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Sonntags-Spiele in Schalke und Berlin – Simak wolle Karriere beenden, meldet die SZ
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| Donnerstag, 25. März 2004
Hertha Berlin – Hamburger SV 1:1
Javier Cáceres (SZ 30.9.) berichtet Berliner Enttäuschung: „Nach der Uefa-Cup Blamage vom Mittwoch gegen Grodzisk/Polen hatte Trainer Huub Stevens seine Mannschaft derb und öffentlich ermahnt, und immerhin einen, von Hoeneß, Stevens und dem zur Halbzeit applaudierenden Publikum bejahten Effekt hatte dies: Eine Stunde lang brauchten sich die Herthaner in Sachen Einsatz, Konzentration und Disziplin nichts vorwerfen zu lassen. Heraus kam zwar ein Fußball, der so inspirierend und schwungvoll war wie Türme aus Bauklötzchen, andererseits aber zur Führung reichte, weil der gleichfalls kriselnde HSV ein noch profilloseres Spiel bot. Dann aber zwickte es Neuendorf im Oberschenkel, und am Spielfeldrand bereitete sich der Mann auf seinen Einsatz vor, an dem alles zerbrach wie das Licht in einem Prisma, die Stimmung im Stadion, die Ordnung, das Spiel: Niko Kovac, im Sommer heimgekehrter Mittelfeldspieler. Er wurde mit Pfiffen begrüßt, vergaloppierte sich im Mittelfeld und trug das Seinige dazu bei, dass der HSV eine Übermacht erlangte, die alles andere als absehbar war. Vermutlich kann Hertha sogar von Glück sprechen, dass der Ausgleich erst in der 91. Minute fiel. Aufgrund der zweiten Halbzeit, sagte Schlicke, „haben wir hier zwei Punkte verschenkt“. Quittiert wurde der Ausgang vom Berliner Anhang mit Pfiffen; die Lage wird für Stevens mit jedem Tag komplizierter.“
Zwischen Euphorie und Depression
Christian Ewers (FTD 30.9.) berichtet Hamburger Jubel: „Die Trikots der Gegenspieler hatten sie sich wie erbeutete Felle um den Hals gelegt, und manch einer der Hamburger Fußballprofis war so stolz, dass er mit durchgedrücktem Kreuz in die Umkleidekabine marschierte. Irgendwie konnten sie sich ja auch als Sieger fühlen. Die HSV-Fans feierten selbst Mannschaftsbetreuer Hermann Rieger, als habe der gerade das entscheidende Tor zur Meisterschaft geschossen. Auf dem Weg in die Kabine trafen die HSV-Spieler dann ihre Berliner Kollegen. Die hatten ein Stahlbad hinter sich. Sie wurden von den eigenen Fans angepöbelt und ausgepfiffen; mit hängenden Schultern schlichen sie über die Tartanbahn. Was war passiert? Hatte der HSV 5:0 gewonnen in Berlin? War Hertha abgestiegen? Nichts davon. Auf der Videowand leuchtete ein unspektakuläres Ergebnis auf. 1:1 – Punkteteilung. Die heftigen Publikumsreaktionen angesichts eines solch bescheidenen Resultats sagen viel aus über den Zustand der beiden Klubs. Sie oszillieren selbst zwischen Euphorie und Depression.“
Schalke 04 – Eintracht Frankfurt 1:1
Limitierte Fähigkeiten
Richard Leipold (FAZ 30.9.) beobachtet Heynckes und Assauer in Argumentationsnot: “Die beiden Koalitionspartner vollführen einen verbalen Parallelschwung, der so wenig überzeugt wie das rätselhafte Gekicke vorher auf dem Rasen. Die aktuelle Hochrechnung verheißt nichts Gutes. Sieben Punkte aus sieben Spielen: Bliebe dieser Trend bis zum Saisonende gültig, wäre der Abstieg nur schwer zu verhindern. Vor einem Jahr hatten die Schalker nach sieben Runden zwölf Punkte. Zufrieden waren sie auch damit nicht gewesen, weil die Mannschaft nicht sonderlich attraktiv Fußball gespielt hatte. Der Jahrgang 2003 indes weiß seine limitierten Fähigkeiten bisher nicht mit akzeptablen Ergebnissen zu kaschieren. Natürlich hat Heynckes Erklärungen dafür, und zwar immer die gleichen: zu viele Verletzte, zu viele junge Profis, zu wenig automatisierte Spielzüge. Uns fehlen Eckpfeiler, die auf dem Platz das Zepter übernehmen können. So dümpelt eine Ansammlung durchaus williger Fußballspieler nahezu führungslos über den Rasen. Die Partie gegen Frankfurt war exemplarisch für die Schwächen, die sich laut Heynckes nur in einem langwierigen Trainingsprozeß ausmerzen lassen. Selbst wenn Schalke in Führung geht wie gegen die Eintracht, stellt sich kein Gefühl von Sicherheit ein – als suggerierte das Unterbewußtsein den Spielern, daß sie den Ansprüchen nicht gewachsen seien. Wenn die Zeit vergeht wie im Fluge und das zweite Tor nicht fällt, würden die Gegner immer mutiger vor lauter Freude, in dieser Arena spielen zu dürfen, sagt Assauer. Bei uns dagegen werden die Beine unruhig. Mittelfristig müsse Schalke wieder mehr in Beine investieren. Bis dahin muß Heynckes den Mangel verwalten (…) So hat die Koalition zwischen Trainer und Manager die ersten sieben mageren Wochen überstanden. Und was machen die Fans? Ihnen hatte besonders Assauer eine Zeitlang vorgeworfen, sie würden die Mannschaft mit ihrer Ungeduld verunsichern. Gegen Frankfurt störte das Publikum nicht ein einziges Mal; erst nach dem Spiel pfiffen die Anhänger auf ihre ungeliebten Lieblinge. Sonst war Ruhe. Die Ruhe vor dem Sturm?“
In der Fußballbranche sind psychische Schwächen ein Tabu
„Jan Simak, 24, will aussteigen und nicht mehr Profi sein. Sofort!“, meldet Jörg Marwedel (SZ 30.9.): „Er wolle nur noch nach Hause; selbst das Geld, das er bis 2007 verdienen könnte – so lange läuft der Vertrag mit seinem „Besitzer“ Bayer Leverkusen – sei ihm derzeit völlig egal. Die Äußerungen würden zu der von Berater Christoph Leutrum vergangene Woche in Umlauf gebrachten Diagnose passen, Simak leide unter depressiven Schüben. Bei Hannover 96 dagegen hatten die Verantwortlichen dieser These zuletzt massiv widersprochen. Gestern drohten sie dem Profi erneut mit Regressforderungen. Auch Rangnick, der zunächst gesagt hatte, Simak brauche Hilfe, ist auf diesen Kurs eingeschwenkt. Sportdirektor Ricardo Moar wiederum unterstellte Leutrum, er selbst habe wohl psychische Probleme, wenn er solche Dinge verbreite. Niemals, so Moar, habe es Anzeichen für eine Depression gegeben: „Jan hat doch jeden Tag Witze gemacht.“ Eine Äußerung, die auf wenig Wissen über depressive Erkrankungen schließen lässt, aber zur Fußballbranche passt, in der psychische Schwächen ein Tabu sind. Der Berater jedenfalls wundert sich über das Verhalten der 96-Führung. Schließlich habe man nach Simaks erstem Aussetzer zu Saisonbeginn, als er zwei Tage verschwunden war und ein Fotoshooting für das offizielle Mannschaftsfoto verpasste, gemeinsam mit Rangnick am Tisch gesessen und einen Therapeuten gesucht. Das Problem: Der Profi habe die vereinbarten Termine nicht wahrgenommen.“
„Fatalerweise hängt das sportliche Wohl des Traditionsklubs sehr eng mit der Laune und. dem psychischen Befinden des tschechischen Professionals zusammen“, ergänzt Martin Hägele (NZZ 30.9.): „Eine Viertelstunde lang passte auf dem Betzenberg von Kaiserslautern alles zu den jüngsten Elogen über Hannover 96. Als „hochgerüstete Topmannschaft“ hat der DSF-Kritiker Udo Lattek die Mannschaft von Ralf Rangnick neulich eingestuft. Die Altmeister Otto Rehhagel und Ottmar Hitzfeld schwärmten in seltener Einigkeit vom Offensivfussball à la Hannover. Und aus den Worten von Goalgetter Fredi Bobic, der aus der Kanzlerstadt in den Verein der Hauptstadt weitergezogen war, konnte man fast Wehmut heraushören, als er das Spiel seiner alten Kameraden mit dem „Tanz auf der Rasierklinge“ verglich, so aufregend und riskant sei es. An diesem Samstag in der Pfalz schien sich Hannover für längere Zeit als neues Mitglied in den Top Five der Bundesliga zu etablieren. Das Publikum im Fritz-Walter-Stadion hatte schon den Daumen gesenkt über seine sonstigen Lieblinge. In diesem Moment aber liessen sich die Besucher aus der norddeutschen Tiefebene einschläfern vom simplen Kick and Rush der Pfälzer, „herunterziehen auf deren Niveau“, wie es der Coach ausdrückte. Für Rangnick war klar, dass dies normalerweise nicht passiert wäre, „mit Jan Simak hätten wir die abgeschossen“. Leider aber war der Spielmacher und Goalgetter der Niedersachsen zu diesem Zeitpunkt noch immer verschollen; irgendwo in Tschechien. Offensichtlich befand sich das komplette Team der 96er in Gedanken mit dem Arbeitskollegen auf der Flucht. Seit Dienstag habe man gerade mal vier Minuten über Fussball geredet, berichtete Rangnick, ansonsten ging es nur noch ums Schicksal des vermissten Stars. Leidet er unter Depressionen? Wo in seiner Heimat hält er sich versteckt? Und macht er wirklich in Prag ein Bistro auf, wie es ein paar Boulevard-Reporter vermuteten, die dem Richard Kimble der Bundesliga ziemlich nahegekommen waren?“
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