Ballschrank
Schalke 04 wird Heynckes‘ Ansprüchen nicht gerecht
Kommentare deaktiviert für Schalke 04 wird Heynckes‘ Ansprüchen nicht gerecht
| Donnerstag, 25. März 2004Schalke 04 wird den Ansprüchen Heynckes’ und der Fans nicht gerecht – Giovane Elber blickt auf München zurück (und nicht, wie es in anderen Medien heißt: er tritt nach) – das Führungs-Trio von Hannover 96 spricht miteinander – SpOn-Interview mit Sport-Psychologe Strauß über Sinn und Unsinn von Trainerwechseln – Streit über Dortmunder Steuerpraxis und deren Rechtfertigung durch einen Richter u.a.
Beckham spielt göttlich
Christoph Biermann (SZ 24.9.) beschreibt die schwierige Situation des anspruchsvollen Jupp Heynckes: „Am Sonntag hat es sich Jupp Heynckes richtig gut gehen lassen. Dank eines spanischen Decoders und einer Satellitenschüssel konnte er sich im Fernsehen das Spiel von Real Madrid in Malaga anschauen. „Da hätte nur noch Rotwein gefehlt und eine Zigarre von Rudi Assauer“, sagt Heynckes und schwärmt von perfekt gespielten Pässen und atemberaubender Spielintelligenz bei dem Klub, mit dem er 1998 die Champions League gewann. „Beckham spielt göttlich“, sagt Heynckes begeistert und wirkt so glücklich wie in der ganzen Stunde zuvor nicht. Da nämlich hat der Trainer von Schalke 04 über seine Mannschaft sprechen müssen. Gelobt hat er sie für eine Trainingseinheit am Dienstagmorgen, „bei der wir schon wieder kleine Fortschritte gemacht haben“. Nichts will er auf seine Spieler kommen lassen, mit deren Fleiß und Eifer er zufrieden ist. „Sie haben meine totale Unterstützung.“ Doch Heynckes klingt dabei wie ein Nachhilfelehrer, der sich darüber freut, seine Eleven von einer glatten Fünf auf eine wackelige Vier zu hieven (…) Die Fans werden langsam nervös. Die Ankunft von Jupp Heynckes schien ihnen einen Rosengarten zu versprechen, nun bekommen sie offensichtlich wieder nur eine Wiese mit Gänseblümchen. Heynckes, der auf die Zusammenstellung des aktuellen Kaders keinen Einfluss hatte, scheint daher schon Umpflanzungen im Kopf zu haben, wenn er sagt: „Es gibt die neue Saison, und die Vorplanungen dafür beginnen mindestens ein Jahr vorher.“ Der Rest ist Hoffen darauf, dass die fleißige Arbeit auf dem Trainingsplatz sich doch nachhaltig niederschlägt. „Unsere Fans haben recht, wenn sie ins Stadion kommen und gut unterhalten werden wollen“, sagt Heynckes. Aber vielleicht sollten sie es wie ihr Trainer machen und sich Real Madrid im Fernsehen anschauen.“
Wir Spieler sind moderne Sklaven
WamS-Interview mit Giovane Elber
WamS: Den hatten Sie zuletzt nicht mehr. Trotz eines Vertrages bis 2004 verließen Sie den Klub und wechselten ins beschauliche Frankreich zu Olympique Lyon.
GE: Ich musste ja wechseln.
WamS: Warum mussten Sie?
GE: Ich habe weder vom Trainer noch vom Verein die nötige Rückendeckung bekommen. Ich wusste vor Saisonbeginn gar nicht, wo ich beim Verein stehe. Ich war nicht konzentriert, deshalb habe ich gegen Frankfurt und Hannover nicht gut gespielt. Über die fehlende Rückendeckung war ich sehr traurig. Ich wollte in München bleiben, es wäre auch kein Problem gewesen, auf der Bank zu sitzen. Aber ich habe dem Trainer gesagt: Ich möchte eine Chance bekommen, wieder in die Mannschaft zurückzukehren.
WamS: Wie hat Ottmar Hitzfeld darauf reagiert?
GE: Er hat mir nach der Verpflichtung von Roy Makaay klar gemacht, dass ich keine Chance mehr habe. Ich hätte so gut trainieren und spielen können, wie ich wollte, es hätte nichts gebracht. Ich hatte ausgespielt.
WamS: Obwohl Sie in der vergangenen Saison erstmals in Ihrer Karriere Bundesliga-Torschützenkönig wurden.
GE: Ich glaube, das war mein Fehler. Ich bin Torschützenkönig geworden, habe geholfen, dass der FC Bayern Deutscher Meister und Pokalsieger wird – und zwei Monate später bin ich auf einmal nicht mehr gut genug. Das kann ich bis heute nicht begreifen.
WamS: Zuletzt hieß es in München, Sie seien auch wegen schlechter Laktatwerte nach Lyon geflüchtet. Stimmt das?
GE: Das ist Blödsinn. Außerdem ist es nicht fair, sondern schlechter Stil, wenn in der Öffentlichkeit so etwas als Grund für den Wechsel genannt wird.
WamS: Trainer Hitzfeld sagte kürzlich: Elber ging nicht mehr steil.
GE: Man sucht nach Ausreden, weil der FC Bayern es bis heute nicht geschafft hat, den Fans eine richtige Antwort für meinen Verkauf zu geben. Und sie werden es auch nicht schaffen. Denn es gibt nichts Schlechtes über mich zu sagen.
WamS: Was haben Sie gedacht, als Manager Uli Hoeneß nach dem Hamburg-Spiel sagte, es sei geisteskrank, einen Elber zu behalten?
GE: Der Manager hat zwei Tage später mit mir darüber gesprochen und gesagt, dass er es so nicht meinte. Damit ist die Sache für mich erledigt. Ich glaube, er wollte damit nur sagen: Wenn man für einen Giovane Elber noch eine Ablöse kassieren kann, muss man aus Vereinssicht an den wirtschaftlichen Aspekt denken.
WamS: Geht dem Geschäft die Menschlichkeit verloren?
GE: Ja. Ein Fußball-Verein ist mittlerweile ein Wirtschafts-Unternehmen, da zählen nur Erfolge und nackte Zahlen. Und wir Spieler sind moderne Sklaven, allerdings gut bezahlte. Das ist das Geschäft. Knallhart, einfach brutal. Das habe ich am eigenen Leib erlebt.
WamS: Können in so einem Umfeld noch Freundschaften, zum Beispiel unter Spielern, entstehen?
GE: Bei großen Mannschaften wie Bayern München sind die Spieler alle Individualisten. Es gibt keine Freundschaften, nur Arbeitskollegen. Das ist schade, denn die meiste Zeit verbringt man ja nicht mit der eigenen Familie, sondern eben mit den Kollegen.
WamS: Die Bayern werden 2004 ein Abschiedsspiel für Sie organisieren, weil Sie für den Klub so viel geleistet haben. Überrascht Sie diese Geste?
GE: Nur so viel: Es ist nicht so, dass ich das Spiel jetzt freiwillig vom FC Bayern bekomme. Als ich meinen Vertrag in München vorzeitig bis 2004 verlängerte, hatte ich das gefordert. Es steht also in meinem Vertrag.
Traumhochzeit in Hannover
Jörg Marwedel (SZ 24.9.) berichtet, dass das Hannoveraner Führungs-Trio sich nun besser verträgt – zum Wohle des Vereins. „Er ist ihm wohl nicht leicht gefallen, dieser Satz, das ließ die Körpersprache ahnen. Martin Kind, 59, knetete nervös die Hände, die Augen blickten unruhig in die kleine Journalisten-Runde, die beharrlich insistierte, weshalb er den Trainer Ralf Rangnick, 45, immer wieder öffentlich in Frage stelle. Dann sagte er plötzlich: „Herr Rangnick ist ein hervorragender Trainer. Er ist enorm engagiert, er ist sehr kreativ, und er ist loyal.“ Es hat lange gedauert, bis sich der Präsident von Hannover 96 an einem Sonntag im August zu diesem Lob für den Mann durchrang, unter dessen sportlicher Regie der Klub vor 16 Monaten nach 13 meist unerfreulichen Jahren in die Bundesliga zurückkehrte. Mehrmals schon hatte Kind Spekulationen über eine Ablösung Rangnicks genährt, zuletzt zu Beginn dieser Saison. Nun sprach er jenen Satz, der eine neue Phase in der Führungsetage des Klubs markieren könnte – in einem Gremium, das aus drei Männern besteht, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier Kind, der nüchterne Hörgeräte-Fabrikant, der „96“ einst vor der Insolvenz rettete, aber erst in den knapp sechs Jahren als Vereinschef „eine gewisse Grundemotion“ für den Fußball entwickelt hat. Dort Rangnick, der feinsinnige und eigenwillige Fußballtüftler, dem manche einen pädagogischen Eifer nachsagen, der Leuten wie Kind höchst suspekt ist. Dazwischen Sportdirektor Ricardo Moar, 50, ein „Sohn der Straße“, wie sich der in Lippstadt aufgewachsene Spanier selbst nennt. Moar gibt sich gerne laut und deftig. Das Erstaunliche ist: das ungleiche Trio funktioniert mittlerweile offenbar. Und zwar so gut, dass Experten das attraktive Spiel der Hannoveraner in höchsten Tönen preisen (…) Wenn Kind Glück hat und ruhig bleibt, wenn es einmal drei Niederlagen hintereinander setzt, könnte die Arbeit des ungleichen Trios sogar Ertrag bringen. Sportdirektor Moar jedenfalls singt inzwischen wahre Hymnen auf den Fußballlehrer Rangnick. „Ich bin verliebt darin, wie er seinen Job macht“, hat er dem kicker neulich in dem ihm eigenen Überschwang verraten. Auch Rangnick betont inzwischen sein Vertrauen zum Partner. „Auge in Auge und mit offenem Visier“ tausche man sich aus, auch kontrovers, und noch nie habe „der Richard“ öffentlich Dinge geäußert, die man nicht vorher direkt besprochen habe. Sieht ganz nach einer Traumhochzeit aus.“
Misserfolg nach einem Trainerwechsel resultiert daraus, dass der neue Coach die Mannschaft nicht kennt – und umgekehrt
SpOn-Interviewmit Bernd Strauß, Sport-Psychologe, über Trainer-Entlassungen
SpOn: Werden Trainer in der Bundesliga zu schnell gefeuert?
BS: Ja, viel zu früh.
SpOn: Warum ist das so?
BS: Die Vereine stehen sehr stark im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Es macht einen Unterschied, ob wie früher zwei oder wie heute 50 Medienvertreter präsent sind. Bestehende Konflikte, die eigentlich intern gelöst werden müssten, kommen so nach außen und werden dadurch potenziert. Zusätzlich steht das Management unter Druck. Wenn eine Mannschaft nicht gewinnt und der Trainer im Amt bleibt, wird den Vereinsoberen gleich Führungsschwäche vorgeworfen.
SpOn: Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Ultimaten? Der Lauterer Vorstandsvorsitzende René C. Jäggi hatte vor zwei Wochen von seinem Trainer Erik Gerets mindestens vier Punkte aus zwei Spielen verlangt, anderenfalls hätte der Belgier entlassen werden sollen.
BS: Derartige Aussagen sind eher kontraproduktiv. Unter Druck stehen Mannschaft und Trainer sowieso. Es geht schließlich um viel Geld und Reputation. Die Akteure sind Profis und wollen auch als solche behandelt werden.
SpOn: In Ihrer Studie kommen Sie zu dem Schluss, dass die meisten als Retter verpflichteten Trainer oft weniger bewirken als ihre Vorgänger. Können Sie das erklären?
BS: Misserfolg nach einem Trainerwechsel resultiert daraus, dass der neue Coach die Mannschaft nicht kennt und umgekehrt. Die Zeit für entscheidende Veränderungen ist oftmals viel zu kurz. Die Rettungen in letzter Sekunde sind reine Glückssache.
Schlimm, wie die Dortmunder Steuerpraxis verurteilt wird
FAZ-Interview mit Michael Balke, Fußballfan und Steuerrichter
FAZ: Sitzen bei der Borussia in Dortmund wirklich die dreistesten Steuertrickser, die findigsten Schmarotzer der Republik?
MB: Natürlich nicht. Ich finde es ganz schlimm, wie die Dortmunder Steuerpraxis jetzt beurteilt respektive verurteilt wird. Solange sich jemand auf einer gesetzlichen Grundlage bewegt, wie das Manager Michael Meier und Borussia Dortmund tun, muß er sich solche Vorwürfe nicht gefallen lassen. Das ist diffamierend, was da passiert.
FAZ: Empört Sie das öffentliche Echo eher als unabhängiger Richter – oder als bekennender Anhänger der Borussia?
MB: Empört habe ich mich zuerst überhaupt nicht. Als Richter bin ich ja auch zur Zurückhaltung verpflichtet. Aber als ich mitbekommen habe, von wem und wie Manager Michael Meier angegriffen worden ist, da habe ich gedacht: Jetzt reicht’s. Denn hier beobachte ich, ganz sachlich gesehen, einfach Unrecht. Hier wird jemand in die Pfanne gehauen, und da schlagen so viele und dazu noch die Falschen zu, daß man einfach helfen muß. Ich spreche von Nothilfe im rechtlichen Sinne, nach dem Motto: Dir stärke ich den Rücken, auch durch gute Argumente.
FAZ: Wie lauten Ihre Hilfsargumente?
MB: Wenn jemand, sei es Herr Meier als Manager oder seien es die Spieler, einen Höchststeuersatz von 48,5 Prozent bezahlen muß, dann hat er als Bürger auch das Recht, sämtliche steuermildernden Umstände in Anspruch zu nehmen, die das Gesetz ihm bietet. Das gehört zu einem Rechtsstaat: die Verpflichtungen erfüllen, die Privilegien wahrnehmen, wenn es sie denn noch gibt.
FAZ: Sie raten der Dortmunder Borussia als Steuerrichter also: Weiter so?
MB: Im Grunde muß man alle Steuerzahler dazu aufrufen, ihre Möglichkeiten bis zur Grenze auszureizen. Denn man kann wohl nur eine Mehrheit für die Abschaffung sämtlicher Steuerprivilegien schaffen, wenn alle dieses unausgegorene Begünstigungssystem ad absurdum führen.
FAZ: Aber Politiker wie Bundesfinanzminister Hans Eichel oder der Bundestagsabgeordnete Joachim Poß werfen den Dortmunder Großverdienern ja vor, daß die steuerfreien Zuschläge, um die es hier geht, nicht für Fußball-Millionäre gedacht seien.
MB: Gedacht und gemacht wurden sie, um es genau zu sagen, zur Stärkung der Wehrmacht im Dritten Reich, siehe Reichssteuerblatt vom 9. November 1940, Seite 945 zur Verordnung über die Nichtbesteuerung der Zuschläge für Mehrarbeit und für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Da ging’s schlicht und einfach darum, daß noch mehr Bomben gebaut werden konnten. Die Bestimmung mag ja später einen Sinn gehabt haben, für die oft zitierten Krankenschwestern, Drucker und so weiter. Ob das heute bei der hohen Arbeitslosigkeit noch sein muß, ob man nicht die Mehrarbeit einschränken, Arbeit teilen und diese dann angemessen entlohnen sollte, ist die zentrale Frage.
FAZ: Eine Frage, die sich Politiker offensichtlich oder jedenfalls öffentlich nicht stellen. Statt dessen schelten sie die raffgierigen Fußball-Millionäre.
MB: Genau das ist die Doppelmoral, die ich anprangere – übrigens auch beim rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, der sich doch sehr für das Wohlergehen des 1. FC Kaiserslautern engagiert und nun gegen Dortmund wettert.
Vom sogenannten gesunden Menschenverstand
Hans-Joachim Waldbröl (FAZ 24.9.) kommentiert die Ausführungen Michael Balkes aus dem FAZ-Interview (s.o.) und wirft ihm vor, die Buchstaben des Gesetzes mit Geist des Gesetzes gleichzusetzen: „Schlupflöcher, wohin man schaut. Schlupflöcher, über die manche so schnell schimpfen, weil sie sie nicht rasch genug stopfen können, scheinen sich zum Sportthema der Woche zu mausern. Daß ausgerechnet ein Steuerrichter Fußball-Millionäre rechtfertigt, die zu allem Überfluß auch noch von einem steuerfreien Zuschlag profitieren, erregt auf den berühmten ersten Blick ebensoviel Aufsehen wie Sportrichter, die einen offensichtlich mit einer veritablen Doping-Apotheke ausgestatteten Radprofi freisprechen. Beim zweiten Hinsehen müssen allerdings auch die Fachjuristen vor einer voreiligen öffentlichen Verurteilung in Schutz genommen werden, obwohl ihre Beurteilungen von Fall zu Fall schwer verständlich sind. Vor allem vom sogenannten gesunden Menschenverstand, der sich so gerne auf den wahren Geist von Gesetzen und Regeln beruft. Dieser wahre Geist wird immer dann herbeizitiert, wenn geschriebene Worte nicht ausreichen, um unerwünschte Taten vorweg zu verhindern oder wenigstens nachträglich zu bestrafen. Die aktuelle Version vom Paragraphen 3b des Einkommensteuergesetzes schließt es eben nicht aus, daß zum Beispiel Fußballprofis von Borussia Dortmund einen Teil ihres Gehaltes auf der Basis von steuerfreien Zahlungen für Nacht- oder Feiertagsarbeit ausgezahlt bekommen. Basta, sagt der Steuerrechtler. Und er fordert sogar jeden Bürger dazu auf, Steuervergünstigungen in extenso zu nutzen, um diese Privilegien ad absurdum zu führen – und damit allesamt abschaffen zu helfen.“
Gewinnspiel für Experten