Ballschrank
Schon steht die Viererkette ziemlich blöd da
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| Donnerstag, 25. März 2004
Heute: Thomas Häßlers Abschied – die Ursachen für den sportlichen Aufschwung Herthas – die Rivalität zwischen Bochum und Bielefeld – die wirtschaftliche Lage in Cottbus u.a.
Schon steht die Viererkette ziemlich blöd da
Thomas Becker (taz 10.5.) bedauert das Karriereende Thomas Häßlers. „Er schaut einfach nicht hin. Dabei redet der Trainer ausdauernd und sehr vernehmlich mit seinem Team. Es geht um die Viererkette und wie man sie aushebelt. Um kreatives Spiel halt. Thomas Häßler hört nicht zu. Doch dann ist er dran, bekommt – natürlich – den Ball: Körpertäuschung, Pass gegen die Laufrichtung, und schon steht die Viererkette ziemlich blöd da. Falko Götz raunzt: Hey, machts ihm doch nicht so einfach, Mann! Es wird Herbst in Icke Häßlers Karriere. Der Mann, der als Zehnjähriger bei Meteor 06 Berlin anfing, sieht sich derzeit von einem ebensolchen Himmelskörper bedroht. Haarscharf schlugen bereits mittelgroße Brocken rechts und links von ihm ein, und dass ihn der große, finale Stein über kurz oder lang treffen wird, weiß er so genau, wie wir sein Gesicht, seine Beine, seine Haken kennen. Bloß: Er will das nahende Ende nicht wahrhaben. Thomas Häßler wird hierzulande nicht mehr oft um Punkte spielen, dreimal vielleicht noch, dann wären es genau 400 Bundesligaspiele. Wenn denn alle relevanten Sechziger schön brav verletzt bleiben. Wenn der Trainer nicht doch noch einen laufstärkeren, irgendwie jüngeren Vertragsamateur auftreibt. Und wenn es der Präsident schafft, seine wunderlichen Gedankengänge ausnahmsweise mal für sich zu behalten (…) Es ist ein Jammer. Leider hat diese Art, mit verdienten Vereinsangestellten umzugehen, traurige Tradition bei den als so bodenständig-volksnah geltenden Löwen. Die Liste der Verprellten ist lang und prominent besetzt: Manni Schwabl, Mannschaftskapitän, suspendiert, nachdem er eine Abschlussfeier schwänzte. Bernhard Winkler, Held mehrerer Aufstiege, ins Nirwana geschickt wie ein unbekannter Probetraining-Absolvent. Olaf Bodden, einst gefeierter Torjäger, nach komplizierter Krankheit schlichtweg ignoriert. Die Wut bricht sich Bahn: Was soll man erwarten von einem, der kein Gehirn hat?, fragt Bodden eher rhetorisch in die Richtung des Präsidenten-Wirtes. Nun also Häßler. Und Martin Max. Und Davor Suker. Und Simon Jentzsch. Und wer weiß, wen es noch alles trifft. Karl-Heinz Wildmoser hat mal wieder Stillosigkeit bewiesen; die Leidtragenden sind der wohl populärste Sechziger seit Rudi Brunnenmeier und Petar Radenkovic – und natürlich wir Fans.“
Warum ist Hertha plötzlich wieder gut?
Javier Cáceres (SZ 10.5.) erkennt einen Strategiewechsel bei Trainer Stevens. „Manchmal wirkt es, als habe sich ein Idyll entwickelt. Wenn Huub Stevens, seit annähernd einem Jahr Trainer bei Hertha BSC, zum Beispiel in Arbeitskleidung vor ein paar Journalisten im Medienraum sitzt – kurze Hose, Badelatschen, T-Shirt – und lacht, sogar lauthals lacht, über kumpelhaft dahergebrachte Anekdoten. Der gleiche Stevens, der noch zu seiner Schalker Zeit Fragen als Ruhestörung zu empfinden schien, bestenfalls Phrasen herauspresste, gerne auch vorwurfsvoll. Ganz so, wie er es immer noch tut, wenn er noch angefüllt ist von 90 Minuten Fußball und eigentlich unansprechbar ist. Der Stevens, Version 2003 also sitzt da, lehnt sich zurück und sagt: „Es tut mir auch leid, dass ich immer dasselbe sagen muss.“ Und erfreut sich sogar daran, wie großartig es sei, dass Medien spekulieren, dass Namen von Kickern durch die Blätter rauschen, an denen Hertha angeblich oder ernsthaft interessiert ist. Es sei ja ein Zeichen dafür, dass sich „etwas tut“, dass der Fußball „lebt“. Ausgerechnet Stevens. Der „Knurrer aus Kerkrade“. Seit Monaten bietet Stevens tägliche Begegnungen mit den Hauptstadtmedien an. Und er hat, wie Herthas Pressestab versichert, höchstselbst darum nachgesucht, die Unterrichtung der Berichterstatter in einer Form zu institutionalisieren, wie man sie nicht einmal vom FC Bayern kennt, den Hertha am Samstag empfängt. Es war Stevens’ ureigenster Wunsch, heißt es; er habe auf Berlin zugehen, sich den Gegebenheiten der Kapitale anpassen und etwas geben wollen – durchaus auch von sich. Der Nebeneffekt ist, dass Stevens in den Gazetten kaum stattfindet, jedenfalls nicht in den schlagzeilenträchtigen Zusammenhängen. Stevens hat sich ein ruhiges Umfeld regelrecht erplaudert – und dadurch die Diskurshoheit gewonnen. Was allein schon wegen der anspruchsvollen Ungeduld der Hertha- Anhänger wie eine kleine Sensation anmutet. Aber eben auch wegen der bislang gezeigten Leistungen, die wahrlich nicht immer nach dem Geschmack von Fußballgourmets waren.“
„ So offen, wie er im Moment über die Personalpolitik spricht, hat Hoeneß es noch nie getan, und neu ist auch die Offenheit, mit der er Fehler einräumt.“ Friedhard Teuffel (FAZ 10.5.) stellt eine Veränderung in der Außendarstellung des Managers von Hertha Berlin fest. „Hoeneß kann erklären, warum es bei Hertha jetzt so gut läuft. Stevens dagegen fällt dazu nicht viel ein, außer, daß zwischendurch so viele Spieler verletzt gewesen seien. Hoeneß spricht von Störfaktoren, die das Spiel der Hertha belastet hätten. Auslaufende Verträge, mangelnde Integration der brasilianischen Spieler, fehlende Erfahrung der jungen Spieler, das meint er damit. Aber wir haben den Themen ins Auge geschaut und sie in den Griff bekommen. Werder Bremen hat das nicht geschafft, sagt Hoeneß. Anstatt sich, zum Beispiel, mit Stefan Beinlich auf lange Verhandlungen einzulassen, ließ Hoeneß den ehemaligen Nationalspieler zum Hamburger SV ziehen. Nichts dagegen hätte er auch, wenn Alex Alves den Verein verlassen würde. Vom Brasilianer ist der Manager enttäuscht, weil er sich nicht richtig eingebracht hat in den Verein, spielerisch nicht und persönlich schon gar nicht. Drei Anfragen von anderen Vereinen für Alves gebe es schon, zwei aus Brasilien und eine von einem anderen Klub, aber die ist noch loser als die anderen. Immerhin hat Alves die Berliner klüger gemacht. Sie wollen in Zukunft mehr Wert auf die deutsche Sprache legen, auf Integration, aber vor allem schon vor der Verpflichtung mehr auf den Charakter des Spielers achten. Daß Hoeneß sich von Alves trennen will, ist auch das Eingeständnis eines großen Fehlers. Zuvor hatte Hoeneß seine Verpflichtung immer wieder verteidigt. Auf fadenscheinige Verteidigungsreden will der Sportliche Leiter der Berliner nun offenbar nicht mehr angewiesen sein. Auf Alves sowieso nicht. Fredi Bobic würde Hoeneß gerne verpflichten, Oliver Neuville und Gerald Asamoah, Artur Wichniarek hat er schon aus Bielefeld geholt. Mit ihnen möchte er die offensive Schwäche seiner Mannschaft beseitigen. Doch erst einmal ist die Champions League das Ziel, wenn auch nicht das offizielle: Wir können den dritten Platz nicht aus eigener Kraft erreichen. Deshalb wäre es auch keine Motivation, die Champions League zum Ziel zu machen. Offenheit, wenn Offenheit sinnvoll ist, Logik, wenn Logik nötig ist, und größtmögliche Souveränität – das ist Hoeneß‘ aktuelles Führungskonzept.“
Interview mit Michael Preetz und Eyjölfur Sverrisson, die beide demnächst ihre Karriere bei Hertha Berlin beenden werden BLZ
Als ob die Zuschauer mit dem Traktor kommen würden
Christoph Biermann (SZ 10.5.) erläutert die Rivalität zwischen Bochum und Bielefeld. „Jenseits von Bochum und Bielefeld dürfte kaum jemand wissen, dass sich die beiden westfälischen Klubs mit einer Abneigung gegenüber stehen, die man durchaus komplett nennen darf. Die Spieler mögen einander nicht, die Fans nicht und selbst die Vereinsvorstände pflegen eine herzliche gegenseitige Abneigung. Wenn beide Mannschaften am Sonntag aufeinander treffen, wird der unbekannte fußball-ethnische Konflikt zwischen Ruhr- und Ostwestfalen auf der Alm wieder sehr lautstark ausgetragen werden, das Stadion ist schon jetzt fast ausverkauft. Nun hat jede Seite ihre Theorie, warum sich die Dinge so hochgeschaukelt haben. Lag es am Tritt von Silvio Meissner, der 1995 die Kniescheibe von Bochums Delron Buckley brechen ließ? Lag es am Stinkefinger, den Dariusz Wosz im Jahr darauf dem Bielefelder Publikum zeigte? „Der richtete sich gar nicht gegen die Zuschauer, sondern gegen Uli Stein“, sagt Wosz, „der hätte mir fast den Kopf abgetreten.“ Na, jedenfalls begrüßten die Zuschauer beim nächsten Spiel auf der Alm den gebürtigen Polen mit „Autodieb“- Sprechchören. Im letzten Jahr richteten die Bochumer Fans im Ruhrstadion per Transparent die Aufforderung an ihre ostwestfälischen Gäste: „Kniet nieder vor König Dariusz!“ Beim Rückspiel forderte ein Sponsor der Arminia per Anzeige im Stadionheft: „Wosz go!“ So geht es, von der Welt unbemerkt, hoch her im westfälischen Unfrieden zwischen Bielefeld und Bochum. Der Ton in den Kurven ist rau, die „Ruhrpottkanaken“ aus dem Revier revanchieren sich mit dem Chor „Kühe, Schweine, Bielefeld“, als ob dort die Zuschauer mit dem Traktor kommen würden. Neben der relativen räumlichen Nähe – zwischen beiden Städten liegen nur gut hundert Kilometer – sorgt vor allem die Ähnlichkeit der beiden Klubs für ein stimmungsvolles Verhältnis. „Wir sind halt beide klein, haben es schwer, uns gegen die Großen durchzusetzen und sind einander adäquate Sparringspartner“, meint Bielefelds Präsident Hans-Hermann Schwick. Eigentlich würden die Fans beider Vereine lieber Schalke und Dortmund als Rivalen sehen, wissen aber, dass es angesichts ungleicher Voraussetzungen so ist, als würde ein Hund den Mond anbellen. Zwischen Bochum und Bielefeld knurrt man sich wenigstens auf Augenhöhe an.“
Christian Ewers (FAZ 10.5.) sorgt sich mit den Verantwortlichen um die wirtschaftliche Zukuft von Energie Cottbus. „Die Budgetkürzung fällt beim FC Energie deshalb so kraß aus, weil sich der Verein hauptsächlich von Fernsehgeldern ernährt. Zeitweise betrug der Anteil der TV-Einnahmen 51 Prozent am Gesamtetat. Statt bislang zehn Millionen Euro wird Cottbus in der zweiten Liga nur noch 4,5 Millionen Euro kassieren. In den Vertragsverhandlungen bieten wir jetzt wesentlich kleinere Summen, sagt Manager Stabach. Spieler, die bei uns bleiben wollen, müssen Gehaltseinbußen von bis zu 65 Prozent hinnehmen. Während der Profikader verschlankt werden soll, müssen die 13 festangestellten Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle nicht um ihren Job fürchten. Wir sind sowieso schon chronisch unterbesetzt, sagt Energie-Sprecher Ronny Gersch. Hier gibt es kein Kürzungspotential. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß zumindest die Ticketverkäufer künftig weniger zu tun haben werden. Denn die Zuschauerzahlen des FC Energie waren schon in der ersten Liga enttäuschend. Durchschnittlich kamen nur 13.000 Fans pro Spiel ins Stadion der Freundschaft; nun muß mit einem weiteren Rückgang gerechnet werden. Dieter Zeumke, der Cottbuser Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes, befürchtet sogar einen deutlichen Einbruch der Besucherzahlen. Zeumke hat die sportliche Krise des Fußball-Klubs schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Mit seinem Sohn Ralf führt er einen Landgasthof in Drachhausen, einem kleinen Dorf vor Cottbus. Die Zahl der durchreisenden Fans hat stark abgenommen, seit Energie unten drin steht, sagt Zeumke. Immer weniger Leute trinken bei mir ihr Frustbier. Der Zapfhahn des Landgasthofes Zum Drachen stellt zwar einen recht plastischen Indikator für die wirtschaftlichen Folgen des Abstiegs dar, doch verläßliche Prognosen dazu sind in Cottbus nicht zu bekommen.“
Portrait Mikael Forssell (Borussia Mönchengladbach) FR
Michael Reinsch (FAZ 10.5.). „Tritt der Sport die Botanik mit Füßen? In Berlin bat eine Lokalpolitikerin händeringend um ein Einsehen. Die wilden Fußballspieler sollten den Rasen vor dem Reichstagsgebäude in Ruhe lassen, denn er sei schließlich ein Lebewesen. Vielleicht sollte die gutherzige Frau das ihr unterstellte Gartenamt anweisen, das Wesen regelmäßig zu wässern, um sein vergilbendes schwindendes Leben zu retten (…) Verfolgen nicht Trainer und Gärtner dasselbe Ziel? To train heißt erziehen: insbesondere Obst mit fester Bindung und scharfem Schnitt in Formen zu fächern und zu Spalieren zu zwingen. Selbstverständlich verlangt Umtriebigkeit im Garten wie auf dem Sportplatz Gegenmaßnahmen: Nur Konzentration aufs Wesentliche bringt Erfolg. Gärtnerei ist wie Sport eine Frage der Zucht. Schon bei Charles Darwin steht Sport für einen Sproß, der aus der Art schlägt, eine Spielart. Daran hat sich nichts geändert. Sport, Lusus naturae, ist in der Natur angelegt. Davor läßt sich auch Zierrasen nicht schützen.“
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