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So sieht wirklich kein deutscher Meister aus

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für So sieht wirklich kein deutscher Meister aus

Frank Heike (FAZ 7.4.) sah „Grausamkeiten des bayerischen B-Teams“. „Jetzt müssen die Bayern schon Handicaps festsetzen, um der Bundesliga noch einen kleinen Reiz abgewinnen zu können. Ich glaube, wir haben den Rückstand gebraucht, sagte Oliver Kahn, das 0:2 war der Kick für uns, hier besser zu spielen. So weit ist es also gekommen in dieser, den Titelkampf betreffend, spannungsarmen Saison – die Bayern veranstalten komische Wettbewerbe mit sich selbst, um sich nach dem Ausscheiden aus der Champions League die Zeit zu vertreiben: Wie werden wir Meister mit dem größtmöglichen Demütigungsfaktor für den Lieblingsfeind aus Dortmund? Die Antwort ist längst gefunden: indem wir am Ostersamstag im Westfalenstadion gewinnen und dann fünf Spieltage vor Schluß die Meisterschaft in der Heimat der Borussia feiern. Andere interne Konkurrenzen – wie lange ohne Gegentor zu Hause, auswärts und insgesamt, die früheste errungene Meisterschaft, der Titel mit dem größten Abstand – sind schon abgeschlossen oder laufen noch, weil die Münchner so souverän und die Verfolger so verschwenderisch sind. Beim 2:2 in Hannover kam nun ein neues Spielchen hinzu: Wie lange können wir die Partie einfach verweigern, ohne daß wir am Ende verlieren? Es waren genau 76 Minuten. Bis dahin führte der Aufsteiger aus Hannover 2:0, und das in dieser Formation wohl nie wieder zusammenspielende C-Team der Bayern ohne Ballack, Scholl und Santa Cruz, dafür mit Tarnat, Trochowski und Feulner wurde von den 32.000 Zuschauern in der ausverkauften AWD-Arena verhöhnt. Nein, so sieht wirklich kein deutscher Meister aus. Das fand auch Ottmar Hitzfeld (…) Wenn die Bayern tatsächlich den Rückstand benötigt haben, um in Schwung zu kommen, müssen sie sich bei Oliver Kahn bedanken. Denn er selbst war mit zwei mißlungenen Aktionen Ausgangspunkt für dieses offensichtlich anstachelnde Hinterherlaufen. Zwei Bälle der Roten ließ der Torwart am Samstag nachmittag ins eigene Netz; zwei Schüsse, die allemal zu halten gewesen wären.“

Als ob er die Rückreise vom Länderspiel in Peru mit dem Ruderboot zurückgelegt hätte

Philipp Selldorf (SZ 7.4.) wundert sich über Münchner Schwächen und Stärken. „Auch beim Publikum in Hannover hat sich Oliver Kahn wieder eigenartig ums Volksvergnügen verdient gemacht. Der Nationaltorwart unterhielt die Zuschauer mit vielen kleinen Einlagen, als wollte er sie für das Fehlen all der großen Stars des FC Bayern auf eigene Kosten entschädigen. Hannovers Anhänger jubelten ihm bereits zu, wenn seine Abschläge im Seitenaus landeten; sie lobten und priesen ihn, als er Hannovers Verteidiger Vinicius zum Freistoß ins Tor aufforderte und den Schuss zum 0:2 ebenso großzügig passieren ließ; und sie konnten ihr Glück kaum fassen, als der Münchner Keeper einen seltsamen Ausflug aus seinem Strafraum mit einem noch viel seltsameren Hüpfer über die Bande krönte, der außer großem Gelächter die beziehungsreiche Frage hervorrief: Wo ist Oliver Kahn? Es schien der Nachmittag zu sein, an dem die Merkwürdigkeiten in seinem neuen Leben erstmals auch auf dem Fußballplatz Ausdruck finden würden (…) In der zweiten Halbzeit die Bayern mit Feulner für Schweinsteiger, Tarnat für Lizarazu sowie Trochowski für Niko Kovac. Die Partie drehte sich, und das Erstaunliche war, dass in Abwesenheit der Ballack, Scholl, Jeremies Co. Halbwüchsige wie Hargreaves, Feulner und Trochowski plötzlich das Tempo machten und Verteidiger Willy Sagnol dahinter heimlich Regie führte. „Die Jungen und Sagnol haben die Mannschaft nach vorne gepeitscht“, resümierte Hoeneß und deutete natürlich auch dieses Phänomen als Resultat gelungener Vereinsführung. Zunehmend verloren die 96er den Schwung aus der ersten Halbzeit, als sie jedem noch so nutzlosen Ball hinterhergehetzt waren. Das Ergebnis dieser Wende kam Hitzfeld „fast logisch“ vor: 1:2 durch Sagnols Kopfball; 2:2 durch Pizarros Abstauber – jener Pizarro, der so ausgelaugt wirkte, als ob er die Rückreise vom Länderspiel in Peru mit dem Ruderboot zurückgelegt hätte. Und das ist dann wohl die Moral von der Geschichte: Der FC Bayern, dessen halbes Team krank, verletzt und ausgelaugt und dessen Torwart geistig abwesend ist, vertraut sein Schicksal einer Handvoll Reservisten und A- Junioren an – und kommt trotzdem den nächsten Schritt voran.“

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