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Rücktritt Wildmosers
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| Donnerstag, 25. März 2004„Ausgemosert“ (FAZ); Nachrufe, Würdigungen, Schmährufe – Karl Auer, der Nachfolger u.v.m.
Bärbeißig, selbstgefällig und beratungsresistent
Thomas Kilchenstein (FR 17.3.) begrüßt den „überfälligen“ Rücktritt: „Der Herbst des Patriarchen war just zu dem Zeitpunkt angebrochen, als sich erstmals in diesem Jahr die Biergärten füllten, nicht nur in München. Am Montag, ein paar Stunden vor der Aufsichtsratssitzung und der dann folgenden, längst überfälligen Demission, hat sich Karl-Heinz Wildmoser sen. noch einmal genauso bärbeißig, selbstgefällig und beratungsresistent gezeigt, wie man den Münchner Spezl-Wirtschafter, Geflügelbrater und Großgastronom glaubte zu kennen: Wenn mir einer blöd kommt, stehe ich auf und gehe, hat er da noch geblafft. Es war, wie wir inzwischen wissen, das letzte, fast bockige Aufbegehren eines gescheiterten Mannes. Dann tat er den einzig möglichen Schritt und legte sein Amt nieder beim TSV 1860 München. Vielleicht war das der letzte Gefallen, den der Pate von Giesing seinem Club hatte erweisen können: freiwillig zu gehen. Damit hat er den Sechzigern und dem Aufsichtsrat, in zwei Lager Pro- und Contra-Wildmoser gespalten, eine schmerzhafte Auseinandersetzung erspart. Tragbar war der 64-Jährige als Präsident ohnehin nicht mehr, da bekannt wurde, dass er in die Korruptionsaffäre um den Stadionneubau zumindest verstrickt war. Ein öffentliches Amt, auch ein Ehrenamt, erfordert ganz einfach gewisse Maßstäbe an Seriosität, Integrität und Transparenz. Doch Wildmoser, der Parvenü, gehörte zu der Spezies Führungskraft, die eigentlich als ausgestorben galt, bei der Korruption als Kavaliersdelikt behandelt wird, gute Freunde im Hintergrund einem in der Not weiterhelfen und ein dicker Bauch als Zeichen für Potenz gilt.“
Wildmoser war vieles, eine Marionette war er nie
Christian Zaschke (SZ 17.3.) sieht das ähnlich: „Freunde Wildmosers fürchten, dass der Verein nun unsichtbar wird. Zu entgegnen ist: Das ist allemal besser als das Bild, das der Verein zuletzt abgab. Das ist sogar besser als das Bild, welches der Verein während der vergangenen Jahre abgegeben hat. An vielen Stellen wird nun auf die Verdienste Wildmosers hingewiesen, darauf, dass es mit ihm auch gute und schöne Zeiten gab, doch in Wahrheit hat der Verein durch den faustischen Pakt mit dem Patriarchen so viel Seele verloren, dass zu fragen ist, ob der kleine Rest genügt, um sich zu regenerieren. Nötig ist nun der Aufbau einer neuen, einer eigenen Identität. Manchen im Verein ist dieses Problem bewusst. Deshalb besteht auf sportlicher Seite der Plan, eine Identität mittels des so genannten Jugendkonzepts zu entwickeln. 1860 soll der Verein sein, zu dem man als junger Spieler gerne geht, weil man seine Chance bekommt. Dieses Konzept ist gerade gefährdet, die Sechziger sind in höchster Abstiegsgefahr. Auf Seite der Vereinsführung wurde das Problem der Identität übersehen oder ignoriert. Unter tätiger Mithilfe des alten Präsidenten wurde als neuer erster Mann ein Gefolgsmann Wildmosers installiert. Man muss sich fragen, wofür der Präsident Karl Auer steht, und da es dafür erst einmal keine Antwort gibt, muss man nochmals fragen, und alles, was nach einigem Überlegen zusammenkommt, ist: Er steht für das System Wildmoser. Der alte Präsident hatte sich verabschiedet mit den Worten: „In so einem Amt bist du letztlich nur eine Marionette. Wildmoser war vieles, eine Marionette war er nie. Nun könnte er Recht haben mit seinem Satz. Zu beobachten ist, an wessen Fäden Karl Auer hängt, und ob er ein Interesse entwickelt, diese Fäden zu durchtrennen.“
Die SZ notiert einen herrlichen Euphemismus: „Das Verhältnis zwischen Ude und Wildmoser umschreibt ein Beteiligter als ¸nicht ganz herzlich, aber ¸gepflegt mitteleuropäisch.“
Roland Zorn (FAZ 17.3.) würdigt Wildmoser: „Der Querfeldeinlauf durch die Fernsehstudios, als Comeback-Tour gedacht, endete als Abschiedstournee. An deren letzter Station, im Blickpunkt Sport des Bayerischen Fernsehens, sah Karl-Heinz Wildmoser am Montag abend ganz müde, ganz erschöpft, ganz mitgenommen aus. Eine zwölf Jahre lange, gutsherrlich-derbe Präsidentschaft beim Bundesligaklub TSV München 1860 ging unter dem Gejohle krakeelender Fans an der Grünwalder Straße schroff zur Neige. Doch einen würdigen Abgang von der großen Showbühne Bundesliga hatte sich Wildmoser durch seine mögliche Verwicklung in den Schmiergeldskandal rund um die neue Münchner Allianz Arena vorher schon verscherzt. Ob ihn nun sein Sohn, der inzwischen zugegebenermaßen in die verhängnisvolle Affäre verwickelt ist, reingerissen hat oder nicht: der hemdsärmlige Großgastronom hatte nach Bekanntwerden dieser anrüchigen Münchner G’schichte keine Chance mehr, König der Löwen zu bleiben. Nun, da er grollend ging und böse Sätze hinterließ wie: Wenn man zwölf Jahre lang permanent beschimpft und dumm angemacht wird, geht einem das irgendwann auf den Geist, soll auch noch einmal an den guten alten Wildmoser erinnert werden. Der massige Bilderbuch-Oberbayer führte die auf biederes Bayernliga-Niveau abgerutschten Sechziger im Verein mit seinem früheren Männerfreund Werner Lorant binnen zwei Jahren zurück in die Beletage des deutschen Fußballs. Von da an baute der mal wie ein Patriarch, mal wie ein Despot herrschende, kämpferische Münchner seine Regentschaft immer mehr zu einem Teil der Wildmoserschen Familienunternehmen aus.“
Markus Schäflein (SZ 17.3.) schildert die Ambivalenz der Bedeutung Wildmosers für 1860 München: „Wildmoser war für die einen eine Galionsfigur, für die anderen das personifizierte Böse. Manche aber sahen ihn nüchtern. „Er hat Erfolg gebracht, aber er hat aus unserem Verein den TSV 1860 Wildmoser gemacht, so wie er sich aufgeführt hat, sagt Josef Gubik, Vorsitzender der Würmtal-Löwen Planegg. Karl-Heinz Wildmoser kam öfters zum Klubtreffen in die Gaststätte Heide Volm, um Kontakt zu den Anhängern aufzunehmen. „Er hat auch die Fans im Bayerischen Wald besucht. Das würde ein Beckenbauer nie machen, sagt Josef Gubik. „Aber wir in Planegg sind im Durchschnitt 50 Jahre alt, stehen mit beiden Beinen auf dem Boden und wissen: Mit Freibier ausgeben kann man keinen Verein führen. Er wollte sich seine Freunde kaufen. Ein absolutistisches Regime, in dem die Untertanen mit Freibier und Erfolg gefügig gemacht wurden – diese Politik soll der Vergangenheit angehören. „Auer wird die patriarchalen Strukturen umkrempeln, hat Aufsichtsrat Ralph Burkei nach der Sitzung den aufgebrachten Fans zugerufen. Viele zweifeln daran, aber ein gewisser Fritz hat ins Löwenforum geschrieben: „Auer hat eine faire Chance verdient, lassen wir ihn erst mal arbeiten! 1975, nach Francos Tod in Spanien, hat auch keiner dran geglaubt, dass der junge Juan Carlos ein echter Demokrat wird. Da keimt die Hoffnung, dass beim TSV 1860 alle wieder ihre Meinung einbringen dürfen, Fritz, Gubik, Beer; und der Kracher Herbert aus Altötting natürlich auch.“
Elisabeth Schlammerl (FAZ 17.3.) ergänzt: „Der Abgang von Wildmoser, dessen Führungsstil in den vergangenen zwölf Jahren stets umstritten war, der aber mit dem Verein auch den Aufstieg von der Bayernliga in die Bundesliga geschafft hatte, war ein unwürdiger. Wildmoser wurde richtiggehend vom Hof gejagt. Eine Gruppe von Löwen-Fans hatte sich schon am späten Nachmittag am Trainingsgelände versammelt und stimmte immer wieder Wildmoser raus-Rufe an. Als der Großgastronom um kurz nach halb zehn Uhr abends aus dem Geschäftsgebäude trat und seine Limousine bestieg, um ins Studio des Bayerischen Fernsehens zu fahren, sangen seine Gegner:So ein Tag, so wunderschön wie heute. Die Sicherheitskräfte mußten dem Auto von Wildmoser erst einen Weg durch die jubelnde Meute bahnen.“
SZ-Interview mit Uli Hoeneß
SZ: Herr Hoeneß, wie bewerten Sie den Präsidentenwechsel beim TSV 1860?
UH: Wir haben in den nächsten Tagen eine Gesellschafterversammlung der Stadion GmbH, und dann werden wir sehen, wer sich da präsentiert. Ich kenne den Herrn Auer nicht, aber ich werde ihm ohne Vorbehalte begegnen.
SZ: Obwohl er sich als Wildmoser-Getreuer zu erkennen gegeben hat?
UH: Ja, wir haben überhaupt kein Problem mit ihm. Wir haben nur ein Problem mit den Wildmosers, die mehr oder weniger in diese Sache verwickelt waren. Und das haben wir Sechzig ja auch klar gemacht, dass wir mit Wildmosers nicht mehr an einem Tisch gesessen hätten. Es hat da jetzt eine Bereinigung bei den Löwen stattgefunden, die der Sache nur gut tun kann. Durch die öffentlichen Auftritte des Herrn Wildmoser in den letzten Tagen war ja der Eindruck entstanden, als wär das alles nur ein Kavaliersdelikt gewesen und jeder, der sauber sei, sollte den ersten Stein werfen – den Stein haben wir dann geworfen. Weil wir sauber sind.
SZ: Wildmoser senior hat die Sorge geäußert, den Löwen würde nun vom FC Bayern etwas vom Stadionprojekt weggenommen. Ist die Sorge begründet?
UH: Man muss doch zunächst einmal sagen, dass er uns was weggenommen hat, dass sie uns etwas weggenommen haben – nämlich 2,8 Millionen Euro. Wenn ich in seiner Situation wäre, würde ich da keine Diskussionen mehr führen. Die Situation war doch hanebüchen, dass man zum Schluss noch das Gefühl hatte, dass Täter und Opfer verwechselt wurden. Und dass am Ende alles ein Kavaliersdelikt sei: ,Mei, is halt passiert, hohoho. Da lach ich mich tot! Tatsache ist: Wir waren bisher Partner, aber jetzt muss man eben mal sehen, was daraus wird. Wir haben unsere Vorschläge zur Geschäftsführer-Position gemacht, und ich meine, wir haben im Augenblick insgesamt 76 Millionen Euro (75 Millionen Darlehen, eine Million Stammkapital, d. Red.) in dem Projekt stecken, und Sechzig eben nur die eine Million Euro – da muss man nach diesen Vorgängen verstehen, dass wir unsere Vorstellungen in Zukunft natürlich etwas anders durchsetzen werden.
Allianz fürs Leben
Das Streiflicht (SZ 17.3.) beißt zu: „Wer über Fußball nachdenkt, dem fällt sofort Matthäus ein und sodann dessen unsterbliche Weisheit: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Genau, es gibt Dinge, die von Anbeginn der Schöpfung bis zum Jüngsten Tag zusammengehören. Erdbeeren und Schlagsahne zum Beispiel. Oder Tünnes und Schäl. Oder der alte Mann und das Meer. Unter Umständen sogar Mann und Frau. Und, was häufig vergessen wird: Fußball und Wurst. Das ist eine Allianz fürs Leben, und alle Versuche, zu kampfbetonten Schicksalsspielen Champagner und Kanapees zu reichen, als wäre man auf der Vernissage einer Batik-Künstlerin, sind Irrwege, auf denen kein Segen ruht – schon gar nicht der des Fußballgotts. Der will Kampf sehen, Kampf bis auf die Knochen. Männern, die in diesem Milieu wirken, darf es vor nichts grausen. Sie müssen gestählt sein, am besten von Berufs wegen. München ist da wieder mal führend: Karl-Heinz Wildmoser, Ex-Präsident des TSV 1860: gelernter Metzger. Kurt Sieber, Vizepräsident, soeben zurückgetreten: Metzger. Karl Auer, der neue Chef: Großmetzger. Uli Hoeneß, Manager des FC Bayern: Bratwurstfabrikant. Rudolf Houdek, Bayern-Sponsor: „Wurstbaron und Erfinder der „Kabanos, einer lang gestreckten Fleisch-Fett-Komposition. Es muss mit den Anfängen des Fußballs zusammenhängen, dass die Verbindung zum blutigen Handwerk des Metzgers nie abgerissen ist. Kürzlich haben britische Wissenschaftler einen Bestellschein entdeckt, mit dem König Heinrich VIII. im Jahr 1525 ein Paar „sotular for football, also Fußballschuhe, orderte. Offenbar kickte der Monarch bei den wüsten Lokalderbies mit, die Hunderte von vierschrötigen Kerlen auf morastigem Grund zwischen den Dörfern austrugen, ohne Fairness oder gar technische Finessen zu pflegen. Der englische Fußball hat sich davon nie erholt, aber das ist eine andere Geschichte. Das Spielgerät war seinerzeit eine luftgefüllte Schweinsblase, powered by the local butcher. Zuvor, so ergaben unsere Recherchen, hatte man es mit einer rundlichen Blutwurst und kurzzeitig mit einem Kalbskotelett versucht.“
Gerald Kleffmann (SZ 17.3.) porträtiert den Neuen, Karl Auer: „Als im Aufsichtsrat sein Name als möglicher Nachfolger von Karl-Heinz Wildmoser senior genannt wurde, der unter dem Druck der Bestechungsvorwürfe beim Bau der neuen Fußball-Arena zurückgetreten war, sei er regelrecht „zusammengezuckt. Erst nachdem ihn andere Aufsichtsratsmitglieder „aufgemuntert hätten, das Amt doch zu übernehmen, willigte er zögernd ein. Der gebürtige Münchner drängt sich nicht gerne in den Vordergrund. Trotz dieser zurückhaltenden Art hat es Karl Auer geschafft, erfolgreich ein Unternehmen aufzubauen. Im oberbayerischen Holzkirchen besitzt er eine Firma, die Wurst- und Fleischwaren vertreibt. In der Oberland GmbH, die ihm zu 68 Prozent gehört, beschäftigt er 50 Mitarbeiter. Sohn Christian, 33, arbeitet dort als Geschäftsführer, ihm gehören die restlichen 32 Prozent der Firma. In der Branche genießt Auer einen exzellenten Ruf als gewiefter Geschäftsmann, wobei sein introvertiertes Wesen offenbar nicht hinderlich ist. Im Gegenteil: Auer wird im Unternehmen als „ruhiger Pol bezeichnet. Aber auch als jemand, der entschlossen und bestimmend auftreten kann. So muss es sein, schließlich hat sich der gelernte Metzgermeister zielstrebig über die Jahre hinweg hochgearbeitet und in bester Selfmade-Manier einen kleinen Betrieb in eine mittelständische Firma verwandelt. Dass Auer die Oberland GmbH gekonnt durch die schwierige Zeit der BSE-Krise führte, zeugt von geschäftlichem Geschick.“