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Souveräner Sieg der „Stuttgarter Cleverle“ (FR) – Lothar Matthäus, Held von Serbien
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| Donnerstag, 25. März 2004of Die Fußball-Journalisten reiben sie sich inzwischen nicht mehr ganz so sehr die Augen über Siege des VfB Stuttgart. In der Champions League bezwangen die „Cleverle“ (FR) Panathinaikos Athen ohne Mühe mit 2:0. Stil-Vergleiche mit Primus Bayern München liest und hört man immer häufiger; sie sind als Kompliment gemeint. Gleichzeitig sorgen sich die Autoren um die Zukunft des finanzschwachen Vereins. In keinem Text fehlt der Hinweis auf die Brüchigkeit des Stuttgarter Modells. In keinem Text fehlt – zwischen den Zeilen – der Appell an Kuranyi, Hinkel und Co., sich einen Wechsel nach Schalke, reicher Verein im sportlichen Mittelmaß, drei Mal zu überlegen. Augen, Ohren und Mikrofone richten sich zur Zeit auf Trainer Felix Magath, vor dessen Abschied die Berichterstatter ebenfalls warnen. Der Tagesspiegel adelt und empfiehlt ihn als „den nächsten Ottmar Hitzfeld“.
Gerd Schneider (FAZ 24.10.) bescheinigt dem VfB „international glänzende Perspektiven, auch wenn Coach Felix Magath hinterher kühl konstatierte, der Sieg sei nur ein kleiner Schritt auf dem Weg ins Achtelfinale gewesen. Magaths Reserviertheit wirkte aufgesetzt. In Wirklichkeit konnte der Stuttgarter Erfolgstrainer gerade das Spiel gegen Athen als Beleg für einen Reifeprozeß nehmen, den sein junges Team im Schnelldurchgang zu durchlaufen scheint. Seit Beginn dieser Serie kombinieren die Stuttgarter ihre spektakuläre Verspieltheit aus der vergangenen Saison mit einer unerwarteten Stabilität im Verteidigungsfall. Die allerneueste Entdeckung des VfB-Ensembles ist die Langsamkeit. Nach den beiden Kopfballtoren durch Szabics und den kroatischen Kapitän Soldo schalteten die Stuttgarter so selbstverständlich in den Energiesparmodus um, daß selbst Magath in Staunen geriet. Wir haben uns dem Gegner entsprechend verhalten, sagte der Fußball-Lehrer über den ökonomischen Auftritt seiner Mannschaft vor allem in der zweiten Halbzeit, das haben meine Spieler ganz wunderbar gemacht. Die schwerfälligen und uninspirierten Athener waren an diesem Abend genau der passende Gegner, um diese Spielweise einzustudieren. Die haben gar nicht versucht, das Spiel zu gewinnen, wunderte sich Magath, der den Auftritt seines Teams an der Seite als stiller Genießer verfolgen konnte.Mit halber Kraft erfolgreich über die Runden kommen: Nur wer diese Kunst während der Ochsentour in den kommenden Wochen beherrscht, wird sich im internationalen Geschäft vermutlich für höhere Aufgaben empfehlen. Insofern konnten sie in Stuttgart die unspektakuläre Vorstellung als besonders wertvoll einstufen.“
Oliver Trust (Tsp 24.10.) fragt nach den finanziellen Folgen des Stuttgarter Aufschwungs: „Seit Monaten ringt ein ganzer Verein um Perspektiven und den weiteren Weg. Magath und die Spieler als Schmiede des Aufschwungs gegen die Fraktion der alten Vereinsmeier, die Angst haben vor zu viel Risiko. Seit Tagen hagelt es von Magath und den Spielern Appelle, doch endlich den Schritt zu tun und Vertrauen zu haben. Die Aussicht, das Achtelfinale fest im Visier zu haben, steigert nun die Chancen der Initiatoren der Euphorie. Zu den rund 15 Millionen Euro für die Gruppenphase kämen im Achtelfinale noch einmal 1,7 Millionen Euro hinzu. Selten hat sich ein Verein in solchem Tempo saniert. Im Juli 2004 fallen auch die 24,5 Prozent der an den Vermarkter ISPR abgegebenen Rechte an den Klub zurück. Präsident Erwin Staudt bastelt an einer Kommanditgesellschaft auf Aktienbasis, in die die Lizenzspielerabteilung eingebettet werden soll. Alles zusammen sind dies ermunternde Signale. Jetzt müssen nur noch die Weichen dafür gestellt werden, die beiden Nationalspieler Kevin Kuranyi und Andreas Hinkel längerfristig an den Verein binden zu können. „Die Mannschaft muss zusammenbleiben, und wir müssen uns Jahr für Jahr weiter verstärken, forderte Soldo. Der Kapitän will nun abwarten, wie der interne Kampf im Verein endet, bevor er selbst ein weiteres Jahr verlängert. Damit steht er nicht alleine.“
Heldenstatus für Matthäus
Ralf Itzel (SZ 24.10.) hat den bekannten Lothar Matthäus erlebt: „Er selbst hätte die von ihm trainierte Mannschaft vielleicht noch retten können. Das wäre dann etwa so gewesen: Lothar Matthäus reißt sich wie Superman Sekunden vor dem Ende den adretten Anzug vom Leib, rennt in kurzen Hosen aufs Feld, durchmisst es mit kraftvollen Schritten und jagt den Ball mit hartem Spannstoß in die Maschen. Ja, einen von seinem Schlage hätte es gebraucht, um den Zwergenaufstand Partizan Belgrads gegen den Riesen Real Madrid anzuzetteln. Das zumindest war indirekt seine Botschaft nach dem 0:1 seiner Mannschaft in Madrid . Todernst, die zusammengekniffenen Augen funkelnd, kam der Trainer vor der Presse wie eine Urgewalt auf seine Schützlinge nieder: „Ich bin enttäuscht. Einige hatten so viel Respekt, dass sie ihnen freiwillig den Ball gaben. Ich mache keine Einzelkritik, sonst könnten mehrere morgen nicht in die Zeitung schauen. Ich habe keinen Leader auf dem Platz. Ich bin ein Siegertyp, anders als einige meiner Spieler.“ Die flammende Anklage wirkte etwas auswendig gelernt, war aber trotzdem das Unterhaltsamste am Mittwochabend in Madrid. Die Partie selbst war schaurig. Ohne die Beschallung des unermüdlichen Häufleins serbischer Reisender vom obersten Stadionrand aus wäre das verwöhnte Heimpublikum vermutlich eingenickt. Partizan, schwarz-weiß gekleidet wie Juventus Turin, betrieb Catenaccio und beackerte die übermächtigen Real-Diven Mann gegen Mann wie Matthäus einst Maradona. Die gegnerische Hälfte wurde kaum betreten. Wäre im Bernabeu-Stadion ein Tor umgefallen wie vor fünf Jahren beim Treffen mit Borussia Dortmund, man hätte es bis zur Halbzeit liegen lassen können (…) Mit dem Ergebnis zeigte sich auch Lothar Matthäus anders als mit dem Auftritt ganz zufrieden, schließlich hätten sich seine Männer gegen diese Auswahl auch blamieren können. Partizan ist der erste serbische Teilnehmer seit dem Start der Champions League 1992 und verfügt nur über ein Jahresbudget von knapp fünf Millionen Euro – das ist weniger als einige Madrider Spieler im Jahr verdienen. Das Meistern zweier Qualifikationsrunden war bereits ein Coup, der Matthäus Heldenstatus einbrachte. In Belgrad verzeihen sie ihm sogar, dass er die eine oder andere Partie schwänzt, um bei seiner neuen Liebsten zu weilen.“
(23.10.) Elber vermisst Bayern, Bayern vermisst Elber – ManU, reif und erfahren, siegt im „Battle of Britain“ – Juve, noch stärker durch Lippis Rotation
Elber verband mühelos Samba und Lederhosen
Thomas Klemm (FAZ 23.10.) stellt fest, dass die Trennung beiden Seiten schwer fällt: „Man hat sich getrennt und kommt doch nicht voneinander los. Zwei Monate nach der friedlichen Scheidung merken beiden Seiten, was ihnen fehlt – nämlich jeweils die Stärken des anderen. Richtig angekommen ist Elber in Lyon noch nicht; und das nicht nur, weil er noch im Hotel wohnt und nach seiner vergebenen Torchance in seinem neuen Heimstadion Gerland erklärte, auswärts war immer mein Manko. Der Brasilianer vermißt bei seinen neuen Kollegen Souveränität und Selbstbewußtsein eines europäischen Spitzenteams, wie er sie beim deutschen Rekordmeister selbst erlebt und verinnerlicht hat. Dem FC Bayern hingegen fehlt es in seinem qualitativ hochwertigen Kader an einer Leichtigkeit, Leidenschaft, ja sogar Launenhaftigkeit, mit denen er nicht nur Spiele pflichtgemäß gewinnt, sondern auch Begeisterung für die eigene Sache weckt. Ein kühler Vollstrecker wie Roy Makaay, der das Duell mit seinem Vorgänger am Dienstag durch seinen dritten Treffer in der Champions League statistisch gewann, erwärmt nicht wirklich die Herzen. Auch Beckenbauers neuester Appell von Lyon, daß die Münchner Mannschaft und ihr im Gefüge oft isolierter niederländischer Stürmer aufeinander zugehen sollten, darf ein bißchen als Reminiszenz an das Auftreten von Makaays Vorgänger verstanden werden. War es doch der extrovertierte Elber, der Samba und Lederhosen mühelos mit südamerikanischer Selbstverständlichkeit zu verbinden verstand und der jüngeren Münchner Erfolgsgeschichte das menschlichste Antlitz verlieh.“
In einem anderen Artikel ergänzt Thomas Klemm (FAZ 23.10.): „Ein Siegtreffer des früheren Münchner Angreifers für Lyon, es wäre die falsche Pointe gewesen an diesem Fußballabend. Zwar bestimmten die Franzosen ganz zu Anfang und vor allem am Ende das Geschehen, doch zeigten die Münchner Qualitäten, die ihnen zuletzt in der Bundesliga abgingen: Es war diese Mischung aus kontrollierter Leidenschaft, strikter Selbstdisziplin und einem Schuß Brillanz, mit der sie die spielfreudigen, aber labilen Lyoner über siebzig Minuten einschüchterten. Das war der FC Bayern, auf dem man aufbauen kann, zeigte sich Rummenigge trotz des späten Ausgleichs durch den eingewechselten Peguy Luyindula in der 88. Minute zufrieden. Beim Führungstreffer in der 25. Minute gelang den Münchnern gar ein derart genialer Moment, der die Kritik am gewöhnlich ach so kühlen, glanzlosen Auftreten für einen Augenblick verstummen ließ. Die zauberhaft filigrane Vorarbeit vom überragenden Deisler, Santa Cruz und Ballack, die allesamt den Ball umstandslos und punktgenau zum Nebenmann spielten, landete letztlich bei Roy Makaay, der die Fußball-Billard-Kombination mit dem 1:0-Führungstreffer krönte: ausgerechnet der Niederländer, der noch nicht recht angekommen schien im Bayern-System.“
Mehr solides Fusswerk denn spielerische Substanz bei den Rangers
Felix Reidhaar (NZZ 23.10.) berichtet den 1:0-Sieg Manchester Uniteds in Glasgow: „Rangers versus Manchester United, das war auch ein bisschen Schottland gegen England, ein nie enden wollender Vergleich und Kampf um Eigenständigkeit und Prestige. Nur: Auf dem Rasen des voll besetzten Ibrox Stadiums stand nicht ein einziger Schotte. Das Multikulti-Team der Rangers sah elf Mann aus neun Ländern am Werk, auf der Bank figurierten die Nationalitäten zehn und elf neben drei -Schotten. Das Publikumschien dies nicht im Geringsten zu stören, derart enthusiastisch machte es seiner früh zurückgeworfene Euro-Auswahl Mut, derart geduldig glaubte es bis zuletzt an einen Umschwung, wenigstens an den Teilerfolg der Blues. Allein guter Wille und ungestümes Stürmend reichten allerdings nicht aus, den ersten Teil der auf den Inseln mit Spannung erwarteten Battle of Britain positiv zu gestalten. Manchester United erwies sich als das reifere Team (…) An eine „Festung Ibrox“, wie die Glasgower Arena in den siebziger Jahren genannt wurde, erinnerte in der 5. Minute wenig, als Phil Neville stoisch durch die blauen Abwehrreihen im Strafraum lief und am Standbein des verdutzten Keepers Klos via Pfosten die frühe United-Führung erzielte. Stand da nun jene ausser Form geratene, zuletzt in zwei Meisterschaftsspielen nur zu einem Punkt gelangte Mannschaft auf dem Feld, der deswegen niemand einen Effort gegen den Favoriten zugetraut hatte? War da wirklich nichts mehr übrig geblieben vom Schwung der mit dem Triple-Gewinn geschmückten Vorsaison? Die Rangers stemmten sich fortan mit grosser Energie gegen diesen ungünstigen Trend, aber gleichwohl blieb nicht verborgen, dass in Alex McLeishs Team mehr solides Fusswerk denn spielerische Substanz steckt, dass mehr Absehbares in der Entwicklung geschieht und weniger Geistesblitze den Gang der Dinge begünstigen.“
Motivator und Dompteur
Peter Hartmann (NZZ 23.10.) erläutert die Stärke Juves: „Andere reden davon, besonders gerne in der Ausredeform. Marcello Lippi hingegen, der Trainer des italienischen Meisters und gegenwärtigen Tabellenführers Juventus Turin, hat aus der Schwierigkeit der Personalrotation eine Tugend gemacht: Seine Mannschaft, die in der Champions League die Spanier von Real Sociedad 4:2 besiegte, unterschied sich auf sechs Posten von der Startformation im letzten Meisterschaftsspiel, das die Juve in Ancona 3:2 gewann. Zum taktischen Striptease, diesem Umkleidereigen in der Garderobe, hat er auch das notwendige Personal, obgleich mit Alessandro Del Piero seit Wochen der Publikumsliebling ausfällt. Trézéguet und Di Vaio, der Stellvertreter des verletzten Stars, erzielten je zwei Tore. Eine „Doppietta“ war in Ancona bereits Miccoli gelungen, der diesmal auf der Ersatzbank sitzen blieb. Auch Nedved, den „Antriebsmotor“ (auf den der alte VW-Slogan „Er läuft und läuft und läuft“ so gut passen würde, wenn Juventus nicht zum Fiat-Imperium gehörte), hatte Lippi drei Tage zuvor noch geschont. Der Tscheche hinterlässt auf der ganzen Länge und Breite des Rasens seine Schuhabdrücke, er sprintet schonungslos dorthin, wo es weh tut. Und er lieferte zwei entscheidende letzte Pässe. Das Publikum ist das eigentliche Problem in Turin: Obwohl Juventus zum Entzücken der landesweit 10 Millionen Anhänger siegt und siegt und siegt, zum dritten Mal hintereinander in der Gruppe D, leisteten sich nur 17242 zahlende Zuschauer den langen Abend in der Königsklasse. Die Fahrt aus dem Turiner Zentrum in die Peripherie dauert im Kriechstau eine bis anderthalb Stunden, der Rückweg ebenso (…) Zur Beherrschung des „Turnover“, wie die Personalrotation in Italien genannt wird, dient dem Coach nicht nur der darwinistische Konkurrenzkampf im Training. Marcello Lippi, der lange als zynischer Trainer-Narziss galt (schon weil er aussieht wie ein jüngerer Paul Newman), hat sich in zwei schwierigen Fällen als Motivator und Dompteur erwiesen. Der bereits 26-jährige Di Vaio, eine „Wanderniere“ vom Typ „ewiges Talent“, schnell und hypernervös, vor dem Tor von Versagensängsten eingeholt, ein Hasenfuss auf der Flucht vor seiner grossen Karrierechance, schiesst plötzlich entscheidende Tore. Edgar Davids, der niederländische „Pitbull“, der Juventus unbedingt ein Jahr vor Vertragsende verlassen wollte, geködert von Angeboten der AS Roma und, unvermeidlich, vom Chelsea-Mäzen Abramovich, arbeitet unter Lippi fast handzahm.“
morgen auf indirekter-freistoss: über den Sieg des VfB gegen Athen (2:0) und andere Spiele der CL
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