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Profiteure der Nachspielzeit

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Profiteure der Nachspielzeit

Peter Hartmann (NZZ 15.4.) berichtet von einem weiteren Turiner Ausgleich in der Nachspielzeit. „Wenn die Sekunden stocken, wenn der Schiedsrichter unsicher auf die Uhrzeiger am Handgelenk schaut, wenn das Stadion den Siedepunkt erreicht hat, wenn alles zu Ende sein müsste – dann erwacht die „alte Dame“. Wie jetzt wieder in Bologna. Noch in der 87.Minute lag Juventus 0:2 im Rückstand. Dann unterlief dem Bologna-Verteidiger Paramatti ein Eigentor. (So ein Zufall: Paramatti spielte früher für die Juve.) Das Spiel schien nie mehr aufzuhören, der Juventus-Spieler Zambrotta suchte im Sechzehnmeterraum mit einem Theatersturz den Penalty, aber Schiedsrichter Paparesta fiel nicht darauf herein. Doch plötzlich, die fünfte Nachholminute war fast schon um, warf sich der kleine Camoranesi in einen Flankenball und erzielte, in allerletzter Sekunde, noch den Ausgleich zum 2:2. Wieder eine glückliche Fügung: Trainer Lippi hatte Camoranesi erst nach dem 1:2 eingewechselt. Er musste weiterhin auf den verletzten Mittelstürmer Trézéguet verzichten, und Del Pieros Form lässt sehr zu wünschen übrig. Die beiden sind das Hoffnungskapital der Juve. Ist der unbeugsame Charakter („cuore e coraggio“, Herz und Mut nennt es der Trainer), der nie nachlassende Kampfgeist, die mentale Brechstange der Turiner Meistermannschaft ausschlaggebend für die finalen Resultatkorrekturen? Oder stellen die Schiedsrichter, ohnehin unter dem Dauerverdacht des vorauseilenden Gehorsams gegenüber der „alten Dame“, die Sanduhr ein, bis noch ein spätes Tor fällt? Ist es bloss dauerhafter Zufall? Die Statistik dieser Saison zeigt auf, dass dies das sechste Remis war, das Juventus in den letzten Minuten erreichte, immerhin schon das vierte in der Nachspielzeit. Das sind genau sechs gewonnene Punkte – und mit sechs Punkten führt Juve die Serie A vor Milan und Inter an.“

Ich leide, wenn ich Milan ohne ein gutes Spiel im Mittelfeld sehe

Birgit Schönau (SZ 14.4.) sah einen knappen Sieg Milans beim Mailänder Stadtderby. „Il Trap hatte es im Gefühl, wenigstens so halb. „Reine Nervensache“ lautete die Prognose von Nationaltrainer Giovanni Trapattoni vor dem Mailänder Derby: „Ein psychologisch sehr schwieriges Match. Zuerst werden sie sie sich zurückhalten, dann nach und nach auftauen und uns Spektakel bieten.“ Darauf warteten 79.000 Zuschauer und knapp 700 Journalisten im Meazza-Stadion allerdings vergeblich: Aus dem Derby wurde kein großes Spiel. Vielleicht aber meinte Trapattoni, der Erfahrene – Trainer zuerst bei Milan und dann bei Inter – mit dem Spektakel ja gar nicht das Geschehen auf dem Spielfeld, sondern die Ereignisse nach dem Schlusspfiff. Da endlich betraten die Akteure aus der zweiten Reihe den Platz und spielten das Programm, das in Italien calcio parlato genannt wird: gesprochener Fußball. Den Ton gab, wie so oft, der Presidentissimo an, und für Einen, der soeben das zweite Derby der Saison gewonnen hatte, klang es ziemlich düster. „Ich leide, wenn ich Milan ohne ein gutes Spiel im Mittelfeld sehe“, sprach Silvio Berlusconi in einen Wald von Mikrofonen, und er verzog dazu das Gesicht, als habe ihm soeben jemand einen Hieb in die Magengrube versetzt. „Bis zum Champions-League-Spiel gegen Real Madrid spielten wir den spektakulärsten Fußball in Europa, jetzt sind die Spanier an uns vorbeigezogen. Nein, enttäuscht bin ich nicht, aber es tut mir weh.“ Weil italienische Sportreporter wissen, wie man nach einem eher müden Match ein packendes Melodram inszeniert, überbrachten sie die Worte des Chefs brühwarm Carlo Ancelotti und verhagelten dem Milan-Coach damit folgerichtig den Sieg. „Wir kennen unsere Straße sehr gut“, knurrte Ancelotti gereizt, und behauptete kühn: „Wir haben Inter wenig übrig gelassen und einfach nur Fußball gespielt.“ Und die verletzten „Meisterspieler“ Pirlo, Redondo und Seedorf, deren Ausfall Berlusconi beklagte? „Ich habe schon genug damit zu tun, eine Mannschaft aus den Spielern aufzustellen, die ich zur Verfügung habe, da möchte ich nicht auch noch an die denken müssen, die ohnehin nicht mitmachen können.“ Eins zu Null – für Ancelotti.“

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