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Sonntags-Spiele in Dortmund und Kaiserslautern
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| Donnerstag, 25. März 2004Sonntags-Spiele in Dortmund und Kaiserslautern – FAS-Interview mit Klaus Toppmöller über sein Verständnis vom Trainersein – Trend: Manager und Sportdirektoren (Dietmar Beiersdorfer, Dieter Hoeneß, Andreas Rettig) werden für Misserfolg verantwortlich gemacht (FTD, Spiegel)
Borussia Dortmund – Hamburger SV 3:2
Freddie Röckenhaus (SZ 4.11.) hat Klaus Toppmöller zugehört: „HSV-Trainer Klaus Toppmöller war sichtlich erschrocken über die Art und Weise, wie seine neue Mannschaft eine 2:0-Führung binnen fünf Minuten herschenkte: „Dass meine erfahrenen Spieler so einbrechen, ist völlig unverständlich.“ Und Bastian Reinhardt, dem bei Hamburgs erstem Torschuss das 1:0 gelungen war, meinte gar: „Du stehst vor einem Scherbenhaufen.“ Die Trauer der Hamburger war beeindruckender als zuvor ihre Leistung.“
Wolfgang Hettfleisch (FR4.11.) rügt Toppmöller für dessen „Nachtreten“: „Natürlich müssen frisch angeheuerte Führungskräfte rasch etwas vorzeigen, um zu rechtfertigen, dass man sie geholt hat und sie obendrein großzügig entlohnt. Das ist im Bundesliga-Club nicht anders als in jedem x-beliebigen Unternehmen. Stellt sich der Erfolg nicht gleich ein, gilt es hier wie dort als probates Mittel, auf Versäumnisse aus der Vergangenheit hinzuweisen. Intern. Man kann darauf wetten, dass vor Jahresfrist auch Zweifel an den Trainingsmethoden bei Bayer Leverkusen kursierten, als der Champions-League-Finalist desselben Jahres unter Toppmöller Woche für Woche tiefer in die größte sportliche Krise der Clubgeschichte schlitterte. Öffentlich thematisiert wurde das nicht. Selbst der Boulevard pflegt derlei in den unverfänglicheren Hinweis zu packen, da lasse einer seinen Spielern zu viel durchgehen. Der triezt sie nicht, würde der Fußball-Dolmetscher übersetzen, deshalb sind sie nicht fit. Berufsmäßige Fußballtrainer haben wohl ein selektives Gedächtnis, und vermutlich ist das auch ganz gut für ihr Seelenheil. Leider bestätigt das Nachtreten von Toppmöller, was reihum konstatiert wird: Es ist frostiger geworden in der Liga. Wir werden ihn vermissen, Toppi, den netten Kerl aus Rivenich.“
Sehr lesenswert! FAS-Interview mit Klaus Toppmöller (vor dem Spiel in Dortmund)
FAS: Hat die rohe Art des Rauswurfs Ihres Vorgängers Kurt Jara Ihren Start beim HSV erschwert?
KT: Solche Turbulenzen zu Beginn eines Jobs habe ich noch nie erlebt. Bisher bin ich immer mit offenen Armen empfangen worden. Aber fast alle Spieler hatten einen sehr guten Draht zu Jara. Ich habe den Spielern gesagt, daß ich sie verstehen kann, wenn sie Jara nachtrauern. Dann war für mich das Wichtigste, erst mal richtigen Kontakt zu finden. Das hat schon gut geklappt. Sie merken, ich mache ein gutes Training, mit mir kann man reden. Meine Spielphilosophie rüberzubringen, das wird etwas länger dauern. Deshalb trainiere ich jetzt verstärkt taktische Dinge. Die 50, 100 Grundregeln, die jeder draufhaben sollte, werden oft nicht befolgt.
FAS: Bei allem Respekt: Die Grundregeln werden Sie ja nicht neu erfunden haben, die dürften die Hamburger wohl schon draufhaben?
KT: Setzen Sie nichts voraus, wenn Sie als Trainer irgendwo neu hinkommen. Romeo zum Beispiel: Wenn er in der Spitze angespielt wird, läßt er die Bälle aus der Gefahrenzone prallen. Oder auf den Außenbahnen – da packen wir die Blutgrätsche aus, rutschen an Ball und Gegner vorbei, der zieht nach innen, und es wird gefährlich. Das Abwehrverhalten bei Standardsituationen müssen wir üben. Wir haben alle vier Gegentore bei Standards gekriegt, keines aus dem Spielverlauf. Dann dürfen keine Lücken zwischen den Mannschaftsteilen entstehen. In Unterhaching habe ich mit einer Dreier-Abwehrkette gespielt, davor eine weitere Dreierreihe im Mittelfeld. Natürlich sollten die Mittelfeldspieler an den Außenlinien bei gegnerischem Ballbesitz zu Außenverteidigern werden. Aber das klappte überhaupt nicht, das war zum Grausen.
FAS: Sie wären fast Trainer des FC Barcelona geworden. Woran ist es gescheitert?
KT: Am Einspruch der holländischen Fraktion mit Johan Cruyff an der Spitze. Er ist Berater und Freund des neuen Präsidenten von Barca, Laporta. Wäre ein anderer Präsident geworden, wäre ich heute Trainer dort, nicht Rijkaard. Ich hatte als einziger Kandidat ein klares Konzept. Ich habe Barca darauf aufmerksam gemacht, daß sie einen Super-Torwart ablösefrei verpflichten konnten – den türkischen Nationalspieler Rüstü. Den haben sie dann auch ohne mich geholt. Dazu wollte ich Marques, Lucio und Bernd Schneider. Aber leider ist es an der Holland-Connection gescheitert.
FAS: Sie betonen immer wieder, Geld wäre Ihnen nicht wichtig. Aber Sie gelten als einer der härtesten Verhandlungspartner mit den höchsten Forderungen. Wie paßt das zusammen?
KT: Geld ist mir wirklich nicht wichtig. Wenn ich genug zu essen habe, reicht mir das eigentlich. Ich habe in Salmrohr mit 3000 Mark brutto angefangen, dann kriegte ich 8000 brutto, das machte mir gar nichts aus. Aber irgendwann stellt sich deine Klasse heraus. Und wenn du gefragt bist, hast du einfach deinen Preis. Wenn ich Calmund gesagt hätte, mir genügen 10 000 im Monat, hätte er mich doch gar nicht erst nach Leverkusen geholt.
FAS: Es gibt aber Unterschiede zwischen hohen und sehr hohen Forderungen.
KT: Bei mir ist im Preis aber auch alles drin. Ich rechne keine Fahrkosten ab, wenn ich einen Spieler beobachte. Dann verdienen viele Trainer bei Transfers noch mit. Ich nicht. Wenn jemand meinen Preis nicht zahlen will, habe ich überhaupt kein Problem damit. Würde ich nur aufs Geld schielen, wäre ich übrigens in Moskau. Ich sagte Ihnen: ,Wenn ihr wirklich ins Viertelfinale der Champions League wollt, dann müßt ihr aber auch Spieler wie Beckham und Figo kaufen.‘ Darauf antworteten Sie: ,Und wo liegt das Problem?‘ Am Geld scheitert es in Moskau nicht, nur will da keiner hin. Wenn sie die Schwierigkeiten mit der Sicherheit hinkriegen, wird es sicher eine Welle dorthin geben.
AS: Sie sollen Luxus hassen. Stimmt das?
KT: Ja, ich bin ein einfacher Mensch vom Lande. Ich fühle mich bei kleinen Leuten am wohlsten.
FAS: Heißt das, daß Sie Angst vor großen Leuten haben?
KT: Nein, ich habe kein Problem, mich in diesen Kreisen zu bewegen. Aber mir ist das alles zu gekünstelt. Ich gehe lieber zu Leuten, denen man die Wahrheit ins Gesicht sagen kann. Wenn ich schon einen Anzug anziehen muß, um irgendwo hinzugehen, fühle ich mich nicht richtig wohl.
FAS: Das sieht man Ihren Anzügen an.
1. FC Kaiserslautern – Bayer Leverkusen 0:0
Erste Anzeichen von Übermut in Leverkusen?
Martin Hägele (SZ 4.11.) wundert sich über die Zufriedenheit der überlegenen Leverkusener: „Vor einem Jahr wäre Reiner Calmund vermutlich ein paar öffentliche Tode gestorben vor lauter Wut darüber, wie leichtfertig seine Bayer-Profis zwei Punkte im Fritz-Walter-Stadion verschenkt hatten. Am Sonntagabend aber stand der Manager im Pressesaal des 1. FC Kaiserslautern wie Papa Gnädig und konnte seine Lieblingsrolle spielen. Nachdem nun in der Auswahl des Abteilungsleiters Klaus Augenthaler fast alles wieder stimmt, wird das Fußballjahr bei Bayer 04 Leverkusen ziemlich sicher im Guten enden. In sichtbar prächtiger Stimmung machte sich der frühere Fußballberichterstatter rheinischer Lokalblätter einen Jux daraus, seinen Nachfolgern den Text über das 0:0 beim FCK möglichst positiv zu formulieren: „Mit Sicherheit wollte keiner verlieren, beide Mannschaften hätten mehr tun können, am Ende eines schwachen Spiels begnügte sich jeder mit einem Punkt.“ Man kann dem Medien-Entertainer nur wünschen, dass er und seine Leute den zwei auf pomadige Weise verschenkten Zählern nicht irgendwann einmal werden nachheulen müssen. Es spricht für das zurückgewonnene Selbstvertrauen in Leverkusen, wie souverän da der Verlust der Tabellenführung weggesteckt wurde. Oder handelt es sich dabei schon um die ersten Anzeichen von Übermut angesichts der sportlichen Kraftverhältnisse in der ersten Viertelstunde? Das sah aus, als träten die Haarlem Globetrotters gegen eine kurzfristig zusammengestellte Auswahl vom Pfälzer Wald an, so unterschiedlich gingen die beiden Teams mit dem Spielgerät um; virtuos und elegant wirbelte die Connection do Brasil um Franca und Robson Ponte – plump und hausbacken dagegen die Lauterer, die den Ball spätestens nach zwei Kontakten brav beim Gegner ablieferten.“
Frank Schneller (FTD 4.11.) stellt fest, dass zunehmend die Manger und Sportdirektoren in Frage gestellt werden: „Wie es aussieht, steckt hinter der Trainerkrise oft eine Managerkrise. Das umstrittene Vorgehen der HSV-Verantwortlichen bei der Entlassung von Trainer Kurt Jara ist bestes Beispiel dafür – und lenkt zugleich von strukturellen Missständen ab. Auch die Art und Weise, mit der Mönchengladbachs Manager Christian Hochstätter sich Lienen entledigte und seinen Freund Holger Fach bis zur Inthronisierung bei Rot-Weiß Essen in Wartestellung versetzte, kann – wie von Bochums Trainer Peter Neururer – als Verfall der Sitten angeprangert werden. Doch die eigentlichen strategischen Fehler des Managements dürften nach wie vor „viel zu selten beleuchtet“ werden, wie Ligakritiker Paul Breitner feststellt. Wo es wie bei Eintracht Frankfurt keine starke Entscheiderebene gibt, ist Kontinuität meist ein Fremdwort. Sogar in Schalke fehlte vor der Verpflichtung von Jupp Heynckes offenbar jemand, der Manager Rudi Assauer vor Fehlern bewahrte. Sonst hätte Heynckes sicher nicht schon erklärt, er sei von anderen Voraussetzungen ausgegangen, als er kam – auf einige Probleme habe man ihn nicht hingewiesen. Vor allem in den Medienmetropolen Hamburg, Köln und Berlin, wo gern vom Ruhm vergangener Tage geträumt wird, sind keine schlüssigen Konzepte zu erkennen. Allein: Verantwortlich gemacht werden stets jene, deren Gehalt das Schmerzensgeld bereits beinhalten soll: die Trainer. Dass auch das Salär nahezu aller Manager, Sportdirektoren und hauptamtlicher Vorstände fürstlich ausfällt und manchen Etat empfindlich belastet, wird gerne übersehen. „Die verdienen so viel Kohle für Leistungen, die in der freien Wirtschaft nicht halb so gut honoriert werden“, sagt ein Spielerberater. Für die Personalpolitik des HSV, der vor Saisonbeginn den in die Jahre gekommenen Stefan Beinlich als Spielmacher holte, war nicht nur Kurt Jara verantwortlich. Auch ist das mittelmäßige Team von Hertha BSC nicht alleiniges Produkt von Trainer Huub Stevens, sondern Ergebnis von Manager Dieter Hoeneß’ jahrelang betriebener Einkaufspolitik. „Wir haben die Mannschaft überschätzt“, räumt man nun im Hertha-Vorstand ein. Dass Hoeneß seinem Noch-Coach ein Ultimatum stellte, das die Berliner Probleme keineswegs löst, ist daher weniger unter moralischen denn strategischen Gesichtspunkten anfechtbar.“
Zeiten der Krisensicherheit sind vorbei
Jörg Kramer Michael Wulzinger (Spiegel 3.11.) ergänzen: „Dass die Manager in Haftung genommen werden für ihre teilweise einsamen Trainerentscheidungen, gehörte bisher nicht zu den Merkmalen der Bundesliga. Jahrelang galt die Position des Sportdirektors als Traumjob für ehemalige Profis, die auch nach ihrer Kickerkarriere nichts konnten außer Fußball. Als schwer vermittelbar galten sie allenfalls, wenn sie, wie Bernd Hölzenbein bei Eintracht Frankfurt, mit der Steuergesetzgebung in Konflikt gerieten oder sich, wie Rolf Rüssmann beim VfB Stuttgart, mit fast der gesamten Belegschaft überwarfen. Doch die Zeiten scheinen vorüber, da der Posten des Managers als einer der wenigen in der schnelllebigen Fußballbranche krisensicher war. Wie die Stimmung gegen die sportliche Leitung umschlagen kann, erfährt derzeit wohl niemand so krass wie Dietmar Beiersdorfer. Weil der Sportdirektor des Hamburger SV am Montag vor zwei Wochen der Öffentlichkeit noch vormachte, den schwächelnden Trainer Kurt Jara zu stützen, am Mittwoch aber bereits die Verpflichtung Klaus Toppmöllers als neuen Chefcoach bekannt gab, verpasste Bild ihm den Beinamen Lügen-Baron. Nun tut der frühere Abwehrspieler in Pressekonferenzen öffentlich Buße (Dass es keine Meisterleistung war, muss man bestätigen) und ist, wie ein Branchenkenner raunt, schon nach 15 Monaten im Amt schwer angezählt. Kaum anders ergeht es Andreas Rettig, dem Manager des 1. FC Köln. Er hat, weil er sich im Gegensatz zu Beiersdorfer über Monate in Geduld übte, wegen seines Festhaltens an Trainer Friedhelm Funkel weite Teile des kölschen Kosmos gegen sich aufgebracht. Der spröde Coach, der nach Heimspielen wie dem 1:4 gegen Werder Bremen von vier Bodyguards aus der Arena geleitet werden musste, stand monatelang in einer Art medialem Sperrfeuer. Trotz des geglückten Aufstiegs titelte Bild bereits in der Sommerpause: Wann fliegt Funkel? Rettig hielt zu dem Fußball-Lehrer, weil ich ihn nach Abwägen von 25 Kriterien für den besten verfügbaren Trainer gehalten habe. Gemessen an den Usancen der Bundesliga spielte der Manager mit offenen Karten. Er informierte Funkel, dass er mit möglichen Nachfolgern, darunter dem Schweizer Meistertrainer Marcel Koller, bereits Gespräche geführt habe. Denn: Wenn eine Entscheidung für einen anderen Trainer nur fünf Prozent mehr für den 1. FC Köln bringt, dann bin ich auch so leidenschaftslos, dass ich Funkel entlasse. Am vorigen Donnerstag, zwei Tage nach dem peinlich-mühevollen 3:2-Sieg gegen die Amateure des VfL Wolfsburg, war es so weit. Funkel bekam die Kündigung – und Rettig wird sich in den nächsten Wochen fragen lassen müssen, ob er zu spät gehandelt habe. In Rettigs Streben, sich nicht fremdbestimmen zu lassen, steckt auch das Risiko, am Ende keine Verbündeten mehr zu haben. Der Berliner Leidensgenosse Hoeneß hat für seine Einsamkeit im Amt einiges getan. Weil er sich in der polemischen Diskussion um Huub Stevens immer mal wieder persönlich angegriffen fühlte (Stürzt Hoeneß mit?), beschwerte sich der Hertha-Manager in den Redaktionen – in der Regel nicht bei den verantwortlichen Autoren, sondern bei deren Chefs. Damit sind ihm weitere Attacken aus dem journalistischen Unterholz sicher. Dass Hoeneß sich immer wieder auf diese Art und Weise ausweint, sagte ein Berliner Boulevardjournalist nach dem gewonnenen Pokalspiel in Rostock, kommt hier bei den Kollegen nicht so gut an.“
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