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Pressestimmen zu den einzelnen Spielen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Pressestimmen zu den einzelnen Spielen

Was macht eigentlich Reiner Calmund? Lange nichts gehört vom Geschäftsführer Bayer Leverkusens. „In Leverkusen wird wieder Fußball zelebriert“, jubelt die FAZ dem Tabellenführer nach dem 4:0 über Hannover 96 zu; und was macht Calmund, der Mikrofone aufspüren und Notizblöcke wittern kann? Calmund schweigt. Die Sache ist zu erklären: Erstens steht Calmunds Verstummen für den neuen Realitätssinn bei Bayer. In der Vorsaison spielten sie dort zum einem schlecht Fußball. Zum andern schwätzten und plapperten zu viele zu oft zu großen Unsinn: in der Summe ergab das Rang 15. Aus den Fehlern ihrer Außendarstellung und ihres Krisenmanagements haben sie gelernt in Leverkusen. Zweitens belegt die allgemeine Lautlosigkeit die derzeitige Dominanz Klaus Augenthalers im Klub, an dessen Seite Sportdirektor Kohler wie ein Lehrling aussieht. Dem Trainer bestätigen die Redakteure, dass er beruhigenden Einfluss auf Führungsriege und Mannschaft ausübt und mit seinem Understatement einen neuen Stil unterm Bayer-Kreuz prägt.

Anhänger Bayern Münchens sowie Berichterstatter haben den Einstand von Roy Makaay zwei Wochen lang herbeigesehnt und ihm Vorschusslorbeeren geflochten. Jede Wette: Viele, von denen, die den Holländer nun als „besten Torjäger Europas“ (ARD-Sportschau) begrüßen, kannten ihn vor einem Jahr noch gar nicht. Doch „das Makaay-Debüt wurde zum Nicht-Ereignis“, wie die SZ ermattet feststellt. Bayern führt nach 20 Minuten mit 2:0 gegen Bochum und stellt weitere Bemühungen ein. Die FR gähnt: „Millionen-Stürmer Makaay fügt sich gut ein in die neue Langeweile des FC Bayern.“

Was fällt noch auf? Ein Detail: Letzte Woche klagte Meistertrainer Hitzfeld zurecht über eine Schiedsrichterentscheidung zu Ungunsten der Bayern. Funk und Fernsehen reagierten mit Zustimmung und Verständnis. Dieses Wochenende litt Gegner Bochum unter einer vergleichbaren Situation: einer falschen Abseitsentscheidung. Trainer Neururers Beschwerde jedoch deuten die Journalisten als Jammern: die FAS bescheinigt ihm „Larmoyanz“, die SZ nennt ihn den „kleinlichen Kommissar Neururer“. Wenn zwei das selbe tun, ist es noch lange nicht das gleiche.

Bayern-Schule: Oben ist, wo man Tore unabhängig von Stimmungen macht

Christian Eichler (FAZ 18.8.) versetzt sich in die Lage eines Stürmers. „Torjäger – der Tod von zwei der größten, Helmut Rahn und Lothar Emmerich, machte diese Woche im Rückblick deutlich, wie selten dieser faszinierende Fußballtypus bleibt. Gerade früh in der Saison wirkt er noch kostbarer als sonst. Lieferanten gesucht. Doch ist der Nachschub ungerecht verteilt. Die einen treffen nicht, weil sie die Null im Kopf haben. Die anderen treffen, weil es so schön ist. Ein Tor kommt selten allein, es macht locker fürs nächste. Erfolgreiche Torjäger sind Wiederholungstäter. Der Rostocker Martin Max lieferte drei am Stück (…) Der Torjäger ist dem Formel-1-Piloten ähnlich. Beide sind abhängig davon, was das Team serviert. Oft sind es kleinste Variationen, die Gewinner zu Verlierern machen und umgekehrt. Beim einen sind es Gewichtsverlagerung, Reifenverläßlichkeit, Flügelprofil; beim anderen Spielverlagerung, Paßgenauigkeit, Flügelspiel. Und plötzlich paßt alles, wie jetzt bei BMW und Bayer. Piloten wie Stürmer brauchen das Stimmungshoch, Bolide und Ball über die Linie zu bringen. Aber ebenso brauchen sie nüchterne Hintermänner, die sich im Wechsel von Torrausch und Torflaute nie blenden lassen – so wie es wohl Klaus Toppmöller tat, weil er sich als Teil der Mannschaft sah. Man braucht Nachfolger Klaus Augenthaler nur auf den vorgeschobenen Unterkiefer zu schauen, der selbst dann bissig wirkt, wenn er lächelt: Schon weiß man, daß hier einer den Stimmungstöter gibt, wenn es nützlich ist. Zum Beispiel jetzt, da schon wieder alles schwärmt. Für einen ewig Zweiten und beinahe Zweitligisten sieht der deutsche Rekordmeister (sechs Schalen) wie die Idealbesetzung aus. In Auge steckt Bayern-Schule: Oben ist, wo man Tore unabhängig von Stimmungen macht.“

Die Nummer 1 zwischen den Pfosten steht seit jeher für die hohe Psychologie des Fußballs

Michael Ashelm (FAS 17.8.) versetzt sich in die Lage eines Tormanns. „Torwart sein ist doch so schwer. Tag für Tag die Aufgabe zwischen den Pfosten alleinverantwortlich als letzte Deckung erfüllen zu müssen. Das macht manchmal überempfindsam gegen die Reaktionen eines Umfelds, das es mal gut mit einem meint, aber viel öfter Fehl und Tadel an der Leistung erkennt. Ein Fußballtorwart hat es wirklich nicht leicht, denn er muß nicht nur zupacken und immer reaktionsschnell durch die Gegend hechten, sondern vor allem auch mit der Last des Einzelkämpfers leben lernen. Die Nummer 1 zwischen den Pfosten steht seit jeher für die hohe Psychologie des Fußballs, denn eigentlich nimmt man die Schlußleute nur wahr, wenn mal wieder der Ball unglücklich über die Torlinie gekullert ist. Den einen oder anderen reißt es daher regelmäßig ins mentale Tief.Torhüter kämpfen vor allem mit ihrer Persönlichkeit, die, von außen betrachtet, manchmal sehr eigene Züge trägt. Schnell macht der Job dann sehr, sehr einsam, wie man dieser Tage im Fall des Robert Enke betrachten kann. Der will aus eigenem Antrieb gar nicht mehr auf dem Platz stehen und quittierte seine gutdotierte Anstellung bei Fenerbahce Istanbul, wo doch die Leihgabe des FC Barcelona vorher bei den Katalanen nur noch als Banksitzer zuschauen durfte. Aber jetzt, einfach Schluß, aus und weg – nach 19 Tagen und nur 90 Spielminuten für den mehrmaligen türkischen Meister zog der 25 Jahre alte frühere Gladbacher die Konsequenzen aus der starken Kritik an seiner schwachen Leistung in der ersten Ligapartie (0:3). Das ist nicht meine Welt, sagte der empfindlich getroffene Torwart und zog sich verbittert ins Schneckenhaus zurück. Kein weiterer Kommentar. Bei allen unschönen Dingen hinter den Kulissen, die womöglich bei Enkes spektakulärem Rückzieher noch eine Rolle gespielt haben mögen, zeigt das Verhalten die besonderen psychischen Momente, mit denen die Torhüter dieser Welt zurechtkommen müssen. Die einen wie Oliver Kahn oder früher Harald Schumacher schnauzen zurück und begegnen den Zweifeln mit noch mehr Härte oder Ruppigkeit. Andere, wie eben der Extremfall Enke, werden still, packen ihre Siebensachen zusammen und flüchten vor den Problemen.“

Rainer Moritz (FTD 18.8.) singt dazu. „„Der Theodor, der Theodor, / der steht bei uns im Fußballtor, / wie der Ball auch kommt, / wie der Schuss auch fällt, / der Theodor, der hält“, heißt es in Theo Lingens Nachkriegsschlager, ein Lied, das an die Ära unverwundbarer Goalies erinnert. Tilkowski, Maier, Schumacher, Illgner, Köpke, Kahn – selbst in düstersten (Derwall-)Zeiten verfügte Deutschland stets über brillante Keeper, die es mit der internationalen Spitze aufnehmen konnten. Nun aber hat Oliver Kahn wohl seinen Zenit überschritten, und kaum einer scheint (nervlich) stark genug, diesen elitären Posten einzunehmen. Mittelmaß steht zumeist im deutschen Tor – bei den Münchner Löwen, bei Köln, Frankfurt oder Hannover zum Beispiel. Und die Hoffnungsträger wie Roman Weidenfeller lassen harmlose Schüsse abprallen oder packen wie Robert Enke schon nach einer Woche Türkei entnervt die Koffer. So kommt Deutschland nie voran… Dabei könnte alles so einfach sein, wie früher eben: „Meine Maxime heißt: den Ball halten“ (Toni Schumacher).“

Das argentinische Modell

Frank Heike (FAS 17.8.) analysiert die Ursachen der „argentinischen Welle“ in der Budnesliga. „D‘Alessandros Berater wußten, daß in Deutschland gut ge- und pünktlich bezahlt wird. Ein weiteres Argument, das für den VfL sprach, waren die beiden Argentinier Diego Klimowicz und Pablo Quattrocchi in seinen Reihen. Ein wenig Heimat in der Fremde soll den Einstieg erleichtern. Die Wolfsburger sind mit ihren Südamerikanern wahre Argentinien-Fans; am Freitag ist nun der vierte Gaucho dazugekommen. Der heißt Juan Menzegez, ist 19 Jahre alt, ein schneller Offensivspieler und kommt auf Leihbasis (ein Jahr) ebenfalls von River Plate Buenos Aires. Sie sind ganz andere Typen als beispielsweise Brasilianer, sagt Trainer Jürgen Röber, der im Fall von D‘Alessandro seinen Wunschspieler bekommen hat. Die Brasilianer kommen mal rechtzeitig aus dem Urlaub, dann wieder nicht. Da sind die Argentinier disziplinierter. Und genauso gut ausgebildet, sagt Röber. Als Dietmar Beiersdorfer, Sportchef des Hamburger SV, jüngst den Markt in Argentinien beobachtete, kam er zu folgendem Schluß: Viele Klubs stehen vor der Insolvenz. Sie müssen verkaufen. Auch der HSV schaut verstärkt nach Argentinien, seit er Bernardo Romeo im Januar 2002 für 5,65 Millionen Euro von San Lorenzo holte. Romeo schoß in 42 Bundesliga-Spielen 22 Tore. Zu Romeo gesellt sich beim HSV als Integrationsfigur der längst in Deutschland heimisch gewordene Rodolfo Cardoso. Er kam Ende der achtziger Jahre vom größten Konkurrenten River Plates, dem Maradona-Klub Boca Juniors, nach Deutschland. Beiersdorfer ist ein Freund des argentinischen Modells: Die Argentinier haben eine ähnliche Mentalität wie Europäer. Sie sind pflegeleicht und schneller zu integrieren. (…) Südamerikanische Balltechnik, gepaart mit europäischer Zweikampfstärke, das versprechen sich die meisten Trainer von ihren Argentiniern. Ein Paradebeispiel dafür ist Diego Placente von Bayer 04 Leverkusen. Sein letzter Verein in Argentinien hieß ebenfalls River Plate Buenos Aires.Neben den leeren Kassen der Klubs, die durch den Spielerexport nach Deutschland gefüllt werden können, und der intakten Zahlungsmoral deutscher Vereine werde der neue Markt schlicht dadurch interessant, daß immer mehr Argentinier hier spielten. Das sagt der Berater Adrian de Vicente. Er hat den Wechsel des 22 Jahre alten Verteidigers Martin Demichelis von River Plate zum FC Bayern begleitet.Demichelis und D‘Alessandro könnten die Türöffner für andere junge Spieler aus Argentinien sein. Bislang seien Klubs in Italien und Spanien die Topadresse für Argentinier gewesen, sagt de Vicente. Namen wie Diego Maradona, Gabriel Batistuta oder Javier Saviola verbreiteten und verbreiten Glanz und machten in Argentinien Werbung für die Serie A und die Primera Division. Aber die Profis kosteten auch viel Geld. Geld, das in den südeuropäischen Ligen jetzt nicht mehr ohne weiteres vorhanden ist. Schon gar nicht für relativ unbekannte, wenn auch talentierte junge Akteure wie Andres D‘Alessandro: Auch deshalb haben River Plate und D‘Alessandros Berater irgendwann ja zum Wolfsburger Spitzenangebot gesagt – obwohl es doch nur der VfL war.“

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