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Spanien

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Spanien

Ausschreitungen in Barcelona – ManU gewinnt wieder an Boden – Lazio Rom und RCD Mallorca: zwei Überraschungsteams – Lok Moskau neuer russischer Meister u.v.m.

Spanien

Zu den Ausschreitungen der Barca-Fans gegenüber ihrem Ex-Idol Luis Figo meint Walter Haubrich (FAZ 25.11.). „Wenn der FC Barcelona wirklich mehr als ein Fußballklub wäre und tatsächlich, wie viele Katalanen meinen, das Wesen und die heiligsten Werte ihres Landes verkörpere, dann müßte sich jetzt ganz Katalonien – für die einen eine spanische Region, für die anderen eine Nation – zutiefst schämen. Millionen Menschen in der ganzen Welt haben die schweren Ausschreitungen der radikalen Barca-Fans gegen Figo beobachten können, die den Schiedsrichter schließlich zwangen, das Spiel zwischen den beiden großen Klubs FC Barcelona und Real Madrid (0:0) für eine Viertelstunde zu unterbrechen. Figo wurde in Barcelona, immer wenn er sich anschickte, die Eckbälle zu schießen, mit Flaschen, Billardkugeln und Golfbällen beworfen. Außer Plastikbehältern flogen auch ein Messer, der Kopf eines geschlachteten Schweins sowie eine große Flasche mit schottischem Whisky nahe Figo aufs Spielfeld. Auch der Madrider Torhüter Casillas wurde in der zweiten Hälfte mit Gegenständen aller Art beworfen (…) In Barcelona macht man eine radikale Fanorganisation, die sich Boixos Nois nennt, für die Ausschreitungen verantwortlich. Doch wird diese heute wahrscheinlich gefährlichste unter den Schlägertruppen in spanischen Stadien vom Präsidenten des FC Barcelona, Joan Gaspart, offen gefördert. So dürfte Gaspart der Hauptverantwortliche für das Verhalten eines Teils seines Publikums sein. Der Vorsitzende des größten spanischen Fußballvereins nutzt jede Gelegenheit zu Hetzreden auf andere spanischen Mannschaften, vor allem auf Real Madrid. Hotelbesitzer Gaspart, zunächst einmal Nachwuchspolitiker in der in Katalonien nicht starken, doch ganz Spanien regierenden Volkspartei (PP), gab nach dem Spiel dem Opfer der Aggressionen, dem Madrider Rechtsaußen Luis Figo, die Schuld: „Der Portugiese ist ein Provokateur. Er hat ständig unsere Fans provoziert.“ Die „Provokation“ Figos bestand für Gaspart darin, daß der Portugiese – wie übrigens in jedem Spiel von Real Madrid – die Eckstöße ausführte.“

Markus Jakob (NZZ 25.11.) kritisiert die Reaktionen aus Barcelonas Führungsetage. „Es dürfte in die fussballerische Universalgeschichte der Niedertracht eingehen, dass sowohl Barça-Präsident Joan Gaspart als auch Trainer Louis van Gaal nach dem Spiel den Portugiesen der Provokation bezichtigten, um das Verhalten des Barça-Pöbels zu entschuldigen. Dass Gaspart die «Boixos nois» (auf Deutsch: «die irren Jungs») unterstützt, ist kein Geheimnis. Sie passen in sein Weltbild, in dem die Sonne schlicht um den FC Barcelona kreist. Als er diesen Sommer van Gaal nach Barcelona zurückholte, hielten die meisten das zunächst für einen Witz. Der Holländer war zwei Jahre zuvor als der meistgehasste Mann der Stadt in sein missratenes Abenteuer mit der holländischen Nationalmannschaft entlassen worden. Zusammen verschenkten sie, seltsames Geschäftsgebaren für einen zunehmend in Finanznöten steckenden Klub, umgehend Rivaldo an die AC Milan. Statt seiner wurde der Argentinier Riquelme engagiert: ein Fussballkünstler, der sich wie alle Ausnahmespieler nicht ohne weiteres in die rigorose Spielanlage des holländischen Trainers einfügen lässt. Riquelme drückte bisher meist die Ersatzbank. Gegen Real Madrid erhielt er endlich seine Chance, dank der Verletzung von Luis Enrique und auf Kosten des andern argentinischen Stars Saviola. Er nützte sie, als einer der herausragenden Spieler auf dem Platz neben Barcelonas Drahtziehern Xavi, Motta und dem Madrider Abwehrhaudegen Pavón – aber ob ihm das für seine Zukunft in diesem auf Theorien abgerichteten Team viel nützt? Im Satiremagazin «Las noticias del Guiñol» des spanischen Canal+ wird van Gaal, dessen erbärmliche Spanischkenntnisse, kombiniert mit seinem nicht zu unterdrückenden Hang zum Jähzorn, stets für Erheiterung sorgen, als ziegelgemauerter Quadratschädel dargestellt. Auch in der samstäglichen Partie schien es zunächst, seinem streng karierten Ringheft seien die losen Blätter des Madrider Trainers del Bosque überlegen: Stil statt starres System.“

Dahingegen gibt Ronald Reng (FR 25.11.) zu bedenken. „Ein ästhetischer Genuss ist es, großen Spielern wie Figo zuzusehen, egal welches Trikot sie tragen, die größte Faszination des Fußballs ist noch immer, sich mit einem Team, mit seinen Spielern zu identifizieren. Fünf Jahre lang gab Figo den Fans in Barcelona das Gefühl, er spiele für sie, sie gaben ihm dafür ihre bedingungslose Zuneigung. Er muss gewusst haben, dass er sich damit auch eine Verpflichtung auflud: nicht im Zenit seines Schaffens zum Rivalen zu desertieren, der über die sportliche Konkurrenz hinaus für die Katalanen die jahrzehntelange politische Unterdrückung durch Franco symbolisiert. Mit diesem Wechsel überschritt Figo die Grenzen des Erträglichen selbst im Söldnerwesen Profifußball. Natürlich rechtfertigt dies nicht, mit Whiskyflaschen auf ihn zu zielen (…) Mitleid wollte auch nicht aufkommen. Vor sieben Monaten, im Champions-League-Viertelfinale, war Bayern Münchens Stefan Effenberg bei jedem Eckball wild von Madrider Fans beworfen worden. Als er, von einem vollen Getränkebecher am Hinterkopf getroffen, zu Boden ging, reklamierte ein Madrider beim Schiedsrichter wild gestikulierend Zeitspiel, was angesichts Effenbergs Schmerzen widerlich war. Es war Luís Figo.”

Zur Lage beim RCD Mallorca heißt es bei Georg Bucher (NZZ 26.11.). „Was die „Bermellones“ seit den glorreichen Zeiten Hector Cupers auszeichnete, führt Manzano jetzt weiter. Talente, auch ewige Talente, waren in Mallorca aufgeblüht und mit hohem Gewinn veräussert worden: Dani, Stankovic, Valeron, Diego Tristan – die Liste liesse sich fast beliebig fortsetzen. Das letzte Juwel, Luque, trug an der WM 2002 den Nationaldress und wechselte zu Deportivo La Coruña. Über die Höhe der Ablösesumme wurde Stillschweigen vereinbart. Der galicische Champions-League-Gegner des FC Basel wollte es so, Señor Luque sen., der die Geschäfte für seinen Sohn abwickelt, ebenfalls. Einen Teil schrieben Deportivos Edelreservisten Turu Flores und Pandiani ab. Die beiden Südamerikaner, Eto‘o, Riera und der Spielmacher Ibagaza versprachen Manzano Offensivpotenzial. Zu wenig für die “Liga der Stars”? Der Auftakt liess jedenfalls eine weitere Baisse erahnen. Dreimal in Folge verlor Mallorca und stand am Tabellenende, sieben Wochen später allerdings schon auf Rang zwei, der zur direkten Teilnahme an der Champions League berechtigt.“

England

Premier League

Manchester United vs. Newcastle United 5:3

Überraschenderweise konnte am Wochenende weder Arsenal London noch der FC Liverpool punkten, sodass ManU im Spitzenspiel des Wochenendes durch einen Sieg über die Magpies den Abstand zur Spitze auf nunmehr sechs Punkte verkürzen konnte. Der Holländer Ruud van Nistelrooy konnte sich dabei als dreifacher Torschütze eintragen und mit acht Treffern zum bisherigen Topscorer Michael Owen aufschließen.

Southampton vs. Arsenal London 3:2

Tabellenführer Arsenal musste im St. Mary’s Stadium zu Southampton drei Punkte abgeben und verpasste so die Chance, sich an der Tabellenspitze abzusetzen. Die Gunners mussten ab der 57. Minute mit zehn Spielern und ohne ihren Abwehrspieler Soul Campel auskommen, der des Platzes verwiesen wurde. Die Treffer von Bergkamp in der 36. und Pires in der 80. Minute reichten nicht, um die Punkte aus dem Süden Englands zu entführen.

FC Fulham vs. FC Liverpool 3:2

Londoner Schützenhilfe für Arsenal leisteten an der Loftus Road die Kicker vom FC Fulham durch einen Sieg über Liverpool, die ihre Negativserie mit nur einem Punkt aus drei Spielen fortsetzten. Trotz eines Platzverweises für Goma konnte Fulham den knappen Sieg über die Zeit retten. Mehr unter

Scottish Premier League

FC Dundee vs. Dundee United 3:2

Zum Stadtderby an der schottischen Ostküste kam es in Dundee, dem sogenannten Tayside Derby. Der FC Dundee, ehemals Heimat von WM Star Claudio Caniggia, konnte den 3:2 Sieg gerade so festhalten. Ein sicher geglaubtes 3:0 der Heimmannschaft konnte United zwar in der 67. und 83. Minute in ein 3:2 verwandeln, zu einem Punktgewinn reichte es dennoch nicht. Dundee United versinkt durch die Niederlage mehr und mehr im Abstiegskampf, der FC Dundee darf weiter auf einen Uefa-Cup-Platz schielen.

Italien

Peter Hartmann (NZZ 26.11.). „Der „Todeskandidat“ Lazio bietet derzeit den höchsten Unterhaltungswert in der Serie A. Einerseits mit dem makabren Spektakel des strauchelnden Finanzakrobaten und Mehrheitsbesitzers, den die Banken nun aus dem Geschäft drängen als Voraussetzung für eine Sanierung. Anderseits gelingt es dem jungen Trainer Roberto Mancini, der im Frühsommer dem Untergang der AC Fiorentina entronnen war, seine Squadra in eine Art von Zauberberg-Stimmung zu versetzen. Selten hat eine italienische Mannschaft derart unbeschwert und beflügelt gespielt wie diese Desperado-Belegschaft. Mit den Notverkäufen des Stoppers Nesta und des Goalgetters Crespo war ihr vermeintlich das Rückgrat gebrochen worden. Der 37-jährige Mancini steht mit den Spielern per Du, denn bis vor zwei Jahren war er ihr Kollege und gehörte noch zur Meistermannschaft von 2000. Dank seinem Insiderwissen hat er unverkäufliche, ausgebrannte alte Mitkämpfer wieder belebt, etwa den Torhüter Peruzzi, Mihajlovic, Pancaro und Favalli in der Abwehr, die Argentinier Simeone und Lopez, die im Sommer von Atletico Madrid verschmäht wurden. Er brachte aus Florenz den auch schon 32-jährigen, lange verletzten Stürmer Sergio Chiesa mit, und er hat das Selbstbewusstsein eines Talents wie Corradi geweckt, der bei Chievo nur eine Ersatzlösung war und vom Besitzerklub Inter als Dreingabe für Crespo nach Rom geschickt wurde. Und mit Stankovic verfügt er über einen Regisseur, auf den ein Dutzend Grossklubs in Europa scharf sind. Denn jeder spielt auch für die Galerie und um seine Zukunft: Wenn die Spieler die ausstehenden Saläre einklagen, was sie intern diskutiert haben, und der Klub nicht zahlt, können sie sich ablösefrei nach einem neuen Arbeitgeber umsehen. Dennoch klappt dasTeamwork im Rahmen eines klaren 4:4:2-Systems fast reibungslos. Diese Mannschaft wäre – sozusagen en bloc, aber ohne den Cragnotti-Schuldenballast – ein Handstreich- Schnäppchen für einen andern Klub. Vielleicht beginnt in diesem Spannungsfeld eine grosse Trainerkarriere. Mancinis Lazio hat jetzt Platz drei erklommen, nur einen Punkt hinter Milan und Juventus.“

Gewinnspiel für Experten

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