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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Schweiß, angereichert mit dem Bierdunst vom Vorabend

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Schweiß, angereichert mit dem Bierdunst vom Vorabend

In Anbetracht des Todes von Rudi Brunnenmeier spendet das Streiflicht (SZ 23.4.) dem Fußballfreund mit einem sehr lesenswerten Nachruf Trost. „Damals, in den sechziger Jahren, gingen sachverständige Münchner nicht zum FC Bayern – der war Ignoranten und Auswärtigen vorbehalten –, sondern zu den Löwen ins „Sechzger-Stadion“. Die hatten ein wunderbares Team, das den HSV einmal mit 9:2 nach Hause schickte, und noch heute können Zeitzeugen die Meistermannschaft von 1966 im Schlaf aufsagen: Radenkovic, Wagner, Patzke. .. Als neunter Name kommt Rudi Brunnenmeier. Und dann schnalzt man mit der Zunge und erinnert sich, was der für ein Stürmer war. Wenn’s bei dem lief, konnte ihn keiner halten. Der machte sein Tor, der tankte sich durch, und im engen Stadion glaubte man den Schweiß zu riechen, den er vergoss, angereichert mit dem Bierdunst vom Vorabend. 1860 ohne Brunnenmeier, das war undenkbar. Seinerzeit kursierte in München ein Witz, dem der Rang einer höheren Wahrheit gebührt. Vater und Sohn gehen zum Spiel, aber weil sie die Karten vergessen haben, läuft der Bub nochmal heim. Völlig verstört kommt er zurück: „Babba, der Brr, der Brr, der Brr…“ Der Vater erbleicht. „Babba, der Briefträger liegt mit der Mamma im Bett.“ Darauf der Alte: „Gottseidank. I hab scho gfürcht, der Brunnenmeier spielt net.“ Verbürgt ist die Geschichte vom Trainingsspiel zwischen Alkoholikern und Abstinenzlern, das der damalige Coach Max Merkel anordnete. Die Biertruppe, vorneweg Brunnenmeier, siegte mit 7:1, woraufhin Merkel befahl: „Sauft’s weiter!“ Brunnenmeier hielt sich daran, erst recht, als es vorbei war mit der Torjagd. Pleiten, Sauftouren, Knast – er ist abgestürzt und nicht wieder hochgekommen. An Ostern ist Rudi Brunnenmeier gestorben. Ginge es gerecht zu, müsste das Sechzger-Stadion seinen Namen tragen. Stattdessen will man es abreißen. 1860 und der FC Bayern bauen – horribile dictu – gemeinsam die Allianz-Arena.“

Es hat alles nichts genützt

Hans Eiberle (SZ 23.4.) schreibt rückblickend und ohne eine Spur von Verklärung. „Auf dem Spielfeld wusste Rudi Brunnenmeier, wo’s lang geht. Nach dem Schlusspfiff leider nicht. Sein Problem, so Merkel (sein damaliger Trainer, of), sei immer gewesen: „Wenn ich zu dem gesagt habe, da vorn musst du links gehen, und er hat unterwegs einen getroffen, der zu ihm gesagt hat, geh’ mit mir rechts, dann ist der Rudi mit dem gegangen.“ Meistens einen heben, oft in der „Zwickmühle“, dem legendären Fußballertreff. Merkel hielt mit psychologischen Holzhammermethoden dagegen. Er lud Brunnenmeier und Hennes Küppers nach einer Zechtour und entsprechender Trainingsleistung zu sich nach Hause ein, füllte sie mit Gumpoldskirchner ab, machte sie anderntags im Training fix und fertig in der Hoffnung, das sei den beiden Hallodris eine Lehre. Es hat alles nichts genützt. Statt die Gefahr zu meiden, wurde Brunnenmeier Besitzer eines Nachtklubs. Er stand jetzt hinter der Theke, statt davor und konnte sich selber einschenken. Stets beteuerte Brunnenmeier, er sei nicht unzufrieden mit seinem Leben. „Ich war Spielführer der Nationalmannschaft, deutscher Meister, Torschützenkönig der Bundesliga, Pokalsieger und im Europacup-Finale im Wembleystadion. Das kann mir keiner mehr nehmen.“ Glatt gelogen. In den nüchternen Phasen seines verpfuschten Lebens kehrten die Erinnerungen zurück. Daran, wie sein Friseursalon pleite ging, wie seine Frau das gemeinsame Haus verkaufte und verschwand. Wie er sein Geld in der Spielbank verzockte. An die Gefängnisstrafen wegen Trunkenheit und Urkundenfälschung. Dann litt Rudi Brunnenmeier, fürchtete Hohn und Spott, zu Unrecht auch von hilfsbereiten ehemaligen Mitspielern. Beim 30. Jahrestag der Meisterschaft fehlte er – als Einziger.“

In seiner Dorf-Stammkneipe mit guten Freunden feiern

„Er war kein großer Fußballer, aber er wird in Frankfurt unvergessen bleiben“, schreibt Thomas Kilchenstein (FR 23.4.) anlässlich des tödlich verlaufenen Autounfalls von Fred Schaub. „Es war warm am 21. Mai 1980, jenem einzigartigen Tag in der Geschichte der Frankfurter Eintracht. Es war der Tag, da die Hessen Uefa-Pokal-Sieger wurden. Borussia Mönchengladbach war der Gegner, das Finale wurde in zwei Etappen – Hin- und Rückspiel – ausgetragen. Das Hinspiel hatte Gladbach 3:2 gewonnen (…) Dann, endlich, winkte ihn Trainer Rausch herbei. Fredi, mach was, hat er gesagt. 77 Minuten waren da gespielt, als Schaub für Norbert Nachtweih auf den Platz lief. Warum gerade Schaub? Ich wollte einen bringen, der stark am Boden ist, so ein Fummler, der vielleicht aus dem Getümmel einen reinmacht, sagte Trainer Rausch gestern. Die Gladbacher hatten die besseren Kopfballspieler in ihren Reihen, im Grunde war es aber reine Intuition, dass ich den Fred gebracht habe. In den nächsten Minuten hat der bullige Angreifer keinen Ball berührt, der Torschuss vier Minuten nach seiner Einwechselung, war sein erster Ballkontakt. Und die Szene, die sein Leben verändern sollte, hat Schaub so beschrieben. Die 81. Minute lief, da flankte Charly Körbel den Ball in den Strafraum, Hölzenbein lief zum Ball, geriet ins Straucheln. Im Fallen hat er noch zwei Borussen-Spieler geblockt, und den Ball zu mir gekickt. Dann habe ich ihn gestoppt, halb rechts, sieben, acht Meter vor dem Tor von Wolfgang Kneib, völlig frei, der Holz hat ja die Gasse freigeblockt. Der Ball lag auf meinem starken linken Fuß, da war ich mir sicher, dass ich ihn reinmache. Als er dann drin war … es war ein unbeschreibliches Gefühl. Neun Minuten später war klar, dass Fred Schaub der Eintracht zum bis heute größten Vereinserfolg, so die Presseabteilung des Clubs am Dienstag, verholfen hatte. Fred Schaub war ein Volksheld. Vielleicht war es ein zu starker Moment für einen 19-Jährigen aus Heubach: Vom Nobody zum Superstar in vier Minuten. Plötzlich wollte jeder was von ihm, Schulterklopfer, Zeitungen, Fernsehinterviews, 30.000 Menschen anderntags auf dem Römer, die seinen Namen skandierten. Aber Fred Schaub war kein Star, er war ein ruhiger Mensch. Das Bankett hat er um halb Zwei verlassen, um in seiner Dorf-Stammkneipe mit guten Freunden zu feiern.“

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