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Schießt “Fantasista” Del Piero Juve zum Titel? – Daum wird österreichischer Meister
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| Donnerstag, 25. März 2004
Raffinierte Pinselstriche aus Del Pieros Repertoire der hohen Unterhaltungskunst
Durch das 2:1 über Brescia und die Punktverluste der Mailänder Konkurrenz ist Juventus Turin der „scudetto“ einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Peter Hartmann (NZZ 29.4.) skizziert den Stellenwert des zweifachen Torschützen. „Gianni Agnelli, der im Winter verstorbene Padrone, hatte Del Piero schon früh „Pinturicchio“ getauft, nach dem Renaissance-Porträtmaler und Hofkünstler von Papst PiusII. Del Piero ist kein dominierender Anführer wie Zidane, mit dem er fünf Jahre zusammengearbeitet hat, auch kein egoistischer Torjäger wie Pippo Inzaghi, mit dem er jahrelang nicht harmoniert hat (bis Inzaghi an Milan verkauft wurde), sondern ein Spieler der ziselierten Striche, der intelligenten Einfälle, ein „Fantasista“. Del Piero ist in Italien annähernd so beliebt wie Roberto Baggio, dem er in vielem gleicht, auch in der Abgeklärtheit des Charakters – und zufällig standen sie sich im Spiel Juve – Brescia gegenüber: Del Piero, 28-jährig, der sich nach einer langen Verletzungspause wieder in Form tastet; Baggio, der hamletische Zweifler, der Unglücksrabe, der im WM-Final 1994 gegen Brasilien den entscheidenden Penalty verschoss, der bei Juve, bei Milan, bei Inter stets im Unfrieden, als Verkannter wegging und jetzt, mit 36 Jahren, in der Provinz einen seigneuralen Karriere-Herbst verbringt. Zum Vergleich: Den 100 kleinen Meisterwerken Del Pieros (davon 40 mit rechts, 29 Elfmeter, 14 mit links, 9direkt verwandelte Freistösse, 8Kopfbälle) stehen Baggios 191 kapitale Einschüsse gegenüber. Baggio ist der Rekordtorschütze der Aktivgeneration und hätte der „alten Dame“ gerne ein Bein gestellt (wie schon im Hinspiel, das Brescia 2:0 gewann), vor allem dem Trainer Marcello Lippi, den er in seinen Memoiren als nachtragenden Intriganten beschrieb. Aber da waren diese raffinierten Pinselstriche aus Del Pieros Repertoire der hohen Unterhaltungskunst: schon in der 9.Minute ein Freistoss aus fast 30m, von der Mauer abgelenkt, und ein Tennis-Goal zum 2:1, der Volley-Abschluss mit dem linken Fuss, als die Juve-Mannschaft schon unter schwerem Sauerstoffmangel litt. Alles schon da gewesen: Seit den dreissiger Jahren, als Juventus fünf Meistertitel hintereinander gewann, heissen die letzten Spielminuten „Zona Cesarini“. Die Momente, in denen der argentinische Nachtvogel Renato Cesarini zu voller Gefährlichkeit erwachte und seine Tore schoss. Cesarini betrieb einen Tanzsaal und war, auf dem Rasen, ein Meister der Kräfteeinteilung.“
Zur Lage bei PSG NZZ
Zur Lage im brasilianischen Vereinsfußball NZZ
Der Besuch des reichen Onkels
Zum Titelgewinn Austria Wiens, dem Klub Christoph Daums, liest man von Michael Smejkal (SZ 29.4.). „Es war ein Titel, der im Sinne des Wortes teuer erkauft ist. Je nach Quelle soll Stronach in den vergangenen Jahren zwischen 20 und 35 Millionen Euro in den Umbau der Austria gesteckt haben, was vor allem viele Trainer reich gemacht hat. Seit Herbst 2001 hat Stronach fünf verschiedene Übungsleiter beschäftigt: nacheinander Arie Haan, das Duo Pfeffer/Hörmann, Happels langjährigen Co. Dietmar Constantini, Walter Schachner, und nun sitzt gerade Christoph Daum auf dem Rotationsposten. Vielleicht profitiert Daum auch von den Lehren, die sein Arbeitgeber aus seiner Beschäftigungspolitik gezogen hat. „Ich kann nicht nach jeder Niederlage den Trainer wechseln“, teilte Stronach nach dem peinlichen 0:1 gegen die Provinztruppe aus Pasching vor Wochen mit. Vielleicht hält er aber tatsächlich Daum für befähigt, die Wiener Violetten ab Herbst erfolgreich durch die Champions League zu führen, vielleicht traut er dem Deutschen da sogar mehr zu als dieser sich selbst. Denn immer öfter ist Daum in den Kleinkrieg mit Medien verstrickt. Läuft es einmal gut, fühlt sich der Fußball-Lehrer zu wenig gelobt, läuft es schlecht, fühlt er sich von der ewigen Nörglern und Miesmachern verfolgt. „Ich komme mit der österreichischen Mentalität nicht klar“, sagte der in fast allen TV- Interviews sichtlich gereizte Daum – für Beobachter Anzeichen eines möglichen Comebacks in Leverkusen. Kritisch wird es für Daum erst, wenn Mister Frank die Freude am bisher hoch defizitären Investmentzweig Fußball verliert. Denn bis jetzt bekam er immer, was er wollte. Besser gesagt: Er nahm sich, was er wollte. Frank Stronach und der Fußball in Österreich, das erinnert mittlerweile an Dürrenmatts Bühnendrama „Der Besuch der alten Dame“. Irgendwann war der reiche Onkel aus den USA da, mit der Geste des Mäzens finanzierte er erst zahlreiche Vereine (so erhielten Salzburg, der GAK und Innsbruck von ihm stattliche Zuwendungen), sicherte sich die Rechte an einem Wettkanal und als ihm die Vereine den Präsidentenstuhl in der österreichischen Fußball-Bundesliga andienten, war nur ein Zustand auch offiziell festgeschrieben, der ohnedies de facto bereits bestanden hat: Ohne Stronach geht nichts mehr.“
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