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EM 2008 in der Schweiz und in Österreich
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| Donnerstag, 25. März 2004EM 2008 in der Schweiz und Österreich – Wolfsburgs neues Arena und Aura? – Lorant bei Fener entlassen – Köstner
Ralf Wiegand (SZ 12.12.) meint zur Entscheidung der Uefa (siehe auch ), die EM 2008 in Österreich und der Schweiz auszutragen. „Es war ja nicht so, dass nach der EM des Jahres 2000 sich irgend jemand hingestellt hätte, um zu sagen: Dieses Modell ist die Zukunft. In zwei Ländern – wie demnächst in Österreich und der Schweiz – kickten damals die besten Teams Europas ihren Meister aus, nämlich in Holland und Belgien, was eine Menge Probleme machte. Solche Meisterschaften sind ein hohes Risiko, was das Finanzielle betrifft ebenso wie, nun ja, für Leib und Leben. Die Finanzen sind zwar ein guter Grund dafür, die Last auf zwei Länder zu verteilen, die Sicherheit spricht dagegen. Die Uefa als Ausrichter hatte mit völlig verschiedenen Strukturen zu kämpfen, denn was in Belgien einfach klappte, scheiterte in Holland (…) Anders wird es in Zukunft nicht mehr gehen, wenn die Welt nicht immer wieder in denselben Ländern zu Gast sein will. Nicht überall ist Deutschland, Gott sei dank. Der Zuschlag für Portugal 2004 ist schon ein Grenzfall, denn Portugal hat zwar eine große Tradition im Fußball, doch die ist auf Porto und Lissabon begrenzt; dem ganzen Land eine EM-taugliche Infrastruktur zu verpassen, ist teuer und macht dem Land Probleme. Deshalb ist es vernünftig, es noch einmal zu versuchen, diesmal mit Österreich und der Schweiz. Außerdem: Die mögen sich doch – oder?“
Jörg Marwedel (SZ 11.12.) begutachtet die vermeintliche Hamburger Neuerwerbung. „Takahara wäre nach Yasuhiko Okudera (früher Köln und Bremen) und dem fast vergessenen Kazuo Ozaki (Bielefeld) erst der dritte Japaner in der Bundesliga. Aber er gehört einer völlig anderen Generation an. Als HSV-Trainer Kurt Jara am Montagmorgen in die Umkleidekabine kam, saß der Stürmer zwar „ganz schüchtern in der Ecke“, wie Jara berichtet. Das täuscht. Takahara ist ein typischer Vertreter der neuen Schule von Philippe Troussier, der Japans Auswahl bis Ende der WM betreute. Dessen Philosophie stellte Durchsetzungsvermögen über totale Anpassung. Der Fußball löste eine kleine Kulturrevolution in Japan aus, das Modell von Befehl und Gehorsam wird allmählich aufgeweicht. Dass Takahara keineswegs alles schluckt, bekamen auch seine nach Hamburg mitgereisten Landsleute zu spüren. Einigen verweigerte er das Gespräch, weil ihm nicht passte, was sie über ihn schrieben.“
Die Veränderungen am Wolfsburger Vereinslogo könnten, so Jörg Marwedel (SZ 12.12.), symbolische Bedeutung erringen. „Das grüne „W“ auf weißem Grund ist neuerdings nach oben offen, um die dynamische Aufwärtsentwicklung des Klubs zu symbolisieren. Manager Peter Pander, 51, muss in diesen Tagen oft daran denken, wie alles angefangen hat mit dem Aufstieg vom belächelten Provinzklub zum Fußballunternehmen mit internationalen Ambitionen. 1991, als der gelernte Kaufmann von VW aus dem Finanz- und Vertriebsbereich abgestellt wurde, um in Wolfsburg das Projekt Profifußball anzuschieben, hauste er „in einer Umkleidekabine mit einem Schreibtisch“; zur Seite stand ihm als einzige Mitarbeiterin eine Halbtags-Sekretärin. Inzwischen gibt es rund 25 Angestellte, und Pander residiert künftig hinter der Glasfassade der Arena und hat von dort „einen guten Überblick über die Stadt“. Wenn Pander und Mies erzählen, dann fühlt man sich an Geschichten aus den Aufbaujahren dieser Republik erinnert. Dabei ist Pander längst mit der Zukunft beschäftigt. Beharrlich hat der Selfmade-Fußballmanager daran gearbeitet, aus dem Verein, der früher oft vor 500 Zuschauern kickte, eine Tochter des VW-Konzerns zu machen mit entsprechenden wirtschaftlichen Vorteilen. Hartnäckig hat er den Bau der Arena gefordert, weil „wir ohne sie das Ziel Champions League hätten vergessen können“. Und irgendwann war es auch beim neuen VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder angekommen, dass sich mit einem guten Fußballteam international prächtig für die Autos des Konzerns werben ließe. Deshalb steht nun der nächste Schritt an – die weitere Verstärkung der Mannschaft, die am Saisonende auf einem Uefa-Cup-Platz stehen soll. Schon in der Winterpause soll weiter investiert werden.“
Peter Unfried (FR 11.12.) porträtiert den Wolfsburger Trainer. „Wolf zählt zu den Unauffälligen seiner Branche: Keine großen Fernsehauftritte, keine Eskapaden. Einmal hat er ein Hütchen der Coaching-Zone wütend weggekickt – und einen Behinderten getroffen. Seither schaut er genau, wohin das Hütchen fliegen darf, wenn er sich Luft verschaffen muss. Er kommt aus der Pfalz. War zwölf Jahre Profi bei Kaiserslautern und bei den Stuttgarter Kickers. Der Fußballer Wolf war einer, der das Kollektiv stärkte, wie man heute sagt. Früher hieß es: Er konnte rennen und kämpfen. Als Trainer, sagt Wolf über Wolf, sei er knallhart. Ich mache kein Schleifchen drum. Tat er schon als Verteidiger nicht. Aber er sei nicht nachtragend. Nicht, wenn der Kritisierte nachher macht, was ich will. Wolf habe, heißt es gern, zu wenig aus den Möglichkeiten des Klubs gemacht. Aber wie groß sind die wirklich? VW hat den VfL nie mit Geld überhäuft (…) Gut möglich daher, dass das Einweihungspiel gegen den VfB Stuttgart am Sonntag über Wolfs Zukunft mitentscheidet. Das wäre seltsam nach viereinhalb Jahren, in denen Wolf einiges getan hat: bundesligataugliche Infrastrukturen entwickelt, System modernisiert, Altersstruktur im Kader und Kreativpotenzial entwickelt, Chef gefunden, junge Talente eingebaut. Die Platzierungen (14/6/7/9/10) sind ihm nicht Beweis für Stagnation, im Gegenteil: Nur wer sich entwickelt, kann seinen Platz halten.“
Zur Situation bei Benfica Lisabon NZZ
Werner Lorants Entlassung in Istanbul kommentiert Philipp Selldorf (SZ 11.12.). „Den Gerüchten zufolge herrscht jedoch in der Bundesliga Bedarf für den Mann, der den Kasernenhofton und Komissmanieren pflegt und nicht umsonst den Haarschopf zum stacheligen Schutzhelm umfunktioniert hat. Irgendein in Not geratener Verein wird sich seiner schon annehmen, dem Verständnis folgend, dass Fußballer keine ruhige, sondern eine harte Hand benötigen, oder wie der führende Populist Lorant sagt: sie nicht „quatschen“, sondern „arbeiten“ sollen, womit er stramm stehen meint. Noch bei seinem Abschied aus Istanbul ließ er wissen, das Wichtigste sei Disziplin. Mit dieser ultradeutschen Lehrmeinung findet er bei einigen Verzweifelten in den Klubvorständen garantiert Gehör. Und wie der Mythos von Atlantis bleibt auch die Legende vom Löwendompteur Lorant unsterblich.“
Des Weiteren lesen wir in der SZ (11.12.). „Lorant also hat eine Pressekonferenz gegeben, und die Blätter in der Metropole am Bosporus waren schwer beeindruckt. Der deutsche Trainer habe „mit Geschützen gefeuert“, berichtete die Tageszeitung Aksam. „Mit sehr harter Sprache“ habe er die Kluboberen kritisiert, besonders Manager Kemal Dincer. Wie er rau mit den für seinen Rausschmiss Verantwortlichen ins Gericht gegangen ist, das kann man sich hierzulande gut vorstellen, nicht aber, was er angeblich über Dincer gesagt haben soll: „Der war wie Brutus für mich – er hat mich hinterrücks erdolcht.“ Wenn Lorant Anleihen bei Gaius Julius Cäsar nimmt, um sein Schicksal zu beschreiben, dann hat er viel dazugelernt am Bosporus. Das Motiv aber scheint zu stimmen.“
Rainer Hermann (FAZ 11.12.) meint dazu. „Zumindest ein Weihnachtsfest durften die ausländischen Trainer bisher bei Fenerbahce Istanbul meist feiern. Bei Joachim Löw war das 1998. Neun Jahre hatte Werner Lorant bei 1860 München keinen Widerspruch geduldet. Auf dem Schleudersitz der türkischen Liga hielt er aber gerade elf Monate durch. Dann mußte auch er erleben, daß bei dem launenhaften Klub auf der asiatischen Seite Istanbuls die Fußball-Lehrer zu gehen haben – ob sie erfolgreich sind oder nicht. Fenerbahce steht auf dem dritten Platz der Liga. Zwei Punkte hinter dem zweitplazierten Galatasaray – und mit einem Spiel weniger. 32 Ligaspiele war Lorant für die unberechenbare Mannschaft verantwortlich gewesen. Davon hatte er 22 gewonnen und nur vier verloren. Das letzte am Wochenende mit einem demütigenden 0:3 beim Vorletzten Diyarbakir. Daß die Niederlage auf die Kappe des miserablen Ersatztorwarts ging, der den verletzten Nationaltorhüter Rüstü zu vertreten hatte, interessierte die aber nicht, die schon lange den Rücktritt des ruppigen Deutschen gefordert hatten. Zum Verhängnis wurde Lorant schließlich, daß ihn, wie zuvor auch Löw, nicht das Charisma umgibt, ohne das im heißblütigen türkischen Fußball keiner bestehen kann. Eigentlich müßte Fatih Terim schon längst gefeuert sein, der mit dem Lokalrivalen Galatasaray in einer völlig verkorksten Saison steckt. Charisma und Chuzpe haben aber den ehemaligen Straßenverkäufer aus Adana vor dem Schicksal Lorants bewahrt. Dabei will es die Ironie, daß Fenerbahce nur durch einen zusammenzuhalten ist, der wie Lorant eisern fegt. Alles hat Fenerbahce in den vergangenen Jahren nun an Trainermodellen ausprobiert: den brasilianischen Weltmann Parreira, den deutschen Pädagogen Löw, Ridvan aus den eigenen Spielerreihen, den türkischen Edelmann Denizli. Die Wahlmöglichkeiten für den sprunghaften Vorstand werden immer geringer (…) Jedem Anhänger von Fenerbahce ist es ein Stachel im Fleisch, wenn er auf das Emblem von Galatasaray schaut: Das zieren mittlerweile drei Sterne. Fünf Meisterschaften berechtigen laut einem Statut des türkischen Fußballverbands zu einem Stern. Zum dritten fehlt Fenerbahce ein Titel. Den wird sich in dieser Saison mutmaßlich aber der Arbeiterverein Besiktas holen, der mit zehn Meisterschaften dann wie Fenerbahce zwei Sterne haben wird. Für die drei Istanbuler Vereine zählt nur die Meisterschaft. Seit dem Erfolg von Galatasaray im Uefa-Cup wird der Meistertitel aber immer mehr als eine Zugabe betrachtet. Jeder muß international erfolgreich sein.“
„Beim Karlsruher SC zeigt Lorenz-Günther Köstner, dass von ihm trainierte Mannschaften mehr können, als nur hintenrein zu stehen. Gegen den SC Freiburg führt das zu einem munteren 1:1″, berichtet Klaus Teichmann (taz 11.12.). „Schließlich gab es nicht wenig Bedenken gegen Köstner in der Beamtenstadt. Ist der nicht ein wenig zu graumäusig für den Ex-Uefa-Cup-Eurofighter? Ließ er in Unterhaching nicht immer ein unattraktives 8-1-1, 1:0, Tor Altin Rraklli, Elfmeter spielen? Denkste: Der Franke Köstner lässt im Badnerland nicht nur das r mächtig rollen, sondern machte den völlig aus der Bahn geratenen KSC im D-Zug-Tempo wieder zu einer respektablen Zweitliga-Mannschaft. Und das auch noch mit offensiver Ausrichtung. Unter Köstner schießt der KSC jedenfalls plötzlich wieder Tore – und gewinnt so Punkt um Punkt.“
Interview mit Darlington Omodiagbe über seinen leidvollen Weg als Fußballprofi undsein neues Glück in Unterhaching SZ
René Martens (FTD 12.12.) skizziert das Anforderungsprofil eines Fußballgewerkschafters. „Abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit berät die VdV, der mehr als die Hälfte der 1700 Berufsfußballer hier zu Lande angehören, in langfristigen Angelegenheiten, etwa bei der Altersvorsorge. Um die kümmern sich die Spieler nämlich nur unzureichend. Oder sie sind anfällig für „windige Anlageberater“ (Hüser). Die VdV hat recherchiert, dass die Hälfte der Spieler, die 1985 im Bundesligakader von Eintracht Braunschweig standen, arbeitslos sind oder Sozialhilfe beziehen. Auch auf viele unbekannte Profis trifft zu, was die exzentrische britische Fußballlegende George Best einmal recht flapsig so formulierte: „Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und Autos ausgegeben, den Rest habe ich verprasst.“ Aber im Gegensatz zu ihm haben die meisten heute nicht die Chance, sich ihre Brötchen als TV-Kommentator oder Memoirenautor zu verdienen (…)Ein leidiges Thema sind zumindest in Deutschland die Vertragsstrafen – zuletzt musste Oliver Kahn 10.000 Euro Strafe zahlen, weil er an einem freien Tag eine Diskothek besucht hatte. Matthias Sammer – noch nicht aus der VdV ausgetreten, obwohl längst auf der anderen Seite – verbot seinen Spielern sogar, einen Boxkampf zu besuchen. „In Spanien oder England wäre so etwas undenkbar“, sagt Thomas Hüser. Grundsätzlich sei die hiesige Rechtsprechung in Sachen Vertragsstrafen aber „arbeitnehmerfreundlicher geworden“, sagt Hüser, es gebe „einige Musterprozesse“, auf die sich Fußballer in solchen Fällen berufen könnten. Doch die Gefahr, im Klub und in der Öffentlichkeit als Querulant dazustehen, hat bisher noch keiner der Bestraften auf sich nehmen wollen – nicht einmal Gewerkschaftsmitglied Oliver Kahn.“
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