur steht auch drin. Seit August hat der Trainer des TSV 1860 München eine eigene Homepage, eine ziemlich schick gestaltete sogar. Um den Trainer, Fußballer und Menschen Falko Götz geht es da. Die Abteilung Der Mensch hat fünf Unterpunkte, einer heißt tatsächlich Haare. Fünf Fotos: als glatzköpfiger Säugling, betongescheitelter Jüngling, windzerzauster Jung-Mann, schnauzbärtiger Kicker und als fertiger Dressman, dem allerdings der Scheitel auf die andere Seite gerutscht ist. Egal, schön ist auch der Text: Der schöne Falko? Föhnfrisur? Mein äußeres Erscheinungsbild scheint einigen Leuten immer wieder Erwähnenswert zu sein. Nun gut. Find ich nicht haarig, sondern naturgegeben. Einen Föhn brauche ich nicht: Duschen, abtrocknen, Gel rein, kämmen, fertig. So lauf ich eben rum. Falko Götz, gelernter Elektromechaniker, ist 41, nach Sammer jüngster Trainer der Liga. Einer, der erkannt hat, wie wichtig Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache geworden ist und sich dieser Entwicklung nicht verschließt, sondern offensiv damit umgeht, per Internet über seine Ehe-Probleme informiert. Die Medienarbeit nimmt heute generell einen hohen Prozentsatz des Tagesablaufs in Anspruch, sagt er. Anders als seine Vorgänger Pacult und Lorant sieht er eine Pressekonferenz nicht als lästiges Übel, sondern nutzt sie vielmehr, um Politik zu machen – auch seinen Spielern gegenüber. So geschehen vor der Partie gegen Frankfurt – ein Spiel, das eine Tendenz darstellen könnte, sagt Falko Götz: Eine weitere Pleite können und wollen wir uns nicht erlauben. Bei einigen ist die Diskrepanz zwischen Training und Spiel zu groß. Jetzt gibt’s keine Alibis mehr. Für einige ist das die letzte Chance. Pardauz, das saß. Götz scheint mit seinem Kader die Geduld zu verlieren. Seit sieben Monaten ist er Chefcoach, hatte von Pacult eine Truppe übernommen, von der er mäßig angetan war, die er wegen der Finanzlage des Vereins kaum verstärken konnte. Wir haben nicht die großen Alternativen im Kader, sagt er. So fordert er von denen, die da sind, die Bereitschaft stets an die Grenzen zu gehen. Das hatte er zuletzt vermisst: drei Niederlagen in Serie, Rang elf – welcome back im Mittelmaß, dem ungeliebten!“
Gerald Kleffmann (SZ 18.10.) fragt sich, ob Benjamin Lauth gut aufgehoben ist: „Lauth ist in einer misslichen Lage. Er trifft in der Bundesliga nicht mehr. Die Folgen für den Stürmer, der nach seinem furiosen Jahr – mit einem Fallrückziehertor in der Nationalelf als Höhepunkt – zu einem der deutschen Fußballretter erkoren wurde, sind frustrierend. Die Reporter zählen völlig spaßfrei die torfreien Minuten Lauths, 975 sind es momentan; gut möglich, dass er am Samstag gegen Eintracht Frankfurt sogar die 1000er-Marke erreicht. Seine einst als lässig bezeichnete Körpersprache wird plötzlich als arrogant gewertet. Und, dreifach schlimm: Kevin Kuranyi, vor Wochen auf einer Stufe mit Lauth gehandelt, ist in der Karriere enteilt. Kuranyi spielt mit Stuttgart in der Champions League, gegen Manchester United. Kuranyi spielt in der Nationalelf, gegen Island. Und: Kuranyi trifft. Lauth hat diese Saison, immerhin, zwei Tore erzielt, beim 5:1 im Pokal in Rehden und im Spiel der U21-Nationalelf gegen Island kürzlich (1:0). Das ist jedoch nicht das gleiche Niveau, auf dem sich Kuranyi bewegt. Zunehmend drängen sich daher Fragen auf: Warum stockt Lauths Karriere? Verkraftet er den Ruhm nicht? Waren doch zu viele Hochglanzfotos von ihm in Magazinen? Ist es Pech? Oder, eine ganz andere Vermutung: Spielt er beim falschen Klub? Die Zeichen dafür mehren sich zumindest. Derzeit wirkt es, als böte sein Engagement bei 1860 mehr Nach- als Vorteile. Zwar muss sich Lauth seit seiner Vertragsverlängerung, die ihn bis 2006 an den TSV bindet, in diesem Leben nie mehr um Geld sorgen; aber darum geht es ohnehin nicht. „Lauths Problem ist, dass er nicht in einem Top-Team spielt“, sagt nun ausgerechnet Ottmar Hitzfeld, Trainer des Stadtrivalen FC Bayern. Lauths Manager freilich mag diese Meinung nicht teilen, er kontert sachlich: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist 1860 der Verein, wo sich Lauth entwickeln kann.“ Kann er das wirklich?“
Christian Eichler (FAZ 18.10.) schaut – wie wir alle – gerne fern: „Den wahren Gehalt von Information erkennt man manchmal erst in der Fremde. Zum Beispiel damals im Ferienapartment an der Algarve, das als einzigen deutschen Sender RTL zu bieten hatte. Bei der frühabendlichen Informationssendung staunte der Urlauber nicht schlecht, als der Nachrichtenmann mit gekonnter Heiterkeit zur Sportfrau überleitete, die dann genau einen Filmbeitrag anzubieten hatte: wie es dem Kollegen Schumi so ergangen war an jenem Tage. Der Informationsgehalt des Beitrages lautete etwa so: Noch zwölf Tage bis zum nächsten Formel-1-Rennen, hier auf RTL. Am nächsten Abend dasselbe: noch elf Tage. Und so weiter. So flog man, von schlechten Nachrichten verschont, erholt heim. Und freute sich doch irgendwie auf ARD und ZDF. Wofür zahlt man schließlich Gebühren. Und dann, einige Jahre später . . . Es war, wenn die Erinnerung nicht trügt, ein Dienstagvorabend, der Nachrichtenmann leitete mit gekonnter Heiterkeit zur Sportfrau über, und die hatte genau einen Filmbeitrag anzusagen: Neues aus dem Trainingslager einer Boxerin. Der Informationsgehalt des Beitrages lautete etwa so: Noch vier Tage bis zum Kampf, hier im ZDF. So ist das, wenn die Welt auf das Wesentliche reduziert wird (…) Der Gute-Laune-Sportsender ZDF hat sich überdies seit Jahren der Grundversorgung mit dem Anblick glücklicher Zuschauer verschrieben, die vor jedem Sportstudio so lange auf sportliche Applausleistung eingestimmt werden, daß sie auch den 0:0-Filmbericht dankbar beklatschen. Nach dem Verscheiden von ran ist das Sportstudio einer der letzten Anbieter dieser Dienstleistung, die jährlich rund vier leere Stunden Lebens- und Sendezeit des Sportzuschauers mit dem Zuschauerzuschauen füllt. Wir vermuten, das hält die Produktionskosten der durchschnittlichen Sendeminute im bezahlbaren Rahmen und hat schon manche Gebührenerhöhung abgewendet.“
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