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Schwierige Lage für Funkel, Heynckes, Berlin – Fach, eloquenter Fußball-Trainer

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Schwierige Lage für Funkel, Heynckes, Berlin – Fach, eloquenter Fußball-Trainer

Vorwürfe in Richtung Management

Daniel Theweleit (BLZ 4.10.) erläutert die Situation von Jupp Heynckes: „Jupp Heynckes ist desillusioniert. Ich habe keine Zeit gehabt, mich so zu informieren, wie ich das eigentlich sonst immer tue, wenn ich einen neuen Job antrete, sagt der Freund guten Rotweins und nimmt einen Schluck aus seinem Wasserglas. Wasser statt Wein, so könnte auch die Überschrift heißen über dem ersten Kapitel der Liaison zwischen Schalke 04 und Heynckes. Nach acht Jahren in Spanien und Portugal war der Trainer in der Überzeugung nach Gelsenkirchen gekommen, hier existiere eine Mannschaft, mit der man um die ersten drei Plätze in der Bundesliga spielen kann. Der Klub wird im nächsten Jahr hundert Jahre alt, die Fans träumten gar vom lang ersehnten Meistertitel zum Jubiläum. Damit wird es wohl nichts (…) Es mangelt an einer guten Mischung, die Mannschaft braucht eine Hierarchie, die jungen Spieler brauchen Kollegen, an denen sie sich aufrichten können, das Ganze ist aus dem Lot, so der Trainer. Die Vorwürfe in Richtung Management, die hinter diesen Worten stecken, sind indes nur dürftig verhüllt. Eine Kritik an Manager Rudi Assauer und Sportdirektor Andreas Müller, die ihm gestattet wird, denn man will in Gelsenkirchen unter allen Umständen eine Trainerdiskussion vermeiden. Auch wenn der kurzfristige Erfolg ausbleibt. Ohnehin lassen sich Zweifel an der Qualität von Assauers Personalpolitik der letzten beiden Jahre kaum von der Hand weisen. Der Däne Christian Poulsen (7,5 Millionen Euro) spielt höchst durchschnittlich, Sven Vermant und Victor Agali fallen selten durch starke Leistungen auf, und vom südamerikanischen Trio Gustavo Varela, Dario Rodriguez und Anibal Matellan, für den der FC Schalke immerhin fast zehn Millionen Mark nach Argentinien überwies, ist auch noch keiner zum Leistungsträger avanciert.

Ich selber habe nichts mehr zu beweisen

SpOn-Interview mit Jupp Heynckes

SpOn: Haben Sie zu spät erkannt, in welchen Mannschaftsteilen Verstärkung nötig ist?

JH: Uns fehlen Stützen in der Mannschaft, aber Transfers von Eckpfeilern eines Teams muss man von langer Hand vorbereiten, so etwas kann ein Jahr dauern. Und ich wusste nicht, dass Victor Agali eine Meniskusoperation hatte und immer wieder Probleme mit dem Knie bekommt. Wir sind davon ausgegangen, dass Emile Mpenza wieder den Ehrgeiz entwickelt, eine gute Saison zu spielen, stattdessen wollte er den Verein dann verlassen. Und wir dachten, dass Ebbe Sand zur alten Form findet. Vor der Saison hat man mir mitgeteilt, dass wir vorne gut bestückt sind. Und dann habe ich gedacht, da bauen wir schon etwas zusammen. Ich bin also davon ausgegangen, vorne gute Angreifer zu haben. Die Realität sah dann später anders aus.

SpOn: Fühlen Sie sich getäuscht?

JH: Ich glaube, die Verantwortlichen im Club sind davon ausgegangen, dass Mpenza und Agali, deren Verträge auslaufen, für neue Angebote spielen. Wir dachten, dass der Trainerwechsel einen Neubeginn für diese Spieler markiert. Ich glaube nicht, dass man mich getäuscht hat. Das waren die Hoffnungen, die man hier im Club gehabt hat.

SpOn: Und Sie selbst kannten die Situation nicht gut genug?

JH: Ich habe in Spanien gearbeitet und konnte mich nicht damit auseinander setzen, wie die Charaktere der Spieler sind, die in Deutschland spielen. Außerdem habe ich keine Zeit gehabt, mich so zu informieren, wie ich das eigentlich immer mache, wenn ich einen neuen Job antrete.

SpOn: Wie wollen Sie das Dilemma nun bewältigen?

JH: Die Spieler ziehen sehr gut mit, sie arbeiten sehr gut, sie sind engagiert und diszipliniert. Heute erst hat mir Frank Rost gesagt, dass das kein Vergleich sei zum letzten halben Jahr. Die Mannschaft will.

SpOn: Sie fordern Zeit, aber die Schalker Fans haben nun schon das ganze letzte Jahr Besserung erwartet. Wie viel Geduld ist noch nötig?

JH: (wendet stöhnend den Blick ab) Unendlich, unendlich. Nein, das wird sehr mühsam und schwierig, aber bisher habe ich eigentlich immer das Ziel erreicht, eine wettbewerbsfähige Mannschaft aufzubauen. Ich weiß, dass die Fans hier überstrapaziert werden, aber dafür bin ich nicht verantwortlich. Das ist der Ist-Zustand!

SpOn: Fürchten Sie, dass Sie bei weiterhin mäßigen Leistungen auch selbst bald Ihren Kredit bei den Fans und in der Öffentlichkeit verspielt haben?

JH: Ich kann dazu immer nur sagen, dass wir uns in einer Phase der Umstrukturierung befinden. Man braucht in einer Mannschaft eine Hierarchie. Die jungen Spieler brauchen Kollegen, an denen sie sich aufrichten können. Man braucht eine gute Mischung zwischen Alter, Erfahrung und Jugend. Das Ganze ist aus dem Lot. Bei dem Prozess, den ich hier vorantreibe, geht es nicht um mich, nicht darum, ob ich noch Kredit habe oder nicht. Es geht um Schalke 04, das müssen die Leute verstehen. Ich selber habe nichts mehr zu beweisen. Der Verein muss eine neue Ära beginnen.

Am liebsten bin ich in Köln

Die FAZ (4.10.) kommentiert die Situation von Friedhelm Funkel: „Friedhelm Funkel hat ein ganz persönliches sportliches Ziel. Der Fußballtrainer des Bundesliga-Tabellenletzten 1. FC Köln, der im Dezember fünfzig Jahre alt wird, möchte gern einmal Marathon laufen, solange er sich fit genug fühle. Das ist eine Herausforderung, so an die körperlichen Grenzen zu gehen, verriet er kürzlich. Ein Wort, das sogleich die Zyniker unter kölschen Sportfreunden auf den Plan rief. Gut möglich, heißt es, daß die Gelegenheit dafür näher ist, als Funkel lieb wäre. Denn sollte sein verunsichertes Team an diesem Samstag beim Spitzenreiter VfB Stuttgart verlieren, hätte der Trainer vielleicht schon tags darauf ausreichend Freizeit, um noch schnell beim Köln-Marathon mitzujoggen. Der Mann, dessen Mimik ohnehin wirkt, als plagte ihn ein chronisches Magenleiden, ist an derlei Derbheiten gewöhnt. Spätestens während des völlig mißratenen Heimspiels gegen Werder Bremen vor einer Woche hat sich Funkel noch ganz andere Schmähungen anhören müssen. Denn obgleich seine Profis deutlich wie nie zuvor in der jungen Saison zeigten, daß sie halt in der Mehrzahl unerfahrene und überforderte Aufsteiger sind, stand vor allem der Trainer im Mittelpunkt der öffentlichen Kritik. Funkel raus! schrie das Volk. Der erträgt das mit bewundernswürdiger Gelassenheit. Das sei Teil seiner Erfahrung, sagt er. Und widerspricht doch vehement dem Eindruck, da trainiere in Köln ein Mann, der es mit seinen Klubs, allesamt aus dem unteren Mittelmaß, halt nie in Spitzenpositionen gebracht habe und deshalb nicht sonderlich beliebt sei. Oberflächlich, sagt Funkel. So sei er einst in Uerdingen sehr populär gewesen, wo er als Profi und als Trainer arbeitete. Anschließend habe er in Duisburg sogar kaum erwarteten sportlichen Erfolg verzeichnen können, als er mit dem MSV in drei Jahren zweimal Achter und einmal Neunter wurde und das UI-Cup-Finale erreichte. Das haben sie danach nie mehr geschafft, sagt Funkel. Das wird verkannt. Ebenso, daß er Hansa Rostock als Tabellenletzten übernahm und noch auf Rang elf führte. Kurz: Überall habe ich gern gearbeitet, ergänzt er. Aber am liebsten bin ich in Köln.“

FR: „Werder Bremen befindet sich wieder auf dem Weg zu einer Spitzenmannschaft der Liga. Doch die wirtschaftliche Entwicklung kommt mit der sportlichen nicht mit. Nun steht an der Weser ein Spagat nicht ohne Risiken bevor.“

Ein Huub’sches Missverständnis?

Javier Cáceres (SZ 4.10.) beschreibt die Lage in Berlin: „Es kriselt bei der Hertha, und es kriselt gewaltig. Die bekannten Fakten: sieben Spiele, fünf Punkte, kein Sieg, Tabellenplatz 14; ein enttäuschendes 0:0 gegen eine Elf aus einem Ort namens Grodzisk-Wielkopolski im Uefa-Cup. Das ist wenig. Viel zu wenig. Vor allem für ein Team, das selbst das Ziel ausgegeben hat, sich für die nächste Champions League zu qualifizieren. Heute steht der Besuch beim FC Bayern an, dem Klub, mit dem sich Hertha gerne auf Augenhöhe messen möchte. Doch die Punkte, die heute verteilt werden, kalkulieren die Verantwortlichen lieber nicht ein. „Wir sind Außenseiter“, sagt Hoeneß. Die Lage ist fragil, weil Stevens ja nicht erst seit Juli als Trainer amtiert, sondern seit über einem Jahr. Doch wie man es auch dreht und wendet: Den Nachweis dessen, was im Fußball zählt – Siege und Spektakel – hat Stevens noch nicht antreten können. Auch jenseits der kleinen, eher durchgeknallten Gruppe derer, die Stevens’ Schalker Vergangenheit rügen, werden die Zweifel in der Hauptstadt lauter, ob der Limburger nicht vielleicht doch der falsche Mann zur falschen Zeit am falschen Ort ist – „ein Huub’sches Missverständnis?“, wie der Boulevard zu fragen beginnt. Auch taucht die Frage auf, wie viele Kratzer Hoeneß in dieser Krise verträgt. Der Manager ist in Berlin eine so dominante Figur, dass die Berliner Zeitung beizeiten vom „Hoeneß BSC“ schrieb. 1997, im Jahr seiner Anstellung, war bei Hertha nicht mal im Ansatz Struktur zu erkennen, Hoeneß hat das Vakuum persönlich und durch ein Netzwerk loyaler Mitarbeiter ersetzt, das ihm Unantastbarkeit verleiht. Denkt man sich Hoeneß aus der Führungsetage weg, so bleibt an fundiertem fußballerischen Fachwissen ähnlich viel übrig wie Spielwitz auf dem Platz in Marcelinho-freier Zeit. Hoeneß hat immens viel für den Verein erreicht, sagt ein Insider. Der will ungenannt bleiben, weil er auch raunt, dass es heutzutage „an einem Korrektiv“ fehle. Manchmal habe man das Gefühl, Hoeneß verfahre nach der Devise, dass „nicht falsch sein kann, was nicht falsch sein darf“.“

Tsp: „Hertha BSC will irgendwann die Bayern einholen, momentan ist der Aufschwung ins Stocken geraten“

BLZ: „Die Krise von Hertha BSC veranschaulicht kein Profi eindrucksvoller als Neuzugang Niko Kovac“

Nichts ist einfach!

SpOn-Interview mit Bruno Labbadia, Trainer des SV Darmstadt 98

SpOn: Wie schwierig ist es für einen Traditionsverein wie Darmstadt 98, sich sportlich und wirtschaftlich wieder nach oben zu arbeiten?

BL: Ich denke, dass viele Menschen eine ganz falsche Vorstellung von der Führung eines Fußballvereins haben. Die meinen, in der vierten Liga ist das doch ganz einfach. Doch damit liegen sie falsch. Nichts ist einfach! Schon gar nicht bei einem Traditionsverein, der oft noch in der Vergangenheit lebt und gar nicht merkt, dass sich mittlerweile einiges verändert hat. Ich habe auch hier in Darmstadt gleich zu Beginn deutlich darauf hingewiesen, dass wir seit zehn Jahren nicht mehr in der zweiten Liga waren. Wir müssen ganz kleine Brötchen backen und uns Schritt für Schritt wieder nach oben kämpfen. Das ist insbesondere unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Riesenherausforderung. Immerhin fehlen uns in der Oberliga 400.000 Euro Fernsehgelder.

SpOn: Mit dem Wechsel auf die Trainerbank haben Sie eine erfolgreiche Fußballerkarriere beendet. Wie sieht heute Ihre persönliche Bilanz aus?

BL: Ich müsste eigentlich jeden Tag in die Kirche gehen und sagen: Vielen Dank, dass ich diesen Job machen durfte! Ich habe unglaublich gern Fußball gespielt, aber ich hatte auch kein Problem, die Schuhe an den Nagel zu hängen, weil das Karriere-Ende sehr positiv war. Der Klassenerhalt mit dem Karlsruher SC bedeutet für mich auch jetzt noch so viel wie eine Meisterschaft, weil er unter ganz schwierigen Umständen zustande kam. Ich hatte übrigens auch schon einen Anschlussvertrag als Sportdirektor in Karlsruhe, aber die wirtschaftliche Situation des Vereins wurde dann sehr prekär, so dass wir uns schließlich doch getrennt haben.

SpOn: Wohin soll der Weg in den nächsten Jahren führen? Als Spieler sind Sie von Darmstadt schließlich gleich zum HSV gewechselt.

BL: Das ist schon richtig, aber so weit denke ich jetzt nicht. Ich lebe absolut im Heute, und habe gar keine Zeit, mich mit solchen Überlegungen zu beschäftigen. Aber ich muss ohnehin niemandem etwas beweisen. Außer mir selbst natürlich. Deshalb renne ich auch nicht als Phantast und Träumer durch die Gegend. Ich werde hier meine Arbeit so gut wie irgend möglich machen. Im Übrigen gilt das, was ich meinen Spielern sage, natürlich auch für Trainer: Es darf im Hinblick auf die Motivation keine Rolle spielen, ob Du einen oder eine Million Euro bekommst – wichtig ist, dass Du mit Leib und Seele dabei bist.

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