Ballschrank
„Selten war wohl ein afrikanisches Team derart diszipliniert.“
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| Donnerstag, 25. März 2004„Selten war wohl ein afrikanisches Team derart diszipliniert.“ Thilo Thielke (Spiegel) spricht von Deutschlands Vorrundengegner Kamerun, wo Ex-Bundesligatrainer und -profi Winnie Schäfer sich anschickt, mit seinen „Löwen“ nach dem kontinentalen Triumph auch auf globaler Bühne Zeichen zusetzen. Im Lager eines anderen deutschen Gegner gab es hingegen reichlich Ärger.
Außerdem: über die Sicherheitsvorkehrungen im Hotel der“zwei französischen Nationalmannschaften“, über das Fußballreporterleben und: Die FAZ berichtet vor Beginn der Weltmeisterschaft von zwei „alten europäischen, ein wenig geschrumpften, Fußballmächten“: Italien und England.
Fußball ist in Italien – nicht nur dort, aber dort besonders – immer von großen theatralischen Gesten begleitet. Die römische Tageszeitung Il Messaggero (22.5.) meldet. „Bei einem Abschiedsessen zu Ehren der italienischen Nationalmannschaft vor der Abreise nach Japan hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi seinen Azzurri jede Menge taktischer Tipps mitgegeben und versprochen, er werde auf jeden Fall zum Finale reisen, falls Italien dabei sei. Vorher hatte er launisch gedroht: Wenn ihr aber eher zurückkommt, dann schicke ich euch ins Gefängnis! In ungewohnter Selbstironie spielte er damit auf Meldungen der letzten Tage an, er übe massiv Zensur aus. Der prominente Theaterregisseur Luca Ronconi hatte bei einer Inszenierung von Aristophanes‘ Fröschen in Sizilien Bühnenbilder entfernen lassen, in denen die dargestellten Tyrannen deutlich die Züge Berlusconis, Gianfranco Finis und Umberto Bossis trugen. Berlusconi war darauf von der Presse als Zensor und kleiner Diktator beschimpft worden. Ronconi dagegen hat inzwischen bestritten, dass seine Entscheidung von irgendeiner Seite beeinflusst worden sei.“
Die französische Presse trägt nach der Niederlage der „Blauen“ im Freundschaftsspiel gegen den belgischen Nachbarn keine Bedenken über die Aussichten einer erfolgreichen Titelverteidigung. Geblieben sei aber die Einsicht, konstatiert Le Monde (22.5.), dass es zwei französische Mannschaften gebe: eine mit und eine ohne den Spielmacher Zinedine Zidane, und fügt hinzu, dass der wegen dritter Vaterfreunden suspendierte Superstar auch nicht durch den jungen Stürmer Djibril Cissé (Auxerre) ersetzbar sei. Dieser soll vor dem Abflug des amtierenden Weltmeisters, hat der Figaro (22.5.) beobachtet, noch rasch ein paar Tausend Euros für Uhren und Anzüge ausgegeben haben. Im südjapanischen Ibuzuki, wo das Team nach siebenstündigem Flug Quartier bezogen hat, konnte es sogleich erfahren, was es heißt, in Zeiten des Terrors eine WM auszutragen. Das Iwasaki-Hotel, das für seine heißen Sandbädern berühmt ist, gleicht einer Festung; man kann es nur durch eine ganze Serie von Schikanen und Metalldetektoren betreten, über dem Luxushotel kreisen ständig Helikopter. Die Equipe wird diese Festung nur für Testspiele gegen das japanische Team der Urawa Reds und die Auswahl Südkoreas verlassen.
„Warum kann nicht wenigstens das Feuilleton fußballfrei bleiben?“ fragt Florian Coulmas (SZ23.5.) – im Feuilleton. „Politikern sind wir gewohnt, ein gewisses Maß an Opportunismus zu konzedieren, den Intellektuellen aber, die dem Fußball die Reverenz erweisen, ist das übel zu nehmen. Dass in diesem Land so mancherlei im Argen liegt, bezweifeln nur wenige. Wie symptomatisch dafür der Fußballwahn ist, wird systematisch verschwiegen. Die politische Klasse, voll beschäftigt mit Mangelverwaltung und Machterhalt, hat keinen Platz für Helden. Und unter dem Eindruck der absurden Summen, die dafür ausgegeben werden, das Gerenne auf dem Rasen im Fernsehen übertragen zu dürfen, neigt die geistige Aristokratie ihr Haupt vor dem tretenden Bein und nimmt ihren Platz auf der Tribüne ein, vor der die wahren Helden unserer Zeit von links nach rechts und von rechts nach links rennen. Wo so viel Geld im Spiel ist, muss doch etwas Wertvolles dahinter stecken, lautet offenbar ihr Räsonnement.“
Über Wesen und WM-Chancen zweier alter europäischer Fußballmächte – Italien und England – erfahren wir aus der FAZ (23.5.). Dirk Schümer über Mitfavorit Italien . Über die Methoden von Englands
Mit dem Dasein eines Fußballreporters befasst sich Christoph Biermann (taz 23.5.). „So schön wird die kommende Zeit nie sein können, denn zum professionellen Reflex von Reportern gehört es, vorher erst einmal ordentlich zu maulen. Damit ist man nämlich auf der sicheren Seite, weshalb der Trip zur WM nach Korea und Japan nicht weniger als ein Albtraum ist. Weil es dahin so weit ist und im Sommer regnet und schwül ist. Weil es schon zum Frühstück eingelegten Kohl gibt. Weil man sich garantiert verläuft und die Spiele verpasst. Weil in Korea so viel Koreaner sind und in Japan noch mehr Japaner. Weil wir den Asiaten nicht verstehen und der uns auch nicht. Weil Koreaner von Fußball genauso wenig Ahnung haben wie Japaner und bestimmt an den falschen Stellen klatschen – wenn sie es denn überhaupt tun. Weil man in den Stadien nicht rauchen darf. Und teuer ist es auch. Also eins ist demnach schon mal sicher: Das wird eine ganz tolle Weltmeisterschaft.“
Über den „verblüffend erfolgreichen“ Trainer Kameruns
Ärger gibt es im irischen Lager. So wäre Kapitän Roy Keane nach einem handfesten Streit mit einigen Co-Trainern fast abgereist. In einem exklusiv Interview mit der Irish Times (23.5.) erklärt er warum: „Ich bin hierher gekommen, um mein Bestes zu geben, und das Gleiche erwarte ich von dem gesamten Team. Dieser Aufenthalt ist allerdings die Spitze des Eisbergs. Das Hotel ist zwar in Ordnung, aber wir sind hier um zu arbeiten. Warum Spieler sich verletzen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Nationalteams, die um einiges schlechter sind als wir, auf einem solchen Platz trainieren. Ich denke, es ist nicht zu viel verlangt, wenn man einen wassergesprengten Platz erwartet. Der Platz ist steinhart und daher gefährlich. Ein oder zwei Jungs haben schon Verletzungen, und ich wundere mich nur, dass nicht schon mehr passiert ist.“
zwei Artikel aus der Fußball-Historie (WM 82, WM 78)
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