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Schwache Schalker gewinnen den Titel und werden ausgepfiffen; und nicht gesendet – VfL Wolfsburg wird seinen Ambitionen nicht gerecht
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| Donnerstag, 25. März 2004
Ausgeschieden, verletzt und zerstritten standen die Profis da
Frank Heike (FAZ 28.8.) ist vom VfL Wolfsburg enttäuscht. „Als der Norddeutsche Rundfunk seine Direktübertragung um kurz vor Mitternacht beendet hatte, ließ die Stadionregie ein neues Programm über die beiden Bildschirme am Kabinengang flimmern: Berufsboxen. Nichts hätte am Dienstag besser zu dem gepaßt, was 12.500 Zuschauern in der Volkswagen Arena vorher geboten worden war. Da bekämpften sich zwei Fußballmannschaften mit allen Mitteln. Die einen machten das gekonnt, weil versteckt, und hatten den Schiedsrichter auf ihrer Seite, die anderen antworteten wutschnaubend und plump. Dieser ungleiche Kampf konnte nur einen Sieger haben: Am Ende hatte der in jeder Hinsicht geschicktere AC Perugia 2:0 beim VfL Wolfsburg gewonnen und zog in die erste Runde des Uefa-Pokals ein. Den Wolfsburgern blieben nur Silberplaketten und der Händedruck des Gesandten der Europäischen Fußball-Union. Acht lange Sommerwochen hatten sich die Wolfsburger durch den UI-Cup gekämpft, ehe sie am Ende an der Abgebrühtheit einer italienischen Mittelklassemannschaft zerbrachen. Dieser Dienstag abend war also eine schmerzhafte Lehre für den Klub mit dem großen Sponsor im Rücken, der unbedingt in die Champions League will. Die Wolfsburger wußten nach der vor allem im ersten Durchgang schmutzigen Partie gar nicht, wen oder was sie zuerst anklagen sollten: den holländischen Schiedsrichter? Die Fouls des Gegners? Die eigene Dummheit? (…) Der 22 Jahre alte Neun-Millionen-Euro-Mann Andrés D‘Alessandrohatte 93 Minuten lang gespielt, gekämpft, reklamiert, Gegner und Schiedsrichter attackiert. Ein Vorbild für den Rest, fand der Trainer: Andrés ist weiter als die meisten älteren Spieler. Was bei den Italienern alle können, macht bei uns nur er. Was der Kleine gezeigt hat, war überragend. An dieser Meinung schieden sich die Geister – in der Einzelwertung war der Argentinier sicher der Beste, aber was nützt es, wenn niemand seine Pässe erläuft, seine Ideen verpuffen? Spätestens jetzt war man beim wirklichen Problem dieser Wolfsburger Mannschaft angekommen. Denn die Niederlage förderte einen Riß im Team zutage. Auf der einen Seite die Kämpfer Schnoor, Franz, D‘Alessandro, auf der anderen Seite Schönspieler wie Petrow, aber auch die Mitläufer Karhan, Weiser, Hrgovic. Bei uns haben sich nur einige gewehrt, sagte ein restlos genervter Stefan Schnoor. Wir hätten gegentreten müssen. Es muß bei den anderen auch mal ein bißchen weh tun. Sonst hast du international keine Chance. Weh getan hatten die beiden Partien gegen Perugia aber nur dem VfL Wolfsburg: Ausgeschieden, verletzt und zerstritten standen die Profis nach dieser bitteren Lektion da.“
Oke Göttlich (FTD 28.8.) ergänzt. „Die Krücken von Marco Topic hatten schwer zu tragen. Nicht nur dem Körpergewicht des in der zehnten Minute verletzt ausgewechselten Stürmers mussten sie standhalten, sondern auch all den enttäuschten Erwartungen, nachdem der VfL Wolfsburg die Uefa-Cup-Teilnahme mal wieder verpasst hatte. Zum dritten Mal nacheinander konnte der ambitionierte Klub den UI-Cup nicht als Sprungbrett für weitere europäische Auftritte nutzen. Der AC Perugia demonstrierte bei seinem 2:0-Erfolg in der Volkswagen-Arena, wie weit Wolfsburg noch von einem Team mit internationalem Format entfernt ist. Den Träumen des VW-Konzernvorstands Folker Weißgerber und des Aufsichtsratsvorsitzenden Lothar Sander „den Zuschauern viel Faszination“ zu bieten, um für „die folgende Spiele eine tolle Begeisterung“ zu schaffen, sowie dem Wunsch „weiterhin auf der europäischen Fußballbühne vertreten zu sein“, um „das Ansehen des Klubs und seines Partners Volkswagen zu fördern“, konnte das Team jedenfalls in keiner Phase entsprechen.“
Javier Cáceres (SZ 28.8.) schreibt. „Wer den UI-Cup bislang für ein Fußball-Wettbewerb minderer Bedeutung gehalten hatte, der konnte Dienstagnacht schon staunen ob der Inbrunst, mit der die Vertreter der Associazione Calcio Perugia zu Wolfsburg den Gewinn eines Finales desselben feierten. Zé María (Akzent auf dem E und auf dem I), ein (im übrigen vorzüglicher) brasilianischer Rechtsverteidiger in Diensten der Italiener, verortete die Bedeutung des Triumphes gar in der Nähe der Copa América (Akzent auf dem E), immerhin das älteste Nationenturnier der Welt. So einige seiner Kameraden müssen das ähnlich gesehen haben, sie entledigten sich nach Spielschluss ihrer Arbeitskleidung und warfen auch ihre Hosen in die Menge. Ganz zu schweigen davon, dass sie unentwegt 20-Liter-Eimer voller Wasser aus der Kabine schleppten und damit auf Jagd nach Vereinsoffiziellen gingen, so manch ausnehmend gut und teuer aussehender Anzug litt. Und auch Trainer Serse Cosmi, ein kleiner Mann mit dem Körperbau eines Posaunisten und einer Art Dizzy-Gillespie-Bärtchen, zeigte sich von „grandi emozioni“ überwältigt und betonte, wie sehr es ihn erfülle, „eine europäische Trophäe“, die bei genauerem Hinsehen eine Erinnerungsplakette war, „mit der Mannschaft deiner eigenen Stadt fern der Heimat“ errungen zu haben, „ein Traum ist wahr geworden“. Was sich mit den Gefühlen daheim deckte – Perugias Stadtkern soll von einem Autokorso heimgesucht worden sein –, nicht aber mit jenen, die Wolfsburgs Stadion-Discjockey nach dem 0:2 zu verströmen versuchte. Er legte „Davon geht die Welt nicht unter“ auf. UI-Cup? Bah. Certo, würde der Italiener sagen, gewiss. Andererseits hatten die Verantwortlichen des VfL Wolfsburg die Partie im Vorfeld zur wichtigsten der vergangenen Jahre hochgejazzt, man zählt sich ja gerne zu den aufstrebenden Mächten des deutschen Fußballs. Ein Einzug in den Uefa-Cup, den ja der Sieg im UI-Cup verheißen hätte, und über den sich nun also Perugia freuen darf, wäre zwecks Untermauerung der Ambitionen durchaus angezeigt gewesen. So blieb Wolfsburgs Trainer Jürgen Röber als positives Fazit allein, dass sich sein Team „international bewähren konnte“; als negatives, „dass man vielleicht noch nicht so weit ist“, ähnlich ehrgeizige Mannschaften zu bezwingen.“
Kulturschock Gelsenkirchen
Richard Leipold (FAZ 28.8.) sah schwache UI-Cup-Sieger aus Schalke. “Die Voraussetzungen für eine Versöhnungsfeier waren einfach zu günstig. Hätten die Fußballprofis des FC Schalke 04 sich im zweiten Finalspiel des UI-Cups auch nur halbwegs angestrengt oder wenigstens den Tagessieg errungen – die Fans hätten ihnen am Dienstag abend gern Absolution erteilt für die vielen Enttäuschungen der vergangenen Saison. Aber die Profis machten es sich zu einfach. Mit einem 0:0 gegen den österreichischen Dorfklub SV Pasching erreichten sie zwar einen Platz im Uefa-Pokal, versäumten es aber, die Herzen ihrer Anhänger zurückzuerobern. Es ging praktisch um nichts mehr, also taten die Schalker auch nichts mehr. Der Stadionsprecher versuchte mit Worten zu retten, was mangels Taten an diesem Abend nicht mehr zu retten war. Freunde, denkt daran, daß die königsblaue Mannschaft hier schon einige vernünftige Spiele abgeliefert hat. Doch die Freunde wollten nicht an die knappen Siege über internationale Größen wie Dacia Chisinau und Slovan Liberec denken, und sie wollten sich auch nicht daran erfreuen, daß die Schalker Spieler von Abgesandten der Europäischen Fußball-Union als einer von drei Gewinnern des sommerlichen Pausenfüllers namens Intertoto Cup geehrt wurden. Die Einheimischen zogen es vor zu pfeifen und zu schimpfen – oder so schnell wie möglich die Arena zu verlassen. Beifall bekamen nur die wackeren Kicker aus Pasching, die am Ende von einer großen Mehrheit der 56.000 Zuschauer gefeiert wurden, als wären sie die Sieger. Fast das ganze Stadion zelebrierte mit ihnen La ola (…) Spätestens an diesem lauen Abend dürfte dem Fußball-Lehrer von Welt, Heynckes, gedämmert haben, was er sich für eine Last aufgeladen hat. Heynckes hatte erwartet, daß seine Mannschaft eine Reaktion auf die zuletzt schwachen Leistungen in der Bundesliga zeigen würde. Doch das kickende Personal scherte sich nicht darum. Nun hofft der Trainer auf seinen spanischen Lieblingsstürmer Fernando Morientes, dessen aktueller Arbeitgeber Real Madrid einem Transfer ins Ruhrgebiet aufgeschlossen gegenübersteht. Morientes zögert jedoch. Offenbar nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Seine Frau Victoria hat vor kurzem erst einen Wechsel nach Tottenham verhindert, weil sie sich ein Leben in England nicht vorstellen könne. Bei einem Umzug nach Gelsenkirchen wäre der Kulturschock vermutlich nicht geringer.“
Daniel Theweleit (FTD 28.8.). “Im Nachhinein hätten sie also froh sein können, dass sich kein Fernsehsender fand, der die tristen 90 Minuten übertragen hat. Assauer war dennoch schwer verärgert. Es habe noch nicht einmal einen Anruf oder eine Anfrage gegeben, „es war immerhin ein UI-Cup-Finale, aber ein Freundschaftsspiel der Bayern übertragen sie, wenn da ein Makaay erstmals spielt“. Das mangelnde Interesse der Fernsehsender ist der Hauptgrund dafür, dass Schalke 04 keinen Gewinn machen konnte mit dem UI-Cup. Eine schwarze Null werde wohl herauskommen und das, obwohl in den drei Spielen insgesamt rund 160 000 Zuschauer in die Arena gekommen waren. Aber die 42 000 Dauerkarteninhaber hatten freien Eintritt, und die „übrigen Einnahmen sind weg, wenn man den Rasen einmal rein und wieder rausfährt“, so Assauer. Der Klub hat also nicht das Geld verdient, das es erleichtern würde, die Gehaltsforderungen von Jupp Heynckes Wunschstürmer Fernando Morientes zu erfüllen.“
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