Ballschrank
Sonstiges
Kommentare deaktiviert für Sonstiges
| Donnerstag, 25. März 2004erneut Schiedsrichterdiskussionen in Italien: „wo war Pierluigi Collina, der E.T. der Fussballstadien, an diesem verhexten Wochenende?“ (NZZ) – „das Verschwinden der Soccer Moms“ (NZZ) erklärt den schweren Stand des Fußballs in den USA u.v.m.
Zweite Liga – Markus Schäflein (SZ 8.3.) berichtet das 2:2 im Franken-Derby: „Football is coming home, dröhnte es aus den Boxen. Zum ersten Mal seit 25 Jahren fand ein Treffen zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth und dem 1. FC Nürnberg wieder in Fürth statt. Um sich im Kampf gegen den Abstieg den Heimvorteil zu sichern, hatte die Spielvereinigung diesmal auf einen Umzug ins Frankenstadion verzichtet – und auf viel Geld. Die Entscheidung lohnte sich nicht. Das Spiel endete 2:2; Fürth befindet sich nun auf einem Abstiegsplatz. Einen Teil der entgangenen Einnahmen schoss ein Sponsor zu; eine weitere Maßnahme brachte den Fürthern ein bisschen Geld und viel Ärger: Eine Karte für das Spiel gegen den Club verkauften sie am Ende des Vorverkaufs nur noch zusammen mit einem Ticket für das anschließende Treffen mit Rot-Weiß Oberhausen. Der Eintritt für einen normalen Stehplatz kostete plötzlich 18 Euro (zweimal acht Euro plus zwei Euro Top-Zuschlag). Natürlich ließ sich dadurch niemand vom Kauf einer Karte abhalten. Am Samstagnachmittag bot sich in der Fürther Geschäftsstelle aber ein seltsames Szenario: Anhänger des 1. FC Nürnberg kauften Tickets für das Spiel Fürth gegen Oberhausen, um sie an Ort und Stelle zu zerreißen.“
Quatar kauft Nationalspieler, Christian Eichler (FAS 7.3.) zuckt die Achseln: „Wo das nur enden wird? Auf eines, ein letztes im Fußball konnte man sich verlassen: daß Nationalmannschaften Nationalmannschaften waren. Daß Brasilianer Brasilianer waren und Qatarer Qatarer. Nun wird der Brasilianer Ailton ein Qatarer und der Brasilianer Dede vielleicht auch. Dazu müssen sie nicht mal einen arabischen Opa im Stammbaum angeben, nur eine Kontonummer: fürs siebenstellige Handgeld. Vereinsfußball wurde immer vom Gehalt bestimmt, Auswahlfußball aber von der Geburt; dort entschied die Herkunft des Geldes, hier die des Menschen – ein Gegensatz, der einen großen Reiz des Spiels ausmachte. Damit das so bleibt, will der Internationale Fußball-Verband, alarmiert vom Ailton-Fall, nun seine Regeln verschärfen und Nachahmer verhindern. Auf daß der Fußball kein Qatar-Leiden bekomme. Die Globalisierung erreicht hier einen Punkt, an dem die Fußball-Bühne ein Fall fürs absurde Theater wird. Aber auch das Komödiantische kommt nicht zu kurz – die Vorstellung von Ailton als Araber belebt komische Phantasie. Das erlaubt es, die Sache nicht allzu ernst zu betrachten. Denn sein Gang ins Morgenland ist nicht der Untergang des Fußball-Abendlandes.“
Martin Pütter (NZZ 9.3.) bewundert englische Fankultur: „Trotz den ausufernden Spielkalendern gibt es in England jedes Jahr ein oder zwei Spiele, die über das Matchtelegramm hinaus in Erinnerung bleiben, ja Gesprächsstoff auf Jahre hinaus liefern. Als Beispiele können die torreichen Partien zwischen Liverpool und Newcastle United Mitte der neunziger Jahre genannt werden; sie gehören zum festen Bestandteil der TV-Sendungen über Highlights vergangener Saisons. Seit letztem Samstag zählt neu der Viertelfinal im FA-Cup zwischen dem FC Portsmouth und Arsenal dazu, obwohl das Bemerkenswerte nicht auf dem Rasen (klarer 5:1-Erfolg von Arsenal), sondern rund um das Spielfeld herum geschah. Als die Londoner nach dem Schlusspfiff das Spielfeld verliessen, erhielten sie von den 20000 Zuschauern im ausverkauften Fratton Park stehende Ovationen. Ob so viel Anerkennung wurde selbst ein Profi wie Thierry Henry weich. „So etwas habe ich noch nie erlebt“.“
Der E.T. der Fussballstadien
Peter Hartmann (NZZ 9.3.) erlebt wieder einmal Diskussion um italienische Schiedsrichter: „Wo war Pierluigi Collina, der gute Mensch aus Viareggio, der E.T. der Fussballstadien, an diesem verhexten Wochenende? Die italienischen Schiedsrichter, die einen Ruf als pragmatische, situationsnahe Regel-Interpreten zu verteidigen haben, sind in Teufels Küche geraten. War es der Vollmond? Das Wetter (in Bologna musste Referee Messina das Spiel gegen Lazio Rom absagen, der Schneematsch lag zwei Fuss hoch)? Im Römer Stadio Olimpico aberkannte Schiedsrichter Rossetti allein in der ersten Halbzeit drei Tore der AS Roma, und zwei davon waren zweifelsfrei makellos korrekt. Zum Glück, für die Römer und auch ein bisschen für den Unparteiischen, gelang dem Jungstar Cassano noch vor der Pause das 1:0 gegen Inter, und am Ende, in der Euphorie nach dem 4:1-Sieg, waren die Fehlentscheidungen bloss noch Futter für die Hohepriester der Schiedsrichterpolemik in den Fernsehstudios. Die „Moviola“, wie die Zeitlupen-Wiederholung in Italien heisst, offenbarte, dass der Brasilianer Emerson beim ersten aberkannten Treffer nicht im Abseits gestartet war. Und dass der Stopper Walter Samuel bei seinem Kopfball den Inter-Torhüter Toldo überhaupt nicht behindert hatte; der Ball war Toldo vielmehr einfach aus den Händen gerutscht. Am Abend zuvor war die schläfrige Juventus-Meistermannschaft in Brescia 0:2 in Rückstand geraten, aber dann schien sich, einmal mehr, die Legende von der vorauseilenden Unterwürfigkeit der schwarzen Männer gegenüber der „Alten Dame“ zu bewahrheiten. Schiedsrichter Bertini pfiff im Zweifelsfalle immer für die Turiner und fiel auf eine Schwalbe von Nedved herein, liess aber, wie vom schlechten Gewissen gepeinigt, den Elfmeter dreimal ausführen, weil Miccoli bei seinen Anläufen kurze Stopps eingelegt hatte. Miccoli behielt die Nerven und fetzte den Ball jedes Mal ins Netz. Beim zweiten Juve-Tor bewegte sich Di Vaio im Offside. Bertini übersah ferner ein Penaltyfoul am Brescia-Stürmer Mauri. Das Spiel endete 3:2 für Juventus und mit Schmährufen des Publikums: „Moreno! Moreno!“, in Erinnerung an den ecuadorianischen Beelzebub, der Italien aus der WM komplimentiert hatte. In Ancona verwies Schiedsrichter Palanca den Veteranen Ganz vom Platz und nicht den Verteidiger, der ihn umgemäht hatte. In Verona klaubte Pellegrini gerade die gelbe Karte für einen Empoli-Abwehrspieler aus der Tasche, als Chievo ein Tor erzielte. In Udine wurde Karsten Janker, ja, er spielt noch, gelegentlich, um einen klaren Elfmeter geprellt. Ein Tag, der nach der Einführung des Video-Schiedsrichters rief, den Sepp Blatter nicht in die Stadien lässt.“
Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse, Tabellen, Torschützen, Zuschauer NZZ
Das Verschwinden der Soccer Moms
Rod Ackermann (NZZ9.3.) erklärt den schweren Stand des Fußballs in den USA: „Zum Stichwort „Soccer“ fallen dem nordamerikanischen Normalverbraucher zweierlei Dinge ein. Das erste ist der Schnappschuss einer fussballspielenden Frau: von Brandi Chastain, die nach dem Siegestreffer fürs US-Team im WM- Final 1999 entblössten Oberkörpers (aber mit Büstenhalter) über den Rasen der Rose Bowl von Pasadena tollt. Das zweite ist ein in den sechziger Jahren entstandenes geflügeltes Wort und besagt, dass in den Vereinigten Staaten Soccer der Sport der Zukunft ist – und es immer bleiben wird. Diese Zukunft sieht in jüngster Zeit weniger rosig aus als auch schon. (…) Für die Baisse glauben zumindest Sportsoziologen einen Grund entdeckt zu haben – das Verschwinden der sogenannten Soccer Moms. Die Fussball-Mütter, Anführerinnen der landesweit verbreiteten Jugendligen, stellten gewissermassen das Rückgrat der vor allem in den Vorstädten des saturierten weissen Mittelstandes wogenden Begeisterung fürs Spiel mit dem runden Ball dar. Nun hat ein rauer gewordenes wirtschaftliches Klima die aus lokalen Spielplätzen ebenso wenig wie aus den Zuschauerrängen der Profi- und Halbprofi-Ligen wegzudenkenden Muttis in alle Winde verweht. Dagegen bleibt die Zahl der wie eh und je in öffentlichen Pärken mit ihren Boys Baseball oder Football spielenden Väter unverändert. Gegen sozioökonomische Schwankungen sind traditionelle Sportarten offensichtlich besser gefeit. Unverändert geblieben ist auch die seit je grösste Schwierigkeit des US-Soccer: das Unvermögen, die Fussballbegeisterung der Kids im Kindergarten-, Primar- und Mittelschulalter, in dem sie jene für andere Sportarten übertrifft, in ein entsprechendes Potenzial auf College-Stufe oder gar im Betrieb der MLS umzusetzen.“