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Saisonvorbereitung in Leverkusen, München – Trainerentlassung in Kaiserslautern – europäische Finanzkrise und andere Themen
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| Donnerstag, 25. März 2004
Zur Saisonvorbereitung der Bundesliga meint Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 24.7.). „Die Krisenmeldungen kommen aus jenen Regionen, wo am Ende der Spielzeit die Enttäuschten ins Ziel kamen. Vom 1. FC Kaiserslautern etwa, der, lange auf Champions-League-Kurs liegend, nur einen UI-Cup-Platz erreichte. Vom Hamburger SV, der nah dran war, in akute Abstiegsgefahr verwickelt zu werden. Der Rauswurf von Reinhard Stumpf ist wohl in erster Linie als Vergangenheitsbewältigung zu begreifen. Beim HSV ist die Zerreißprobe zwischen dem Vorsitzenden Werner Hackmann und dem Aufsichtsvorderen Udo Bandow nur vertagt. Mit einem neuen Sportdirektor für den im Januar 2003 scheidenden Holger Hieronymus soll alles besser werden. Hackmann aber fühlt sich übergangen. Erst bei der Entscheidung kontra Hieronymus, jetzt bei der Kontaktaufnahme mit Dietmar Beiersdorfer. Und die Bayern, seit Jahren der Musterbetrieb der Liga? Wieder haben sie ihre Floßgaudi mit Musi auf der Isar gehabt, aber der übliche bayerische Mir-san-mir-Frohsinn will nicht aufkommen. Ohne den nationalen Meistertitel im Rücken reicht es gerade mal zum Hohlkreuz.“
Die Entlassung von Kaiserslauterns Trainer Stumpf kommentiert Elke Rutschmann (SZ 24.7.). „Jetzt soll Brehme als Solist die verlorene Einigkeit wiederherstellen. Ob der eher introvertierte Weltmeister dafür der Richtige ist? Seine Ausdrucksweise hat ihm manchmal Gelächter bei seiner Belegschaft eingetragen (…) Trotz seiner Quasi-Beförderung zum alleinigen Chef muss der 41-Jährige um den Rückhalt bangen. Es ist seine letzte Chance. Falls Lautern am Samstag im UI-Cup gegen Teplice scheitern sollte, könnten ganz schnell wieder die Namen Daum, Röber, Pagelsdorf oder Kunz als Nachfolger ins Gespräch kommen. Brehme weiß, dass er seinen Arbeitsplatz auch dem Umstand verdankt, dass der FCK im vergangenen Herbst seinen Vertrag bis 2004 verlängert hat und nach der Kirch-Krise in massiven finanziellen Problemen steckt.“
Zur europäischen Finanzkrise schreibt Thomas Klemm (FAS 21.7.). „Viele Klubs sind dazu übergegangen, in bislang weniger beachteten Ländern nach guten und günstigen Spielern zu suchen. Weil die Weltmeisterschaft keine außergewöhnlichen Stars hervorgebracht habe, behauptete Alex Fynn, würden die Vereine nun auch nach Südkorea oder Senegal blicken. „Die Preise für diese Spieler sind das Glücksspiel wert“, sagte der englische Berater. Nur Italien mag diesen Trend nicht mitmachen. Weil den Südeuropäern die sportliche Krise nicht minder große Sorgen bereitet wie die wirtschaftliche, beschlossen sie am Donnerstag, von der kommenden Saison an nur noch einen Nicht-EU-Ausländer pro Klub zu erlauben. Schon 1966, als der dortige Fußball darniederlag, hat man den einheimischen Markt für Ausländer geschlossen – bis die Squadra Azzura 1982 Weltmeister wurde. Ein Schritt zurück nach vorne – darauf wird man sich wohl in ganz Europa einstellen müssen.“
Über die Saisonvorbereitung Bayer Leverkusens heißt es bei Uwe Marx (FAS 21.7.). „Es gab einige, die den Verein verließen, als sie für unverzichtbar gehalten wurden: Wörns, Emerson, Jorginho, Sergio, zuletzt Robert Kovac. Der kroatische Verteidiger ging vor einem Jahr den Weg, den nun Ballack und Zé Roberto gegangen sind. Die Bayern überwiesen 16,7 Millionen Mark nach Leverkusen und wähnten den besten Manndecker der Bundesliga in ihren Reihen. Am Ende schnitt Bayer trotzdem in allen Wettbewerben besser ab. Die jüngsten Transfers wären bei aller Zurückhaltung dazu angetan, die Phantasie der Verantwortlichen zu beflügeln. Kein Ligakonkurrent gab mehr Geld aus als Bayer Leverkusen (…) Zusätzlich gönnt sich der nach außen bescheidene Meisterschaftszweite eine Verjüngung de luxe. Mit Bierofka, Balitsch und Preuß ergänzen drei der begehrtesten deutschen Talente Toppmöllers Kader; Bierofka ist bereits Nationalspieler, die beiden anderen sollen es bald werden.“
Dario Venutti (NZZaS 21.7.) über die Arbeitsweise eines schweizerischen Spielervermittlers. „Nicolas Geiger hat sich von Anfang an auf afrikanische Spieler spezialisiert. Er ist überzeugt, dass sich Schwarze im Fußball auf lange Sicht ebenso durchsetzen werden wie im nordamerikanischen Basketball. Die athletische Überlegenheit der Schwarzen sei naturgegeben, dagegen könne man nichts machen (…) Geigers Projektionen entsprechen einer bei Europäern verbreiteten Sicht von Afrika und dem afrikanischen Fußball. Seit der Kolonialzeit werden Afrikaner als minderwertig betrachtet, einsetzbar in physisch anstrengenden Arbeiten. Diese Optik hat sich nicht grundlegend verändert und zeigt sich nun im Fußball respektive in den Afrikanern zugeschriebenen Fähigkeiten. Laut Geiger sind es die Lebensumstände in Afrika, welche die Fußballer besonders qualifizierten: Afrikaner würden sich besser ernähren (sic!), sie würden statt mit dem Auto zu Fuß gehen und schwerere Lasten tragen.“
Philipp Selldorf (SZ 24.7.) bemerkt zum Engagements des Telekom an der Säbener Straße. „Vor kargen Zeiten braucht sich niemand zu fürchten. Als sich der Klub gestern an der Seite des neuen Hauptsponsors, der Deutschen Telekom, in seiner mit Teppich gefütterten Turnhalle vor wenigstens 200 geladenen Beobachtern präsentierte, wirkte er gesund und kraftvoll wie eh und je, zumal da mit Yello Strom ein weiterer sogenannter Premium Partner zum Rekordmeister gefunden hat. Rezession in Deutschland, aber auf der Sponsorentafel der Münchner wird’s eng (…) Dass Begriffe wie „mobile Endgeräte“ bei der Berichterstattung über ihren Klub auftauchen, daran werden sich die Bayern-Fans gewöhnen müssen. Dafür sind sie künftig in der Lage, per Internet in ihrem Handy ein Trikot zu bestellen, das „besten Feuchtigkeitstransport“ garantiert.“
Joachim Mölter (FAZ 24.7.) zum selben Thema. „Es hat den Anschein, als mutiere der ansonsten so selbstbewusste FC Bayern gerade zu einem Telekom-Team. Die offizielle Saisoneröffnung erweckte jedenfalls den Eindruck, dass das Kommunikationsunternehmen den Fußballverein als PR-Agentur missversteht. Als ob es nicht genug gewesen wäre, dass allüberall auf dem Klubgelände nun unübersehbar ein magentafarbenes T prangt, mussten die Fußball-Leute am Dienstag auch eifrig für die neuesten Errungenschaften der Telekommunikationstechnik werben, die künftig offensichtlich alle beim FC Bayern ausprobiert werden und die Fans zum Geldausgeben verleiten sollen. Bei dieser Präsentationsveranstaltung war der Sport nur von nachrangiger Bedeutung.“
Philipp Selldorf (SZ 20.7.) noch mal. „120 Millionen Euro zahlt Telekom dem Klub bis zum Jahre 2008, und es bleibt ein spannender Prozess, wie die Symbiose von Großunternehmen und Fußballmacht vonstatten geht. Im Sponsoring habe man „einen Standard gesetzt, den kein zweiter Verein in der Welt setzen konnte – auch nicht Real Madrid“, sagt Rummenigge. Doch nun hat Telekom-Boss Ron Sommer abgedankt, von dessen Charisma auch die Bayern so schwärmten, und dessen rechte Hand, PR-Chef Jürgen Kindervater, steht ebenso vor der Ablösung. Kindervater gilt als Schöpfer der Verbindung; über sein Motiv gehen die Hörensagenerzählungen auseinander. Es heißt, er habe Zugang zur Münchner Gesellschaft gesucht; andere mutmaßen, er habe durch die Hochzeit mit Edmund Stoibers Bayern präventiv Lobbyismus für den Regierungswechsel betreiben wollen. Kindervater selbst ließ wissen, er habe “Bekanntheitsgrad und Image” der Telekom im Blick.“
Michael Reinsch (FAZ 20.7.) über den Mythos Tour. „Wer der Veranstaltung Kommerzialisierung vorwirft, hat sie nicht verstanden. Sieben Jahre nach den Olympischen Spielen der Neuzeit entstanden, ist die Tour de France Prototyp des modernen Sports. Neben Nationalflaggen schwenken die Fans die Zeichen von Unternehmen, etwa das magentafarbene T der Deutschen Telekom. Anders als die Olympischen Spiele entschied sich die Tour für Professionalismus und gegen Amateursport; für hohe Siegprämien anstelle von Medaillen und rhetorischen Lorbeerkränzen. So wichtig die Finanzen sind bei der Tour – es hilft doch sehr, die Tour als Radrennen und Sommerfest genießen zu können, wenn man an Wunder glaubt. Seit fast einem Jahrhundert produziert sie so die tollsten Geschichten. Das lieben die Fans; Geschichte und Legende sind ein bedeutender Teil der Tour. Anderes aber wollen die Zuschauer nicht so genau wissen.“
Zum fünften Weltmeistertitel Michael Schumachers bemerkt René Hofmann (SZ 22.7.). „Schumacher hat es geschafft, immer um Siege mitfahren zu können. Zu einem großen Teil hat er bei Ferrari selbst dafür gesorgt, dass ein homogenes Team wuchs. Konsequenter als jeder andere vor ihm hat er seinen Körper fürs Rennfahren trainiert. Er hat dem Spektakel einen Aspekt gebracht, den es vorher kaum kannte: die körperliche Fitness. Konsequenter als jeder andere hat er sich seinen Nummer-eins-Status in die Verträge schreiben lassen, und konsequenter als jeder andere jagt er den Triumph. Im Rennen um den Titel fuhr er seinen Konkurrenten Damon Hill und Jacques Villeneuve einst in die Autos, im vergangenen und in diesem Jahr nahm er die Hilfe seines Teamkollegen Rubens Barrichello bereitwillig an. Auch in dieser Disziplin hat Schumacher der Formel 1 eine neue Dimension gebracht. Als großer Sportsmann wird er deshalb nie gelten können. Als großer Rennfahrer schon.“
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