Ballschrank
Spannender Titelkampf
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| Donnerstag, 25. März 2004
spannender Titelkampf – zufriedene und kritische Pressestimmen zur Qualität der Hinrunde – „Leverkusener Leichtigkeit und schwäbischer Blues“ (FAZ), VfB Stuttgart verabschiedet sich kraftlos in die Pause, mit Bayer Leverkusen ist zu rechnen – Borussia Dortmund wird in der Rückrunde eine unberechenbare Größe sein – Wechselgerücht um Hannovers Trainer Ralf Rangnick beschleunigt internen Machtkampf – Falko Götz, Trainer von 1860 München, zum ersten mal nervös und ratlos – Andres D’Allesandro, Wolfsburgs Fußball-Ästhet u.v.m.
Allgemein
Wer Meister werden will, muss sich am Beckenbauer-Klub orientieren
Martin Hägele (NZZ 19.12.) kommentiert den Titelkampf: „Alle (in Bremen) haben das Gefühl, eine Meistergeschichte zu schreiben, die nicht mit Otto Rehhagel beginnt – dem Übervater der Bremer Erfolge in den achtziger und neunziger Jahren. Es wäre eine ganz neue, eine ganz eigene Ära, die auch nicht unter dem Motto vom Nord-Süd-Konflikt laufen würde. So wie früher, als Manager Lemke mit seiner Propaganda auf die soziale und politische Schiene setzte: Jeder, der zum FC Bayern gehörte, war Kapitalist, Millionär und von schwarzer Couleur; Werder aber wurde als die rot-grüne Fussball-Familie hingestellt, die Robin Hoods aus dem armen Stadtstaat, die sich mit den Grosskopfeten und Prominenten aus München anlegten – stellvertretend für den Rest der Liga. Dieses Duell wird es nun wohl wieder geben; allerdings ziemlich entschärft. Als sich Uli Hoeness, der Manager vom FC Ruhmreich, in Freiburg in den Mannschaftsbus setzte, war er sich noch nicht ganz sicher, ob der Gegenspieler aus den alten Zeiten wirklich der härteste Rivale um den Titel sein würde. Erst am Abend schlüpften die Bremer in die Rolle des ersten Bayern-Gegners, weil Bayer Leverkusen überraschenderweise den „jungen Wilden“ vom VfB Stuttgart die Grenzen aufzeigte und dem stolzen schwäbischen Aufsteiger-Team die erste Heimniederlage der Saison beibrachte. Denn Magaths Leute hatten den Rekordmeister noch am vergangenen Samstag in München spielerisch arg in die Bredouille gebracht – das Ergebnis sprach der Partie und dem gesamten Saisonverlauf Hohn. Trotzdem löste der glückhafte Ausgang scheinbar jene Blockade, die das Meisterteam von Coach Hitzfeld während der ersten Meisterschaftshälfte heimgesucht hatte. Der 6:0-Erfolg zeigte auf, wozu die Männer um Keeper Kahn und Goalgetter Makaay fähig sind, wenn sich alle Stars aufs gemeinsame Ziel konzentrieren. Nach der sportlich lausigsten Vorrunde, seit Hitzfeld das Sagen hat, reichte der Kantersieg, um all die bösen Kritiken der vergangenen Monate zu widerlegen und die gewohnten Kräfteverhältnisse im Land wieder herzustellen. Wer Meister werden will, muss sich in erster Linie am Beckenbauer-Klub orientieren und sollte gleichermassen Bayer Leverkusen auf Distanz halten. Innert eines halben Jahres hat Coach Augenthaler ein Team geformt, das das Trauma der Vorsaison völlig überwunden hat.“
Spannung in allen Tabellenregionen
Philipp Selldorf (SZ 19.12.) fasst zufrieden die Hinrunde zusammen: „Niemals wurden so viele Zuschauer in den 18 Stadien gezählt wie in dieser Hinrunde, und die Sportschau verzeichnet so gute Quoten, dass die ARD sogar Geld mit ihrer teuren Sendung verdient. Daran lässt sich unter anderem erkennen, dass es den Leuten relativ egal ist, ob die Bundesliga hinter der Primera Division, Serie A und Premier League qualitativ zurückgefallen ist (was ohnehin jedes Jahr aufs Neue zu beweisen ist). Und dass es außerdem eine ziemlich gute Hinrunde war, die in allen Tabellenregionen die Spannung für die zweite Serie offenlässt und dabei eine von den Anhängern goutierte solide Ordnung aufweist. Es gibt ein Reich der Finsternis, wo sich ein selbstherrlicher Riese verloren hat (Hertha), und vorneweg eine Spitzengruppe, die tollen Fußball spielt (den FC Bayern selbstredend ausgenommen). Bis zu den Salomonen mag es sich noch nicht rumgesprochen haben. Aber es war ein gutes Halbjahr in der Bundesliga.“
Kick it like Ballack, das ist unverkäufliche Ware
Axel Kintzinger (FTD 19.12.) sieht das anders: „Was bekommen die Leute, die mittlerweile Opernpreise für ihre Tickets bezahlen, zu sehen? Magerkost. Auf den Rängen ist mehr los als auf dem Rasen. Dort tummeln sich untalentierte Mittelfeldakteure, stümpernde Stürmer, rumpelfüßige Abwehrrecken. Manchmal gibt es schöne Spielzüge und herrliche Tore. Meistens aber gibt es Murks. Wer’s nicht glaubt, der gehe in ein Stadion oder besorge sich ein Premiere-Abo. Die Krise ist nicht nur ein ästhetisches Problem. International spielt der deutsche Fußball nur noch eine untergeordnete Rolle: Im Uefa-Cup flogen alle Vertreter der Bundesliga längst raus – sie scheiterten an Klubs mit unaussprechlichen Namen und schwer zu recherchierender Herkunft. Bayern München, der deutsche Meister, schaffte in der schwächsten aller Champions-League-Gruppen mal gerade so die Versetzung ins Achtelfinale. Da wartet nun Real, servus. Einzig Stuttgart setzte Glanzlichter und konnte einmal sogar Manchester United überraschen. Magaths junge Wilde scheinen ihr Pulver aber bereits verschossen zu haben, ihr Trend zeigt wieder nach unten. Ach ja, und die Nationalelf ist mittlerweile aus der Top-Ten-Wertung der Fifa rausgerutscht. Kein Wunder, dass außerhalb Deutschlands kaum einer etwas von der Bundesliga sehen will. Nicht Europas Fußballfans, sondern die Rechtehändler gucken in die Röhre. Kick it like Ballack, das ist unverkäufliche Ware.“
Katrin Weber-Klüver (BLZ 19.12.) ergänzt: „Alter Glanz blättert schnell. Der ehemalige englische Nationalspieler Gary Lineker erfuhr kürzlich von seinem Sohn, dass diesem David Beckham als Vater lieber wäre. Denn: Der kann einem im Fußball bestimmt viel beibringen. Allerdings ist auch Lineker senior nicht frei von Irrtümern. Von ihm stammt die berühmteste falsche Weisheit, Fußball sei ein Spiel, bei dem am Ende immer Deutschland gewinne. Das stimmt derzeit nur, wenn der deutsche Fußball gegen sich selbst spielt, international ist er – abgesehen von Stuttgart – in einer Kreativpause.“
VfB Stuttgart – Bayer Leverkusen 2:3
Die ermüdete Mannschaft des Jahres
Michael Horeni (FAZ 19.12.) spürt „Leverkusener Leichtigkeit“ und hört „schwäbischen Blues“: “Für die Abschlußparty eines rauschenden Fußballjahres hatte der VfB Stuttgart leider die falschen Gäste geladen. Als in der schwäbischen Fankurve die Konfettikanonen in Stellung gerückt wurden und es Silberstreifen vom pechschwarzen Himmel regnete, standen die Profis still und mit gesenkten Köpfen weit entfernt auf der Mitte des Fußballplatzes und verfolgten das Spektakel abwesend wie Verlierer nach einem Endspiel. Auf der anderen Seite des abgedunkelten Stadions bejubelten die Leverkusener mit ihrem bescheidenen Anhang ganz ohne schmückendes Beiwerk den spielerisch reich verzierten Sieg im Spiel um Platz drei des Jahres 2003. Nach den Stuttgarter und Leverkusener Niederlagen zuvor gegen Werder Bremen und FC Bayern München hatte es zum großen Finale vorab schon nicht gereicht. Und als das Tabellenschlußbild bewertet und der Ausblick aufs neue Jahr gewagt wurde, rückten die Schönheitspreise, die beide Mannschaften zuvor zahlreich gewonnen und an diesem letzten Abend nochmals bestätigten, in den Hintergrund (…) Nach zuvor fünf Spielen, die Bayer nicht gewinnen konnte, obwohl sich die Mannschaft stärker als der Gegner gefühlt hatte, war dies der genau richtige psychologische Schlußpunkt eines turbulenten Jahres, in dem sich Bayer Leverkusen im Sommer schon fast in der zweiten Liga sah und nun schon wieder mit der Champions League rechnen kann. Die ermüdete Mannschaft des Jahres allerdings, der VfB Stuttgart, überwintert mit einem leichten Kater. Wir haben eine super Ausgangsposition verspielt. Trotz der schönen Erfolge bleibt damit ein bitterer Nachgeschmack, sagte Nationalspieler Andreas Hinkel.“
„Erfolg kostet auch in Stuttgart Geld“, deutet Tobias Schächter (taz 19.12.) die Lage in Stuttgart: „Eine Ahnung davon, wie sich der tiefe Fall von umjubelten Helden zu verspotteten Deppen anfühlt, haben die Himmelstürmer vom VfB Stuttgart in den letzten Wochen schon auch erhalten. Seit sechs Pflichtspielen sind sie nun schon ohne Sieg. Und keiner im Lager der Schwaben verhehlte, dass die Winterpause zum rechten Zeitpunkt kommt. Ganz klar, wir präsentieren uns nicht mehr so frisch wie zu Beginn der Saison, sah nicht nur Felix Magath einen deutlichen Kräfteverlust bei seiner Mannschaft. Ausdruck fand dieser in zahlreichen derben Fehlpässen sowie zeitlupenhafter Verzögerung im Erkennen von Spielsituationen. Dreimal musste das Torwart-Titanle Timo Hildebrand bei der ersten Heimniederlage das Runde aus seinem Netz fischen. Zuvor waren es nur rekordverdächtige vier Tore, die er in 16 Spielen kassiert hatte. Vielleicht ist es psychologisch gar nicht schlecht für die Euphorisierten, mit einem Dämpfer im Kopf die Beine hochzulegen. Der gibt ihnen immerhin die Erkenntnis, dass nichts von alleine geht und Erfolg immer wieder neu erarbeitet und erspielt werden muss. Dafür wird auch Felix Magath sorgen. Der Blick des Baumeisters des Stuttgarter Erfolges geht schon lange in die Zukunft. Schon vor Wochen forderte er Verstärkungen für seinen Kader, in dieser Woche gab der Verein seine Zustimmung, schon zu Rückrundenbeginn soll investiert werden. Der Erfolg kommt die Schwaben somit teuer zu stehen.“
Borussia Dortmund – 1. FC Kaiserslautern 1:1
Gilt bei der Borussia das geschriebene oder das gesprochene Wort?
Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 19.12.) stellt fest, dass Dortmund eine unberechenbare Größe sein wird: „Als Stimmungsmacher hatte sich in alter Tradition der Kinderchor Sonnenkinder in Höhe der Mittellinie aufgestellt, schmetterte vor dem Anpfiff den Weihnachts-Gassenhauer Oh, du fröhliche. Darin fehlt es nicht an Begriffen wie Freude und Gnade. Freude bei den 70 000 kam später nur kurzfristig auf, als Jan Koller das 1:0 glückte. Das Gros kannte später allerdings keine Gnade mit seinen Lieblingen, als sich Torhüter Roman Weidenfeller und Abwehrrecke Malte Metzelder im Luftkampf um den Ball gegenseitig behinderten. Lincoln hatte deshalb eine knappe Viertelstunde vor Ultimo freie Bahn für den Ball zum Ausgleich. Er kam wahrlich nicht aus heiterem Himmel. In der ersten Halbzeit hätten die Pfälzer in Führung gehen müssen, weil sie viel geordneter als die konfusen Westfalen spielten. Sie taten das so selbstbewußt, als legten sie statt der Borussia es darauf an, Jagd auf die Spitzenmannschaften der Liga zu machen. Von Zeit zu Zeit erinnerten die Lauterer an Hoffmanns Geschichte vom wilden Jäger im Struwwelpeter. Darin schnappt sich der Hase das Schießgewehr vom müden Jäger und setzt sich auch noch dessen Brille auf. Ja, was denn nun? Gilt bei der Borussia das geschriebene oder das gesprochene Wort? In der Stadionzeitschrift Borussia aktuell hält BVB-Manager Michael Meier unbeirrt an der Zielsetzung Champions League fest. Wir knicken nicht ein und korrigieren auch nicht unsere Ziele. Es stehen vier Mannschaften vor uns, die wir allesamt angreifen. Diese Mannschaften nehmen sich noch gegenseitig die Punkte weg. Wer auch immer aus diesem Quartett ausscheiden sollte, ist sekundär. Entscheidend ist, daß wir unter die ersten drei kommen. Offenbar hat Meier den VfL Bochum nicht auf der Rechnung, denn in der Tabelle rangieren nach wie vor fünf Teams vor Dortmund. Momentan sind es zehn Punkte bis zum Tabellendritten. Zwar sehen wir die vor uns plazierten Mannschaften nur mit dem Fernglas, schreibt der Heger und Jäger Meier, aber dieses Fernglas gehört ja auch zu den Utensilien eines Jägers. Trainer Matthias Sammer greift lieber zur Lupe, um alle Unbill zu erkennen und aufzulisten, die da über seine Borussia hereingebrochen ist. Nur zog das Hauptargument von den 14 Ausfällen im aktuellen Fall schon deshalb nicht, weil Abstiegskandidat Kaiserslautern deren 13 zu verkraften hat.“
Hannover 96 – VfL Bochum 2:2
Jörg Marwedel (SZ 19.12.) interpretiert das Wechselgerücht um Ralf Rangnick: „Die Irritationen um die derzeit brisanteste Personalie der Bundesliga führen womöglich zu einer ganz anderen Baustelle, als bislang vermutet. Eher als auf einen Arbeitsplatzwechsel deuten sie nämlich auf einen internen Machtkampf zwischen dem Trainer und Sportdirektor Ricardo Moar hin, bei dem beide Seiten ihre Fäden im Hintergrund spinnen. Während der Manager die Spekulationen um eine Vertragsauflösung Rangnicks nur halbherzig bekämpft, kommt diesem die Aufmerksamkeit für seine Person, anders als von Moar vermutet, offenbar nicht ungelegen. Vielleicht, weil er spürt, dass der von Klubchef Kind bislang als Kontrolleur des Trainers eingesetzte Sportdirektor nicht mehr die uneingeschränkte Rückendeckung des Präsidenten genießt. Ralf Rangnick könnte wider Erwarten gestärkt aus diesem nicht ohne Elemente einer Intrige ausgetragenen Scharmützel hervorgehen. Voller Eifer wird der Fußballlehrer am heutigen Freitag in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung seine neuesten Visionen von der Zukunft des Klubs vor der Öffentlichkeit ausbreiten. Von einem Ausbildungsverein Hannover 96 ist da die Rede, der Nischen besetzen und jene Spieler in der zweiten und dritten Liga finden müsse. Zudem mahnt Rangnick, die Zeit der Euphorie sei nun vorbei in Hannover: „Jetzt sind Konzepte gefragt und es reicht nicht, wenn sich nur der Trainer zu einem Konzept bekennt.“ Unschwer zu erraten, dass derlei Ausführungen die Schwachstellen Moars bloßlegen. Der schlichte Spanier gilt als reiner Bauchmensch. Auch Kind hat inzwischen erkannt, dass seine einstige Hoffnung den deutschen Markt selbst nach anderthalb Jahren in Hannover kaum kennt. Leute um den Aufsichtsratsvorsitzenden Harald Wendt wiederum scheinen den Vereinschef vorerst überzeugt zu haben, dass mögliche Nachfolger für den Trainer, etwa Bernd Krauss, Frank Pagelsdorf oder Bernd Schuster, an die Qualitäten des oft unbequemen, aber bei den Fans in Hannover äußerst populären Rangnick nicht heranreichen.“
HAZ-Interview mit Ralf Rangnick
Gespräch mit Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe an der Uni Heidelberg und psychologischer Betreuer des an einem Erschöpfungssyndrom leidenden Hannoveraner Fußballprofis Jan Simak taz
Schalke 04 – VfL Wolfsburg 1:1
Mischung aus Schnelligkeit, Phantasie, Witz und Effizienz
Peter Unfried (SpOn) frisst einen Narren an Andres D‘Alessandro: „Es ist erstaunlich, wie D‘Alessandro die Fußballkultur verändert hat. Die scheinbar graueste Maus der Liga spielt jetzt – zumindest zeitweise – einen sehenswerten und zuhause auch erfolgreichen Kombinationsfußball. Nun sagt zwar Manager Peter Pander, allein damit könne er weder Anhängern noch Journalisten kommen, wenn am Ende doch wieder nur wieder eine mittelmäßige Platzierung rausspringt. Aber warum eigentlich nicht? Es wäre sicher zuviel, zu behaupten, es handele sich hier um einen Gegenentwurf zum handelsüblichen 08/15-Ergebnisfußball. Und: Klar fehlt die Balance zwischen Defensive und Offensive. Aber wie der Chef D‘Alessandro und seine argentinischen Offensivkollegen Diego Klimowicz und Mensequez sowie der Brasilianer Baiano den Ball laufen lassen – diese Mischung aus Schnelligkeit, Phantasie, Witz und Effizienz hat man zumindest in Wolfsburg noch nicht gesehen. Und woanders sieht man sie auch nicht jeden Tag.“
Schalke kann eine Überraschungsmannschaft sein
Ulrich Hartmann (SZ 19.12.) hält das Spiel symptomatisch für die Schalker Hinrunde: „Wenn Rudi Assauer nicht reden mag, dann gibt es auch nichts zu sagen. Wie das vergangene halbe Jahr zu bewerten sei, wurde der Manager des FC Schalke 04 gefragt. Man war neugierig, wie ihm die sechs Monate mit dem neuen Trainer Jupp Heynckes gefallen haben samt der anfänglichen Talfahrt in der Bundesliga, dem Aus im nationalen sowie im europäischen Pokal und der jüngsten Kurserholung in der Tabelle. „Geht so“, brummte Assauer nach einer demonstrativen Schweigeminute. Dann entschwand er ohne weiteres. Geht so – das muss als Bilanz des Jahres also ausreichen auf Schalke, wo weder der Trainer noch die Mannschaft die Erwartungen erfüllt sehen, und wo das Management bereits mit der perspektivischen Gestaltung des Spielerkaders beschäftigt ist. Schalke braucht dringend Kreativkräfte für sein Offensivspiel. Nächstes Jahr soll alles anders werden, lautete der Tenor der Schalker, schließlich wird der Verein dann 100 Jahre alt und da muss die strukturschützende Tradition dieser deutschen Fußballinstitution dringend revitalisiert werden. Zuletzt war eher das Gegenteil der Fall. „Schalke kann eine Überraschungsmannschaft sein“, hatte Heynckes vor der Saison gesagt und irgendwie Recht behalten.“
Richard Leipold (FAZ 19.12.) fügt hinzu: “Trotz des jüngsten Dämpfers glaubt Heynckes, eine akzeptable Halbjahresbilanz präsentieren zu können. Vor zwei, drei Monaten hätten die meisten Schalker es wunderbar gefunden, die Halbserie mit zwei Punkten Rückstand auf einen UEFA-Pokalplatz abzuschließen. Zudem orientiert sich der Trainer mehr am Sinn des Advents. Vorab wie ein sportlicher Heiland gefeiert, spürt er kurz vor Weihnachten, daß er in Schalke angekommen ist. Die Mannschaft weiß nun, wie ich arbeite, und kennt meine Philosophie. Wir haben uns gefunden. Schalke werde unter ganz anderen Voraussetzungen in die Rückrunde gehen. Während Heynckes trotz aller Verwerfungen an ein Happy-End im Mai glaubt, erwartet seinen Kollegen Peter Neururer eine Herausforderung mit umgekehrten Vorzeichen. Nach dem 2:2 in Hannover steht der VfL Bochum als Tabellenfünfter staunend vor dem besten Halbzeitstand seiner Vereinsgeschichte. Ich werde die Winterpause genießen und mir jeden Morgen die Tabelle angucken, sagt Neururer. So wird aus der schönen Momentaufnahme für sechs Wochen ein Standbild.“
1860 München – Borussia Mönchengladbach 1:2
Christian Zaschke (SZ 19.12.) erlebt einen aufgewühlten Falko Götz: „Falko Götz schaute wie der Zeuge eines schlimmen Verkehrsunfalls, abwesend, das Gesicht starr, ein Rest von Ausdruck darin. Ein wenig verwirrt vielleicht auch. Er saß neben Holger Fach, der sich gerade bei seiner Mannschaft, dem Präsidium und überhaupt bei allen bedankte. Fach versuchte, dezent in seiner Freude zu bleiben, um den Kollegen nicht zu demütigen, doch auch die Zurückhaltung änderte die Fakten nicht: 1860 München steckt zum Abschluss der Hinrunde im Abstiegskampf, und Trainer Falko Götz steht vor den Trümmern seiner Arbeit. Im März dieses Jahres hat er die Mannschaft von Peter Pacult übernommen. Damals standen die Sechziger auf Rang acht, doch nach einem 0:6 gegen Hertha BSC Berlin hatte das Präsidium den Eindruck, Pacult könne die Mannschaft nicht erreichen. Seither versucht Nachfolger Götz, ein neues Konzept zu installieren, er sucht den Erfolg mit jungen Spielern. Doch er findet ihn nicht. Am Mittwoch ist die Mannschaft auf dem Tiefpunkt der neunmonatigen Amtszeit von Götz angelangt. Immer wieder mal schien es so, dass der Trainer das Team auf den richtigen Weg gebracht hatte. Solider Konterfußball mit jungen Spielern, eine gut geordnete Defensive, in der die Zuteilungen stimmten; es war eine taktische Idee des Trainers zu erkennen. Es gab Rückschritte, doch damit konnten Mannschaft, Trainer und Präsidium leben. Das Spiel vom Mittwoch war mehr als ein Rückschritt. Ein Blick auf Falko Götz genügte, um zu erkennen, wie sehr ihn diese Partie mitgenommen hatte. Dazu sprach er mit müder Stimme, er sei enttäuscht, sagte er, dann benutzte er die Worte, die sein Freund, der Hertha-Interimstrainer Andreas Thom, am Wochenende nach dem 1:1 gegen die Sechziger benutzt hatte: „Ich bin sehr, sehr traurig.“ Thom war so traurig, weil er die Chance verspielt hatte, Cheftrainer der Hertha zu werden. Um seinen Job muss Götz nicht fürchten. Doch nun hat der Zweifel den selbstbewussten Mann erreicht. Er vermutete: „Die Mannschaft ist vor der Aufgabe verkrampft. Wir haben doch noch Tests gemacht, die Mannschaft war fit, die Kraft war da, ich muss annehmen, dass die Spieler verkrampft sind.“ Das ist das Schlimmste für den Trainer: Er weiß nicht, warum sein Team eine derart desolate Vorstellung geboten hat.“
Die FAZ (19.12.) lobt Holger Fach: „Während in Hannover und Berlin die Trainerfrage eifrig diskutiert wird, hat Borussia Mönchengladbach dieses Problem offenbar intelligenter gelöst, als manche Beobachter zunächst angenommen hatten.“
In der BLZ liest man: „Wie schwer die Zeiten für Hertha wirklich sind, zeigt eine Personalie vom Donnerstag. Für den Job des neuen Trainers hat sich jetzt auch noch Werner Lorant beworben.“
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