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Sanierungskonzept des 1. FC Kaiserslautern

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Sanierungskonzept des 1. FC Kaiserslautern

Zu dem zwischen Land, Stadt, Banken und Verein vereinbarten Sanierungskonzept des 1. FC Kaiserslautern bemerkt Michael Ashelm (FAZ 28.2.). „Klappt also bei allen Schwierigkeiten doch noch das unmöglich Erscheinende, werden sich die Protagonisten jubelnd in den Armen liegen. Ein Pyrrhussieg: Denn am Ende sind wieder irgendwo Millionen Euro an Steuergeldern für den Erhalt einer fehlgeleiteten Unternehmung verpraßt worden, was Politiker vor einigen Wochen noch so vehement ausgeschlossen hatten. Der Fall Kaiserslautern bleibt auch jetzt ein trauriges Kapitel.“

„Cottbus’ Trainer Eduard Geyer gönnt seinen Spielern mehr Freiheit und hat damit unerwarteten Erfolg“, schreibt Christian Ewers (FTD 28.2.). „Am Samstag gastiert der Tabellenführer in Cottbus – für den ärmsten Verein der ersten Bundesliga ist es das Spiel des Jahres. Das Stadion wurde eigens um eine zusätzliche Stehtribüne erweitert; jetzt finden mehr als 18.000 Zuschauer Platz. Krein sagt: „Hauptsache, es wird ein schönes Spiel für die Fans. Wir müssen gegen den FC Bayern nicht gewinnen. Ich hoffe nur, dass wir weiterhin das spielen, was wir auch können.“ Darin hatte das große Problem der Hinrunde bestanden. Die Mannschaft wusste nicht, wie sie spielen sollte. Die Ratlosigkeit begann schon in der Abwehr, bei den Manndeckern: Wohin bloß mit dem Ball? Meist wurde er aus purer Angst vor einem Gegentor nach vorn gedroschen – eine Idee vom Spiel, ein geordneter Aufbau war selten zu erkennen gewesen. So konfus sich die Situation auf dem Rasen darstellte, so wirr war sie auch auf der Ersatzbank. Zwischenzeitlich standen 32 Spieler im Kader. Der Frust der Reservisten war groß; es wurden Intrigen gesponnen und Cliquen gebildet. Erst in der Winterpause räumte Manager Klaus Stabach auf und trennte sich von sieben Spielern. „Es war höchste Zeit für einen Reinigungsprozess gewesen“, sagt Stabach. „Heute gibt uns der Erfolg Recht: Wenn man die Leistung eines Teams steigern will, muss man Erbhöfe auflösen. Ein bisschen Anarchie tut gut“, sagt der Manager. Tatsächlich ist die neue Freiheit der von Trainer Eduard Geyer mitunter autoritär geführten Mannschaft gut bekommen. Das Machtvakuum füllte sich schnell. Junge Spieler wie Silvio Schröter und Timo Rost übernahmen Verantwortung; Reservisten wie der US-Amerikaner Gregg Berhalter und Torwart André Lenz wurden zu Leistungsträgern. Vor allem André Lenz machte binnen weniger Wochen eine erstaunliche Entwicklung durch. Er stieg zum Kapitän auf und ist der neue Wortführer der Mannschaft. Sein Wort hat großes Gewicht – auch beim Trainer.“

Markus Schäflein (SZ 26.2.) schreibt über die Geldstrafe für Michael Ballack. „Ottmar Hitzfeld stand in den Strahlen der ersten Frühlingssonne, blickte auf den Rasen und fixierte den Ball. Es schien, als wolle sich der Trainer überzeugen, ob das Spielgerät noch rund sei. Schließlich hat sich in seiner Wahrnehmung vieles im Fußballgeschäft verändert, und das meiste davon gefällt ihm nicht. „Es ist anscheinend Mode geworden, dass die Spieler öffentlich jammern“, jammerte der Trainer unlängst. So gesehen lag Michael Ballack voll im Trend, als er sich nach dem Spiel gegen Nürnberg über seine defensive Rolle beim FC Bayern beklagte. „Man kann natürlich nicht dulden, dass Spieler öffentlich eine Position fordern“, sagte Hitzfeld nach dem Training am Dienstag, „und deswegen hat Ballack auch eine Strafe zu bezahlen, die höher ist als die von Pizarro.“ Es ist mittlerweile schwer, in der Geldstrafen-Historie des FC Bayern den Überblick zu behalten. Denn Hitzfeld hat auf den Trend zum Jammern mit dem Trend zur Geldstrafe reagiert. Zur Erinnerung: Während des Trainingslagers im Winter hatte Stürmer Claudio Pizarro in einem Interview die Taktik kritisiert und einen Stammplatz gefordert. Das kostete ihn 10.000 Euro. Ballack muss jetzt für ein eher leichtes Vergehen mehr bezahlen, schätzungsweise rund 20.000 Euro. „Ich möchte nämlich nicht berechenbar sein. Sonst weiß jeder vorher schon, welchen Betrag man bezahlen muss, wenn man Kritik übt“, sagt Hitzfeld. Man stelle sich vor: Ein Bayern-Profi sitzt in der Küche, berechnet sein Haushaltsgeld und überlegt, ob es für ein kritisches Interview reicht, wenn er diesen Monat mal bei Aldi einkauft.“

Zur Situation in Wolfsburg liest man von Jörg Marwedel (SZ 26.2.). „ausgerechnet in jener Phase, da der VfL zum Sprung in internationale Sphären ansetzen wollte und einen Fußballlehrer entsprechender Reputation sucht, geben die Wolfsburger nicht nur auf dem Rasen ein Bild ab, das so gar nicht zu den Ambitionen des Klubs passt, den Volkswagen zum europäischen Werbeträger ausbauen will. Zuletzt hat der zunehmend heftig in die Kritik geratene Trainer Wolf dem Vorstand „amateurhaftes Verhalten“ vorgeworfen. Der Aufsichtsrats-Vize Wolfgang Heitmann sorgte sich wiederum, die desolaten Auftritte des Teams könnten „zehn Jahre Aufbauarbeit vernichten“. Und weil diese und andere Scharmützel offen auf dem Marktplatz ausgetragen werden, ist vor allem ein Mann fas-sungslos: Kurt Rippholz, 49. Bis vor kurzem war der Diplom-Volkswirt Leiter der Konzernkommunikation bei VW und es gewohnt, das öffentliche Bild des Unternehmens mit offiziellen Verlautbarungen zu steuern. Interna und Personaldebatten drangen kaum nach draußen. Jetzt ist er Pressechef beim VfL und lernt gerade, dass die Uhren im Fußballgeschäft ganz anders ticken. Einem Don Quichotte gleich müht sich Rippholz etwa, Spekulationen über eine vorzeitige Demission des Trainers Wolf zu ersticken oder internen Zwist per Pressedekret für nicht existent zu erklären. Wie unlängst jene handfeste Auseinandersetzung zwischen dem inzwischen abgesetzten Kapitän Miroslav Karhan und dessen Nachfolger Stefan Effenberg. Doch leider fand auch dieses Duell nicht hinter verschlossenen Türen statt, sondern auf dem Trainingsplatz. Dort lässt sich nicht verheimlichen, was die Fans im Stadion ohnehin sehen können – dass der Teamgeist nachhaltig gestört ist. Der Frust unter den VfL-Profis zeigte sich nicht nur in der schwachen Punkteausbeute, sondern zuletzt auch in vier Platzverweisen binnen einer Woche – Rekord in 40 Jahren Bundesliga. Man landet auch bei jenem Mann, der den Aufbruch ins gehobene Fußball-Showbiz anführen sollte – eben Effenberg, 34. Statt sich hinter dem machtbewussten Anführer zu scharen, hat sich das Team inzwischen in mindestens zwei Lager gespalten – in Effenberg-Jünger wie Stefan Schnoor und in Karhan- Anhänger wie Dorinel Munteanu. Seitdem der einstige Bayern-Star nach gutem Start auf dem Rasen rapide nachlässt, wächst der heimliche Groll auf den Chef des „Aquariums“, wie ein Spötter die ziemlich stumme Ansammlung der VfL-Profis nennt. Plötzlich werden Effenbergs diverse Sonderrechte zum Thema – sein Schuhvertrag mit adidas, seine Tätigkeit als Kommentator der Champions League bei RTL, sein längerer Winterurlaub oder die Heimfahrten von Auswärtsspielen im Privat-Pkw mit Freundin Claudia Strunz.“

Moritz Küpper (FR 27.2.) vermeldet die Insolvenz von Fortuna Köln. „Noch wichtiger als die Geschichte ist aber der soziale Auftrag des Vereins. Über 500 Jugendliche aus 28 Nationen spielen bei Fortuna Köln. Der Verein hat damit die größte Jugendabteilung in Deutschland. Es ist wichtig, dass die Jungs dreimal in der Woche von der Straße kommen, sagt Vorstandssprecher Johannes Böhne. Die Umgebung um den Verein gilt als sozialer Brennpunkt. Mit dem Untergang des Vereins wäre auch die Zukunft der Fortuna-Jugend ungewiss. Mit dem Abstieg aus der zweiten Liga 2001 begannen die Probleme. Dabei hatte Fortuna vorher noch groß rauskommen wollen. Die damalige Führungsmannschaft um Trainer Toni Schumacher wollte Fortuna in die Bundesliga führen. Die Ursachen für die heutige Krise kommen noch aus dieser Zeit, sagt Krapp, damals ist viel kaputt gemacht worden. Das sah schließlich auch Fortunas Mäzen Jean Löring ein und schmiss Schumacher medienwirksam in der Halbzeit eines Zweitligaspiels raus. Kurze Zeit später war auch für Löring nach 35 Jahren Fortuna Köln Schluss. Nach dem Abstieg und dem ersten Insolvenzverfahren konnte er die finanziellen Verluste von minge Vereinche nicht mehr auffangen. Er zog sich in die Eifel zurück, hängt aber noch immer an der Fortuna. Löring lässt sich detailliert von den Spielen berichten, berichtet Böhne. Selbst greift er aber nicht ein. Und so erfuhr der ehemalige Mäzen auch nur per Telefon von den Aktionen, die sein Verein nun zur Rettung ergriffen hat. 360.000 Euro müssen aufgebracht werden, um den Spielbetrieb bis zum Saisonende zu garantieren. Die Fortuna-Verantwortlichen haben deswegen mit Fans und Freunden des Vereins einen Spendenmarathon ins Leben gerufen. Zahlreiche Aktionen sollen das nötige Geld zusammenbringen: Neben Benefizkonzerten, einem Golfturnier und Talkrunden gibt es auch zahlreiche Sammelaktionen. Ein Frisör führt von jedem Haarschnitt zwei Euro an den Club ab. Ein Teilziel ist erreicht, der erste Stichtag, Karnevalsfreitag, kann um einen Monat verschoben werden, wenn Fortuna bis dahin 60.000 Euro auf das Konto des Insolvenzverwalters überweist.“

Christian Eichler (FAZ 26.2.) verfolgt die Gewaltdiskussion in Italien. „Neu ist vor allem, daß die Schuldigen nicht mehr allein im Block der maskierten Schläger gesucht werden. Clarence Seedorf, der vor dem Spielabbruch zwei Tore für Mailand schoß, macht Spieler, Funktionäre, vor allem aber die Polemik der Sportpresse mitverantwortlich für die Brutalisierung. Der Niederländer sieht einen Zusammenhang der radikalen Veränderungen von Fans und Medien: Wenn ein Blatt früher glaubhaft war, besteht es heute zu 90 Prozent aus Lügen. Die ganze Woche lese man nur von Streit und Verschwörungen, ein endloses Anheizen von Kontroversen, und das setzt sich ins Stadion fort. Wahrscheinlich bezahlen wir für unsere Sünden, räumt Liga-Präsident Adriano Galliani ein. Er meint vor allem die wochenlangen, bitterbösen Auseinandersetzungen über Elfmeter oder angebliche Benachteiligungen, die zum Haß in den Stadien beitrügen. Selbstkritisch zeigt sich auch Attilio Romero, der Präsident des AC Turin, und beklagt den Kult der Verschwörungen. Eine typische Verschwörungstheorie hatte kurz vor Weihnachten Enrico Preziosi, der Präsident des Tabellenletzten Como, entwickelt, als er Schiedsrichter als mafiose Bande hinstellte. Anschließend verwüsteten Como-Fans das Stadion nach einem Elfmeter für Udine. Neben dem finanziellen Ruin droht Italiens Fußball ein Totentanz der Gewalt – besonders dort, wo den Geldproblemen der finanzielle Abstieg folgt. In den unteren Ligen ist die Eskalation weit fortgeschritten. Anfang Dezember wurde der Kapitän des Zweitligaklubs SSC Neapel, Francesco Baldini, in seinem Auto attackiert. Im Januar lief ein Anhänger Cagliaris aufs Feld und verletzte den Torwart von AC Messina, Emanuele Manitta. Im Spitzenspiel der Serie B letztes Wochenende zwischen Ancona und Vicenza wurde ein Sprengkörper, dessen Bauanleitung, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete, im Internet von Ultras verbreitet wurde, aufs Spielfeld geschleudert. Zwei Spieler und ein Linienrichter blieben nur unverletzt, weil sie sich rechtzeitig zu Boden warfen. Die Zahl der verletzten Zuschauer (bisher 214) und Polizisten (562) in Serie A und B hat sich gegenüber der letzten Saison verdoppelt und verdreifacht. Auch in Amateur- und Jugendligen werden mitunter Hunderte Partien wegen Gewalt auf Spielfeld und Rängen abgesagt oder abgebrochen. All das klingt nach Berichten von einem Bürgerkrieg – einem, der nur in Italien stattfindet. Der Rest Europas hat spätestens seit der glimpflichen EM 2000 das Interesse an den Hooligans verloren, die nur noch als beherrschbare Aufgabe der polizeilichen Überwachung gelten. In Italien aber sitzt das Problem offenbar tiefer: Es kommt nicht aus der sozialen Schmuddelecke des Fußballs, sondern aus der satten Mitte einer Gesellschaft, die den Sieg vergöttert und das Spiel vergißt.“

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