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Aktive Fans, engagierte Nervensägen
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| Donnerstag, 25. März 2004Christoph Biermann (taz) über aktive Fans, engagierte Nervensägen – Spiegel-Recherche über den TV-Plan der DFL – Milton Tembo (SSV Ulm) ist HIV-positiv (FR) – „Winfried Schäfer ist in Kamerun ein Gott“ (SZ) –„auf vieles waren die Portugiesen vorbereitet, nur nicht auf ihre Landsleute“ (FAZ) – Fußball zieht Sponsoren an – der Niedergang des VfB Leipzig
Alles wird immer schlechter
Sehr lesenswert! Christoph Biermann (taz 5.2.), nur leicht genervt, muss sie lieb haben, die Fußball-Fans: „Nein, ich mag meinen Punkrock nicht! Zweieinhalb Jahrzehnte nach seinem Urknall lässt er aus seinen Hörern nur noch alte Männer werden. (Und alte Frauen.) Die Dreifaltigkeit aus Fußball, Bier und Punk macht leider auch nicht selig, sondern dick. Und Podiumsdiskussionen haben eine narkotisierende Wirkung auf mich, wenn Leute aufstehen und sagen: Ich find das echt interessant, wie ihr hier mit dem Thema umgeht, aber … So stand ich irgendwann etwas benommen vor einer Gedenktafel im Salvador-Allende-Haus in Oer-Erkenschwick und fragte mich, warum dem Namensgeber so viele Rechtschreibfehler zugemutet wurden. Doch im Grunde war es ein schöner Tag, als das Bündnis aktiver Fußballfans seinen zehneinhalbten Geburtstag feierte (pünktlich zum zehnten klappte die Organisation nicht). Selbst wenn halt eine vermaledeite Punkrockband das Kulturprogramm bildete und einige Kombattanten ihren SoWi-Seminarton einfach nicht unterdrücken konnten. Aber diesem losen Haufen von Aktivisten soll trotzdem ein Ehrenkranz geflochten werden, denn ohne sie wäre die Welt der Fußballfans weit weniger schön. Allerdings dürften einige Kämpferinnen und Kämpfer gegen den Rassismus und für Stehplätze in den Kurven, gegen Kommerzialisierung und polizeiliche Repression von Fans hymnisches Lob wahrscheinlich eher erschrocken entgegennehmen. Gilt ihnen doch das zutiefst deutsche Credo: Alles wird immer schlechter (…) Zumindest einen lustig verworrenen Diaabend mit Bildern aus zehn Jahren gab es, an dessen Ende Dieter Bott für unablässige Unterstützung der Arbeit von BAFF ausgezeichnet wurde. Als Geist, der stets verneint, bekam der 60-jährige Erfinder der Fan-Projekte einen Preis überreicht, benannt nach Nordkoreas Sensations-Torschützen Pak Doo-Ik gegen Italien bei der WM 1966. Bott dankte knapp, und um sich seine Rührung nicht anmerken zu lassen, kasteite er in aller Strenge, dass bei der nachmittäglichen Diskussion zu wenig radikale Positionen bezogen worden seien. Es war herrlich, fast hätte ich mir noch die Punkband angehört.“
Elf-Freunde-Gefühl
Daniel Theweleit (SZ 5.2.) erklärt den Erfolg Winfried Schäfers in Kamerun: „Längst gilt die Geschichte von den elf Freunden als hübsche Legende. Heute wird unter Fußballprofis die Rede vom professionellen Umgang gepflegt, man muss sich arrangieren in den Teams. Manchmal jedoch, keiner kann vorhersagen wo, entstehen sie doch, diese kleinen Oasen der Fußballerfreundschaft. Das Hotel Mouradi im südtunesischen Port el Kantanui ist in diesen Wochen so ein Ort. Hier verbringen die besten Spieler Kameruns und ihr deutscher Trainer Winfried Schäfer die Tage zwischen den Spielen beim Afrika-Cup, und jeder, der hier her kommt, spürt auf Anhieb die besondere Atmosphäre. In der Lobby wird gescherzt, Verteidiger Thimotée Atouba küsst mal eben im Vorbeigehen die Glatze von Bill Tchato, Patrick Mboma wiegt das kleine Töchterchen von Mohamadou Idrissou in den Schlaf, und Lucien Mettomo vom 1. FC Kaiserslautern sagt, „dieses Gefühl der Freundschaft ist nach dem Afrika-Cup 2000 irgendwie aus dem Nichts entstanden. Alle hier haben gemerkt, wie wertvoll das ist, und nun wird diese Atmosphäre von uns Spielern gepflegt wie ein zartes Pflänzchen“. „Beim FC Basel mache ich einen Job, das hier ist meine Familie“, bestätigt Atouba das Elf-Freunde-Gefühl und blickt hinüber zu seinem Trainer, der sich als so etwas wie der Vater des Ganzen begreift. Fast liebevoll wirkt Winfried Schäfer, wenn er von seinen Spielern spricht, wahrscheinlich hat er sich nach seinem hässlichen Weggang bei Tennis Borussia Berlin selbst nicht träumen lassen, dass er jemals mit Stars vom FC Chelsea London und Manchester United zusammen arbeiten dürfe. „Die brauchen ihr Zusammenleben und ihre Freiheiten, man muss ihnen gut zuhören“, sagt Schäfer und offenbart damit auch schon das Geheimnis seines Erfolges. Immer wieder stellt er seine Akteure in den Vordergrund, Personalentscheidungen begründet er damit, dass die Spieler diese gewünscht hätten. Der Trainer nimmt sich selbst zurück, um seine Autorität fürchtet er dabei nicht. Denn er ist sich der Loyalität von Schlüsselspielern wie dem ehemaligen Kölner Rigobert Song gewiss (…) „Winfried Schäfer ist für die Menschen in Kamerun Gott“, sagt Kapitän Rigobert Song, da störe es auch nicht, dass unter Schäfers Ägide noch kein Spiel in Kamerun stattgefunden hat. „Schon wenn wir dort eine Trainingspartie untereinander machen, kommen 70 000 Leute“, erzählt der Mann mit den langen weiß-blonden Haaren, die ihn aussehen lassen, als habe er die siebziger Jahre nie hinter sich gelassen. In der Delegation von Kameruns „unbezähmbaren Löwen“ wirkt die Haarpracht wie eine majestätische Mähne.“
Sport steht immer noch für alles, was als schick gilt
Josef Kelnberger (SZ 5.2.) recherchiert die Anziehungskraft des Fußballs auf Sponsoren: „Motoren heulen auf, 18 Rennwagen starten durch, sie rasen auf eine Mauer zu, der eine überholt hier, der andere dort, man stachelt sich gegenseitig an, die Mauer rückt näher, und die Männer am Steuer geben noch mehr Gas. „Und wer als letzter bremst, wird Meister.“ Deutscher Fußballmeister. Der Vergleich stammt von Wolfgang Holzhäuser, Manager von Bayer Leverkusen und Aufsichtsrat der DFL, er zitierte einen Spruch seines Vereinskollegen Reiner Calmund. Da gab es Riesengelächter im Auditorium des Sportsponsoring-Kongresses auf der ispo. Aber empört hat sich niemand, auch wenn die Frage nahe liegt: Kann das ein seriöser Partner für die Wirtschaft sein, ein mit derart viel Sach- und Personenschaden verbundenes Hasardspiel? 700 Millionen Euro Schulden lasten auf dem deutschen Profifußball, und hat nicht gerade einer der Branchenführer, Dortmund, zu spät gebremst und kann jetzt nur noch versuchen, den Aufprall einigermaßen heil überstehen? Fußball, sagen Untersuchungen, ist und bleibt das mit Abstand beliebteste Objekt deutscher Sponsoren, weit vor Formel 1, Golf und Tennis. Und das Sportsponsoring an sich wächst trotz der Wirtschaftsflaute weiter. Rund 1,7 Milliarden Euro wurden im Jahr 2003 für Sportsponsoring ausgegeben nach 1,6 Milliarden 2002. Auch für die nächsten beiden Jahre, bis zur Fußball-WM in Deutschland, werden sanfte Zuwächse prognostiziert. Der Sport vereint mehr als die Hälfte aller Sponsoring-Gelder in Deutschland auf sich, von der oft angekündigten Wende, die Unternehmen würden künftig mehr in Kultur, Umwelt und Soziales investieren, ist nichts zu spüren. Der Kulturpessimist wird jammern: Der Sport stehe für den Werteverfall der Gesellschaft – mit Vollgas Richtung Wand, Hauptsache Spaß dabei. Tatsache ist: Sport steht immer noch für alles, was als schick gilt: Emotionalität, Jugendlichkeit, Dynamik, so ungefähr. Und an jeder einzelnen Sponsoring-Partnerschaft liegt es, das Beste zu machen aus einer hoch emotionalen, schwer zu kalkulierenden Geschäftsbeziehung (…) Anders als adidas in der Partnerschaft mit dem FC Bayern strebt Puma, wie ein Sprecher in München bestätigte, keine Beteiligung beim VfB Stuttgart an, obwohl sich die Zusammenarbeit zu einem Modellfall entwickelte. Der Aufstieg der „Jungen Wilden“ ging einher mit dem Aufstieg des Sponsors, der sich gern innovativ bis rebellisch gibt und im Sport international größte Wirkung entfaltet mit den Trikots der Nationalmannschaft Kameruns: bei der Afrikameisterschaft vor vier Jahren ärmellos, jetzt mit den Hosen vernäht, und deshalb immer im Konflikt mit den Regelhütern vom Weltverband Fifa. Beim VfB gilt es nun, das jugendliche Image weiter zu entwickeln, auch wenn Kuranyi, Hildebrand und Hinkel älter werden. VfB-Geschäftsführer Rainer Mutschler versuchte den Marketing-Leuten zu versichern, dass hinter dem Aufschwung eine weitsichtige Unternehmensführung stehe, und dass man „die Rasanz des Aufschwungs nun in Beständigkeit überführen“ wolle. Aber die „hohe Volatilität“ des Geschäfts könne niemand leugnen, sprich: dass ein Tor hin oder her über Millioneneinnahmen und das Image des Vereins entscheiden kann. Als sicherste Adresse im Fußball gilt natürlich der FC Bayern. Derart groß ist das Gedränge in dem von Telekom dominierten Sponsoren-Pool, dass der Sony-Sprecher beim Kongress in München sanft mahnte, man müsse aufpassen, „dass die Partner nicht inflationär integriert werden“. Es falle schwer, als Bayern-Partner noch wahrgenommen zu werden. Andererseits gelingt dies gerade einem aus der Bayern-Pool – der HypoVereinsbank, die dem Kunden Zins-Steigerungen mit jedem Bayern-Heimtor verspricht. In der Branche wird die Aktion als Kampagne des Jahres gefeiert, weil Sportsponsoring dabei konkrete Ergebnisse vorweisen kann.“
Auf vieles waren die Portugiesen vorbereitet, nur nicht auf ihre Landsleute
Thomas Klemm (FAZ 5.2.) berichtet Gewalt in Portugal: „Auf vieles waren die Portugiesen vorbereitet, nur nicht auf ihre Landsleute. Monatelang hatten die Organisatoren der kommenden Fußball-Europameisterschaft Sicherheitskonzepte ausgetüftelt und Polizisten geschult, um im Sommer gewaltbereite Fans aus ganz Europa in Schach halten zu können. Eingeschworen auf eine Invasion von Barbaren, vor allem von Hooligans aus England, stehen die EM-Ausrichter urplötzlich vor einem neuen Problem: dem schier grenzenlosen Fanatismus ihrer Landsleute. Kleinere Streitigkeiten unter rivalisierenden Fangruppen sind in dem kleinen Land mit den vielen Fußballderbys nicht ungewöhnlich. Aber die schweren Krawalle mit mehreren Verletzten wie am Sonntag nach der Erstligabegegnung zwischen den nordportugiesischen Nachbarn Vítoria Guimarães und Boavista Porto haben die Verantwortlichen so nachhaltig erschreckt, daß seither hektische Betriebsamkeit herrscht. Als erste Maßnahme wurde das Stadion von Guimarães, das für zwei EM-Gruppenspiele vorgesehen ist, für dreißig Tage gesperrt. Es ist die eigene Leidenschaft, die in Portugal derzeit Leiden schafft. Gewöhnlich gelten die Portugiesen als friedliebende Zeitgenossen: Sprachlich pflegen sie einen Hang zu Verniedlichungen, so daß selbst Soldaten von ihrem Gewehrchen sprechen. Doch der sanfte Machismus der Südeuropäer steigert sich mitunter im Fußballstadion zur ungebührlichen Raserei – auf den Tribünen und auf dem Rasen.“
Die Nähe zur reinen PR wird immer undurchsichtiger
Marcel Rosenbach und Michael Wulzinger (Spiegel 2.2.) teilen die TV-Pläne der DFL mit und die Wirkung auf die Berichterstattung: „Detailkenntnis, so wissen Insider aus der Zentrale der DFL in Frankfurt zu berichten, gehört nicht zu den Stärken von Werner Hackmann, 56. Doch wenn die großen Entwürfe gefragt sind, marschiert der DFL-Chef gern vorneweg – und beglückt die Branche mit kruden Vorschlägen wie dem Beginn eines Samstagsspiels am Mittag, damit Chinesen und Japaner zur Prime Time Bundesliga gucken können. Zuweilen erntet der Zigarillo-Liebhaber mit seinem Ideen-Output auch Beifall. Als Hackmann unlängst dem Pay-TV-Sender Premiere androhte, die 36 Bundesliga-Clubs könnten einen eigenen Bezahlfernsehsender aus dem Boden stampfen, wenn unsere finanziellen Vorstellungen nicht erfüllt werden, sekundierten ihm bereitwillig die Bosse der umsatzstärksten Erstligisten. Der Dortmunder Gerd Niebaum, Vorstandsvorsitzender des in Finanznot geratenen BVB, tönte: Pay-TV? Das können wir auch. Und Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern München, gab keck zu Protokoll: Wo ist das Problem? Wir bräuchten doch nur Premiere zu kopieren und einen Risk-Fonds zu finden. Aufgeschreckt worden waren die Liga-Oberen von Aussagen des Premiere-Chefs Georg Kofler. Der Fernsehmacher hatte mit Blick auf die wieder auferstandene ARD-Sportschau und die in der kommenden Saison für ihn fälligen 150 Millionen Euro erklärt: Weniger Exklusivität bedeutet weniger Geld. Die Bundesliga, spottet ein Branchenkenner, träumt mal wieder ihren alten Traum. In der Tat: Kaum ist der Poker um die Fernsehrechte nach dem Rückzug der Schweizer Agentur Infront neu entbrannt, gerieren sich Deutschlands Fußballbosse, als wären sie die wahren Erben Leo Kirchs. Passend zu den Visionen eines eigenen Pay-TV-Kanals wird aus dem DFL-Hauptquartier gestreut, dass eine viel versprechende Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden sei. Deutschlands Kicker-Manager als Medien-Mogule? Ein großer Bluff. Es gibt wohl kaum ein Thema, das die Selbstüberschätzung der DFL-Kombattanten besser belegt. Seit Jahren schon schwadronieren die Fußballbosse davon, Premiere Konkurrenz zu machen – und seit Jahren bleibt es bei der Drohgebärde. Dabei hat der deutsche Profifußball seit geraumer Zeit Klarheit. Bereits Anfang 2002, noch vor dem Crash des Kirch-Imperiums, ergab eine Analyse der DFL-Geschäftsführung, der Aufbau eines von der Liga geführten Pay-TV-Kanals sei illusorisch. Als zu gewaltig erwiesen sich die finanziellen, technischen und logistischen Risiken für die Clubs, die mittlerweile mit etwa 700 Millionen Euro verschuldet sind. Allein, so viel ist klar, könnten Rummenigge und Co. ihre Bezahl-TV-Träume ohnehin nicht verwirklichen. Eigene Decoder, Verschlüsselungs- und Abrechnungssysteme oder gar Call-Center, denen erboste Bundesliga-Kunden ihre Probleme ins Ohr bellen – das mag man sich selbst bei den ambitionierten Fußball-Vermarktern in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise nicht ausmalen. Mächtige Partner müssten her (…) Die aktuelle Scheindebatte um einen ligaeigenen Bezahlsender kommt der Kickerbranche nicht ungelegen. Denn sie lenkt davon ab, dass der DFL-Vorstand im Stillen ein anderes Projekt vorantreibt, um den Zugriff der Clubs auf den Fernsehmarkt zu stärken. Die Deutsche Fußball Liga, so lautet der bislang nur wenigen Experten im Detail bekannte Auftrag, soll von der kommenden Saison an in Eigenregie die Bilder in den Stadien produzieren, die dann von Sendern wie ARD, ZDF, den Dritten, dem DSF oder Premiere ausgestrahlt werden. Die Planungen sind weit fortgeschritten. Bereits im Dezember präsentierte Michael Pfad, DFL-Geschäftsführer für den Bereich Kommunikation, den Vorstandsmitgliedern ein internes Strategiepapier. Der eigenen Signalproduktion, heißt es in der 21 Seiten umfassenden Vorlage, komme unter finanziellen und strategischen Gesichtspunkten eine besondere Bedeutung zu. Demnach würde die DFL von Juli an die Produktion der TV-Bilder an die noch zu gründende Gesellschaft Liga-Productions vergeben, an der sie als Mehrheitsgesellschafterin zu 75,1 Prozent beteiligt sein soll. Der in Aussicht gestellte Garantie-Erlös für die DFL in den kommenden fünf Jahren: zehn Millionen Euro. Nach den schlechten Erfahrungen (TV-Boykott, Kirch-Pleite usw.) versprechen sich die DFL-Bosse laut des Dossiers von der Gründung der Firma Liga-Productions nicht nur Unabhängigkeit von temporären Vertragspartnern, sondern auch eine bessere Positionierung der Bundesliga im internationalen Wettbewerb. Die DFL als Regisseur, Programmdirektor und Bilderlieferant des eigenen Produkts – für Sportjournalisten bei den Sendern eher eine Horror- als eine Tele-Vision. Eine unabhängige, kritische Berichterstattung der Fernsehschaffenden, so fürchten viele, würde weiter erschwert. Nach Ansicht des Münchner Kommunikationswissenschaftlers Josef Hackforth, der schon seit geraumer Zeit die Rollenveränderung der Medien von Sport-Berichterstattern zu Sport-Mitvermarktern und Mitveranstaltern kritisiert, besteht in diesem Fall gar eine Gefahr für die Authentizität des Sports und des Fußballs. Es drohe eine inszenierte Form der Sportberichterstattung, die Nähe zur reinen PR wird immer undurchsichtiger.“
SZ: „Die DFL will eigene Bilder produzieren – Verliert der EM.TV-Konzern einen wichtigen Auftrag?“
Klaus Wolf (BLZ 5.2.) bedauert den Niedergang des VfB Leipzig: „Es ist gar nicht so lange her, da malten sie eine glorreiche Zukunft. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder kam zur glamourösen Feier, mit der im September der 100. Jahrestag des Meistertitels begangen wurde, der Bundesinnenminister ebenfalls. Der VfB gehört zu den bekanntesten und renommiertesten Vereinen in Deutschland, lobte Otto Schily und gab den Steilpass: Er muss nun Ziele mit Augenmaß setzen, damit 2006 wieder höherklassiger Fußball geboten wird. Kein halbes Jahr später spricht in Leipzig-Probstheida niemand mehr vom Profifußball, das können sie für das nächste Jahrzehnt vergessen. Geblieben ist nur ein Ziel: das blanke Überleben. Fünftklassig spielt der erste deutsche Fußballmeister bald – bestenfalls. Denn zum zweiten Mal meldete der VfB in dieser Woche Insolvenz an, angesichts von 4,8 Millionen Euro Schulden. Ich denke, wir werden die Saison zu Ende spielen können, zeigt sich Insolvenzverwalter Friedbert Striewe trotzdem optimistisch. Die dafür nötigen 200 000 Euro werden wir irgendwie zusammenbekommen, Zusagen gibt es. Doch alles ist mit Fragezeichen versehen. Durch die Insolvenz steht der VfB Leipzig als Zwangsabsteiger aus der Südstaffel der nordostdeutschen Oberliga in die Landesliga Sachsen fest. Kein Geld, kein Spiel, sagte sich die halbe Mannschaft – und suchte schleunigst das Weite. Ich kann verstehen, dass nicht alle für 165 Euro im Monat spielen wollen, sagt Striewe. Zumal die Spieler seit Monaten kein Geld gesehen haben. So musste Trainer German Andreev sein Team um den früheren Bundesligaprofi Torsten Kracht mit Spielern der zweiten Mannschaft auffüllen; diese wurde, der Not gehorchend, aus der Landesliga abgemeldet (…) Wie konnte es zu diesem tiefen Fall kommen bei einem Klub, der mit dem BFC Dynamo, Dynamo Dresden, 1. FC Magdeburg und FC Carl Zeiss Jena das Niveau in der DDR-Oberliga bestimmte? Der international einen guten Ruf besaß, der am 13. Mai 1987 in Athen den Ajax-Stars um van Basten, Rijkaard und Bergkamp im Europacup-Finale der Pokalsieger nur unglücklich mit 0:1 unterlag. Es kommt wie in ähnlich gelagerten Fällen vieles zusammen. Komprimiert könnte man es so formulieren: Die falschen Personen zur falschen Zeit, getrieben von einem Übermaß an Selbstüberschätzung und resistent gegenüber jeglicher finanzieller Vernunft.“
Uwe Rogowski (FR 5.2.) beschreibt das Schicksal eines Amateurfußballers: „Als Milton Tembo im Spätsommer 2003 in Donaustadt Ulm zurückkehrte, war zunächst alles wie immer. Der Angreifer des Fußball-Oberligisten SSV 1846 hatte mit seinem Heimatland Sambia gerade in der Afrika-Cup-Qualifikation gespielt und war, so machte es den Eindruck, von seinem Nationaltrainer nicht geschont worden. Die Verantwortlichen beim ehemaligen Bundesligisten machten sich so einen Reim auf die körperlichen Defizite, die auch bei anderen afrikanischen Spielern nach längeren Aufenthalten in der Heimat auftreten: Tembo sei übertrainiert. Also entschied man im Club zornig, den Stürmer aus dem südlichen Afrika so schnell nicht mehr für sein Heimatland abzustellen, und nahm ihn aus dem Kader. Tembo wurde angehalten, die folgende Zeit intensiv zu nutzen, um wieder in die Erste Mannschaft zu gelangen, für die er in den vergangenen beiden Spielzeiten mit mehr als 30 Toren so wertvoll gewesen war. Schon damals aber, sagt SSV-Abteilungsleiter Uwe Spies rückblickend, habe man gemerkt, dass mit Milton etwas nicht stimmt. Wenige Wochen später teilte der Spieler dem Club mit: Ich bin HIV-positiv. Tembo hatte sich in der Ulmer Universitätsklinik einer Untersuchung unterzogen. Die ergab neben der niederschmetternden Diagnose auch Ermutigendes: Tembo müsse nicht zwangsläufig an Aids erkranken, ein baldiges Ausbrechen der Immunschwäche sei unwahrscheinlich. Als entsprechend gering stuften die Ärzte das Infektionsrisiko ein. Dass Milton Tembo seine Fußballer-Karriere würde fortsetzen können, daran dachte in Ulm zunächst aber niemand. Wir mussten erst wieder Worte finden, sagt Abteilungsleiter Spies. Und ein Mannschaftsbetreuer berichtet: Zuerst einmal hat man zusammen geweint. (…) Um Berührungsängste abzubauen wurden die Ulmer Mannschaftskollegen von Sportmedizinern über den Umgang mit HIV-Infizierten unterrichtet. Die Ansteckungsgefahr ist minimal, wiederholt Spies und verweist zudem auf seine stets offene Tür. Wenn die Sache für jemanden in der Mannschaft ein Problem ist, weiß er, dass er jederzeit auf uns zukommen kann. Aufgefallen ist dem Ulmer Abteilungsleiter, dass der DFB auf so etwas nicht vorbereitet ist. Die haben auf unsere Anfrage etwas aus den 80-ern ausgegraben, wo es vor allem um Aids-Handschuhe ging, moniert Spies fehlende Statuten im Verbandswerk.“
Christian Eichler (FAZ 5.2.): „Im Foyer des Kanzleramtes waren am Dienstag die fünf neuen Sonderbriefmarken der Serie Für den Sport in Postergröße zu besichtigen. Als Franz Beckenbauer die Exponate erblickte, speziell die Marke mit dem Titel 50 Jahre Wunder von Bern, grummelte er: Bei allem Respekt für die 54er-Mannschaft, aber 1974, als ich dabei war, sind wir auch Weltmeister geworden. Kann man nicht noch eine sechste Marke machen? Da trat der Hausherr, Bundeskanzler Gerhard Schröder, schnell ans Rednerpult: Ich kann mir schon vorstellen, welche Person sich der Franz auf der Briefmarke wünschen wird. Beckenbauer, Chef des Organisationskomitees der Fußball-WM 2006, verzichtete schmunzelnd auf einen Konter. Daß seine sportlichen Erfolge noch nicht philatelistisch gewürdigt worden sind, war einer der wenigen Kritikpunkte, die er bei der Vorstellung der Sport-Briefmarken und einer Gedenkmünze zur WM 2006 äußerte. Alle WM-Vorbereitungen laufen nach Plan, sagte Beckenbauer. Die Zeichen stehen günstig, daß das Turnier zu einem großen Erfolg für Deutschland wird. Diese Sicht der Dinge teilt er mit Kanzler Schröder.“