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Rudi Völlers Stil – Gudjohnsen, Islands bester Stürmer – Sicherheitsvorkehrungen in Istanbul vor dem Spiel Türkei gegen England – Irland, Nummer Zwei des britischen Fußball
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| Donnerstag, 25. März 2004Michael Horeni (FAZ 11.10.) schreibt über Rudi Völlers Führungsstil: „Den großen Wurf vor dieser Partie zu erwarten, wäre übertrieben gewesen. Völler hat ihn in über drei Jahren nicht präsentiert. Völler denkt und handelt rein ergebnisorientiert. Er bessert Fehler aus, pragmatisch, aus dem Bauch heraus. Es wird nie eine feste taktische Voraussetzung geben, sagt er. In 14 Spielen nach der WM hat er achtmal mit einer Dreierkette und sechsmal mit vier Verteidigern auf einer Linie spielen lassen – zuletzt beim 2:1 gegen Schottland war er erfolgreich mit einer Dreierkette. Das heißt aber nicht, daß wir jetzt wieder so spielen, sagt Völler vor dem Spiel gegen Island. Ein eigenes System durchzuhalten, egal gegen welche Mannschaft, fällt Völler nicht ein. Unlängst hat der derzeit verletzte Jens Jeremies im Spiegel gemurrt, daß es nicht schlecht wäre, zumindest mal ein System zu finden. Diesmal sollen die Deutschen im Mittelfeld Überzahl schaffen, über die Außenpositionen spielen und so oft in den Strafraum kommen wie möglich. Ist doch logisch, sagt Völler. Solche Dinge sagt er oft. Aber wie es gemacht werden soll? Das sagt er nie. Wichtiger als Training und Taktik ist für den Teamchef die Einstellung. Die Spieler müssen wissen, was auf dem Spiel steht, sagt Völler. So wie gegen Schottland. Da hätten sie die Aufgabe bravourös gelöst. Mit diesen Vorgaben soll nun auch der Schlußpunkt glücken. Aber wie der Fußball bei der EM 2004 oder bei der WM 2006 aussehen soll, darüber nur ein Wort zu verlieren, hält er für unsinnig. Visionen sind für den Teamchef eher Krankheitsbilder.Immer wieder sind gesellschaftspolitische Parallelen zwischen dem Fußball und der Politik, zwischen Bundestrainern und Bundeskanzlern gezogen worden. Wenn es aktuell eine geben sollte bei Völler und Schröder, dann wäre es der erkennbare Widerwille für weitreichende Handlungsbegründungen in einer Zeit, die dringend nach Reformen verlangt. Doch wie kein anderer seiner Vorgänger hat der Anti-Theoretiker Völler auf dem Weg zur EM und WM die Nationalmannschaft umgekrempelt.“
Philipp Selldorf (SZ 11.10.) warnt: „Als Rudi Völler vor sechs Wochen in Reykjavik vor dem ersten EM-Qualifikationsspiel gegen Island von den Wundertaten des gegnerischen Stürmers Eidur Smari Gudjohnsen erzählte, dachten viele, er wolle im Land der Trolle und Zauberer ein weiteres Märchen verkünden. Selbst seine Spieler hielten es für übertrieben, dass Völler vor Gudjohnsen wie vor einer Ladung Dynamit auf der brennenden Postkutsche warnte. Doch nach ihrer Begegnung mit dem beim FC Chelsea in Englands Premier League engagierten Stürmer wissen sie es besser, und das Publikum wird es vielleicht auch noch erfahren: Deutschlands Nationalelf muss ihre Führung in Gruppe 5 vor allem gegen den Angreifer Gudjohnsen verteidigen, der auf den ersten Blick wie ein Kicker aus der Stammtischmannschaft wirken mag, aber eine Balltechnik beherrscht, auf die fast alle Bundesligastürmer neidisch sein müssten. Die übrigen Teilnehmer auf der Gegenseite bilden sich hingegen aus guten, passablen und weniger brauchbaren Komparsen, über die man keine langen Geschichten erzählen muss. Diese Ansicht jedenfalls hat sich durchgesetzt im Nationalteam, weshalb zum Beispiel der Mittelfeldspieler Bernd Schneider folgende Strategie entwickelt hat: „Da muss der Christian Wörns am Anfang mal richtig hinlangen und dem gleich den Spaß verderben.““
FR-Interview mit Christian Wörns
Rainer Hermann (FAZ 11.10.) berichtet die Sicherheitsvorkehrungen in Istanbul: „Nicht wenige Engländer haben Karten auf dem Schwarzmarkt erstanden. Die türkische und die englische Polizei wollen aber dafür sorgen, daß sie am Samstag nicht einmal in die Nähe des Stadions gelangen. In einem ersten Schritt ist allen Engländern, die zu dem Spiel angereist sind, auf den Flughäfen der Türkei die Einreise verwehrt worden, wenn sie als Schlachtenbummler zu erkennen waren. In einem zweiten Schritt mußten seit Montag die türkischen Hotels der Polizei die Listen mit den Namen ihrer englischen Gäste vorlegen. Die Verdächtigen unter ihnen hat die englische Polizei seit Mittwoch kontrolliert. Wer dennoch als Hooligan unerkannt durchgekommen sein sollte, der müßte am Samstag drei Sicherheitsringe um das Stadion passieren, um auf die Tribüne zu gelangen. Zuletzt wird die Polizei am Stadioneingang noch die Personalausweise der Zuschauer kontrollieren. Sie wird nur türkische Staatsangehörige passieren lassen. Für diejenigen, die es so weit gebracht haben, sind die Sicherheitsvorkehrungen schärfer als bei Spielen der türkischen ersten Liga. Gegen England darf nichts in den Hosentaschen sein. Konfisziert wird alles, was als Wurfgeschoß benutzt werden könnte: Kleingeld, Mobilfunkgeräte, Feuerzeuge und Flaschen, selbst die türkischen Flaggen mit Stern und Halbmond. Abgewiesen wird, wer Alkohol im Blut hat. Der müßte weit weg konsumiert worden sein. Denn im Stadtteil Kadiköy, in dem das Stadion liegt, darf am Samstag kein Alkohol verkauft werden. Die übergroße Vorsicht ist berechtigt. Zum einen entscheidet das Spiel über die direkte EM-Qualifikation, zum anderen hatte es in der Vergangenheit bei Spielen zwischen Vereinen der beiden Länder immer wieder Ausschreitungen gegeben. Dabei waren vor dem UEFA-Cup-Halbfinalspiel zwischen Galatasaray Istanbul und Leeds United im April 2000 zwei englische Schlachtenbummler erstochen worden. Im Endspiel in Kopenhagen sechs Wochen später standen sich Galatasaray und Arsenal London gegenüber, und die Fans beider Klubs führten Straßenschlachten mit äußerster Brutalität. Vier Schwerverletzte und 42 Festnahmen waren das Ergebnis, obwohl ein Fünftel aller dänischen Polizisten für Sicherheit hätte sorgen sollen. Daran hatten sich die englischen Hooligans erinnert, als sie im Hinspiel im Londoner Wembley-Stadion der türkischen Mannschaft einen wenig britischen Empfang bereitet hatten.“
Die NZZ (11.10.) befasst sich mit Irland, dem Schweizer Gegner: „Ein Jahr nach dem Trainerwechsel von Mick McCarthy zu Brian Kerr können sich die Iren am Samstag zumindest für die Barrage qualifizieren. Die wiedergewonnene Zuversicht hat einen statistischen Hintergrund: Seit zehn Spielen sind die Iren ungeschlagen. Die Equipe von Kerr ist in Basel nicht allein. Rund 6000 Fans sind ihr in die Schweiz gefolgt. Doch die Supporter haben ein Problem. Weil das irische Ticket-Kontingent auf 3500 Karten beschränkt war, führt der Weg in den St.-Jakob-Park für viele über den Schwarzmarkt. Angst vor Ausschreitungen ist aber nicht angebracht. Die „Green Army“ bewegt sich auf friedlichen Pfaden: „We‘re here to have a good time“ könnte ihr Slogan heissen. Wer nicht ins Stadion kommt, geht ins nächste Pub. Auf die Basler Gastronomie wartet ein ertragreicher Abend. – Ein wesentlich aggressiveres Auftreten als von den Fans ist von der Mannschaft zu erwarten. Mit ihrem kämpferischen, unnachgiebigen Stil haben sich die Iren in den letzten 15 Jahren einen Platz in der Noblesse des europäischen Fussballs erobert. Ihre Art zu spielen entspricht der Leidensgeschichte ihrer (von den Engländern) unterjochten und vertriebenen Vorfahren ziemlich exakt. „Wir wissen, was es heisst, um unsere Existenz zu kämpfen“, sagt Kerr mit einem Augenzwinkern. Seit 1988 – als sie sich unter Jacky Charlton erstmals für die EM qualifizierten – sind die Männer von der Grünen Insel an grossen Turnieren gern gesehene Gäste. Sie haben Schottland als zweite Macht des britisch geprägten Fussballs abgelöst. Zurückhaltung und Grazilität ist vom Schweizer Gegner nicht zu erwarten. Doch auch die bedingungslose Flucht nach vorne entspräche nicht der idealen Taktik.“
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