Ballschrank
Andere Länder, andere Kommentatoren
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| Donnerstag, 25. März 2004
Sie als Zuschauer haben sich während der WM über die verkorksten Kommentare von Heribert Faßbender geärgert? So wie es scheint, sind die Deutschen nicht die Einzigen, die dem Phänomen der nur vereinzelt durchdachten Äußerungen ausgeliefert sind: Auch der kroatische Spielberichterstatter Bozo Susec kann in dieser Liga durchaus mithalten. Hier einige, ausgewählte Beispiele: Vor der Ausführung eines Einwurfs: Panucci entscheidet sich, den Ball aus dem Seitenaus mit den Händen zurück ins Spielfeld zu befördern. Im von Schiedsrichterfehlentscheidungen geprägten Spiel Italien-Kroatien beschrieb der kroatische Kommentator die Ereignisse nach dem zweiten, aberkannten Tor der Italiener folgendermaßen: Freuen Sie sich nicht, meine Damen und Herren, es ist kein Tor! Der Schiedsrichter entscheidet auf Elfmeter! Nein – vielleicht ein Abseits?! Nein, kein Elfmeter! (in diesem Moment zeigt das TV-Bild den Schiedsrichter, der einen Freistoß für Kroatien pfeift) Der Schiedsrichter entscheidet auf Abseits! Auch Susec sah sich mit dem Problemm konfrontiert, dass mehrere Spieler den selben Namen tragen. Im Falle der beiden Schweden Svensson unterschied er sie durch Zuweisung der Attribute der Hübsche und der Robuste. Bei der Vorstellung der Südkoreaner hieß es dagegen: Welch ein Glück für einen Kommentator – es gibt nur zwei Kims in der Startaufstellung heute. Sonst sind es immer so fünf bis sechs. Etwas mehr Licht in den Kommentatorenalltag brachte hingegen Zeljko Vela, der das langatmige Spiel Slowenien-Südafrika als so interessant, wie eine frisch gestrichene Wand trocknen zu sehen umschrieb. Auch das Spiel Argentinien-Schweden empfand er offenbar als langweilig: das Spiel ist so spannend wie eine Live-Übertragung von Flut und Ebbe. Auch wusste er, die Zuschauer durch den vereinzelten Einsatz von Stereotypen zu unterhalten: Dieser Japaner sind wirklich fortschrittlich. Neulich haben sie das kleinste Fernsehgerät der Welt entwickelt. Aber warum mussten sie ausgerechnet meine Übertragungskabine damit ausstatten?
Michael Hanfeld (FAZ 12.6.) hat den 2:0-Sieg Deutschlands am Fernsehen verfolgt. „ZIEGE! brüllt es irgendwann aus Johannes B. Kerner heraus. Als Fußballkommentator und damit bei seinem alten Leisten ist er vor jener Selbstüberschätzung ein wenig gefeit, die er unter der Woche beim abendlichen Marathontalk nicht immer verleugnen kann. Er redet das Spiel zwar ein bisschen zu schön und hat einen fatalen Hang zum tödlichen Pathos-Pass – „Oliver Kahn hat ein Gesicht aus Stein“ –, doch den gleicht er in der Aufregung aus durch Stilblüten, zu denen Heribert Faßbender einfach das Format fehlt. „Das ist bitter für die Zukunft“, hören wir Kerner sagen, als Carsten Ramelow die Rote Karte bekommt, „wenn es überhaupt eine Zukunft gibt.“ Als Bode zum 1:0 trifft, ist für Kerner nicht nur die fünfzigste, sondern „die pünktlichste Spielminute“ angebrochen, die es überhaupt geben kann.“
Christoph Keil (SZ 11.6.) glotzt TV. „Faßbender sieht schon lange nicht mehr jedes Foul, und Mohren ist sprachlich in den frühen 80ern hängen geblieben. Rethy wird immer an der eigenen, falschen Einschätzung festhalten, auch nach der dritten Zeitlupe. Und Kerner redet und redet und findet dann so ein Spiel wie das der Engländer gegen die Argentinier mittelmäßig, weil er sich was auch immer davon versprochen habe (…) Vor seiner Verwandlung in JBK war Kerner ein öffentlich-rechtlich sozialisiertes Talent vom Sender Freies Berlin. Wieviele Talente gibt es noch? Wirklich so wenige, dass die ARD ihre Bellheims nach Japan und Südkorea schicken musste?“
In dem unübersichtlichen Wust von TV-Expertenrunden hat Gerda Wurzenberger (NZZ 10.6.) eine Perle gefunden. Es handelt sich um die dreiminütige Vorschau von Arte (täglich 19.45h), in der Fußballtrainer Arsène Wenger und Politiker Daniel Cohn-Bendit mit historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergründen über die beteiligten Nationen der jeweiligen Spiele des nächsten Tages vertraut machen. „Unter den vielen Bemühungen, Fußball zu intellektualisieren, gehören diese kurzen Beiträge zu den wirklich überzeugenden. Da wird für einmal nicht mehr versprochen, als geboten wird, da wird nicht gequasselt, sondern Stimmung uns Wissen fernsehgerecht vermittelt und werden Fragen so gestellt, dass sie über das pure WM-Geschehen hinaus nachwirken. Wer das nicht gesehen hat, hat ein echtes Highlight dieser Fußball-Weltmeisterschaft verpasst.“
Michael Horeni (FAZ 8.6.) beschreibt die selbst ernannte Aufgabe von Deutschlands größter Boulevardzeitung. „Bei Bild ist noch Jubelstimmung gefragt. Aus der Redaktion in Hamburg kommt die Nachricht, das Fernsehen versage in seiner Rolle als Stimmungsmacher. ARD und ZDF dürfen die deutschen Tore nur am Spieltag zeigen, viele Begegnungen sind nur im Bezahlfernsehen zu sehen, die WM-Zusammenfassung auf Sat.1 läuft zu spät, die Quoten sind lausig. Das Defizit des Fernsehens will Bild ausgleichen (…) Doch der Ruhm ist vergänglich, oftmals über Nacht, und mitunter kennt niemand außer Bild die Gründe dafür. Das 1:1 gegen Irland hat den Trend noch nicht gewendet, wir warten auf Kamerun, das Endspiel der Vorrunde. Die deutschen Nationalspieler sind mit den extremen Zyklen der Pressebeobachtung bestens vertraut. Vor zwei Jahren hatte Bild die Mannschaft mit guten Wünschen zur Europameisterschaft verabschiedet. Als charakterlose Rumpelfüßler wurden die Spieler heimgeholt – aber nicht alle. Die Herabsetzung verlief nach einem fein austarierten System: Bild schützt seine langjährigen Freunde und Informanten in Nationalteam auch in Krisenzeiten. Die, die nicht plaudern, bekommen dafür um so mehr ab, von den Gegnern des Blattes gar nicht zu reden. Dessen Vorzeigespieler war zuletzt Lothar Matthäus, was dazu führte, dass Bild beim letzten großen Fußballturnier eine publizistische Parallelwelt hervorbrachte, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hatte (…) In Japan ist das Bild-Team unabhängiger als damals. Trends und Stimmungen in der Nationalelf werden ohne falsche Rücksichtnahme aufgespürt. Zudem geht mit Rudi Völler ein Teamchef voran, der nicht nur für den deutschen Fußball ein Glücksfall ist, sondern auch für Bild. Das kolportierte sportliche Urgesetz des Blattes – Fußball ist gut für Bild, Beckenbauer ist gut für den Fußball, Beckenbauer ist gut für Bild –, dieser Dreisatz über den seit Jahren dem Blatt dienenden Kolumnisten, gilt auch für den Sympathieträger Völler.“
Reinhard Lüke (FR 7.6.) bewertet das TV-Programm der Öffentlich-Rechtlichen. „Mit einem einzigen Fußballspiel rund fünf Stunden Programm bestreiten zu müssen, ist kein Zuckerschlecken. Dabei geben sich die Verantwortlichen von ARD und ZDF angesichts der massiven verweisen darauf, dass die Rechtslage doch seit einem halben Jahr bekannt sei. Der Vertrag mit KirchMedia erlaube ihnen nunmal nur das eine Spiel pro Tag. Schon richtig. Doch das Problem liegt nicht in dem, was sie nicht senden (dürfen), sondern in dem, was sie senden. Genauer gesagt in diesem Gestus, mit dem sie fortwährend so tun, als hätten sie über diese 90 Minuten hinaus irgendetwas Sehenswertes zu bieten. Was sie definitiv nicht haben.“
Jürgen Roth (FR 5.6.) vergleicht das TV-Angebot. “Während die Öffentlich-Rechtlichen, die täglich lediglich ein Topspiel übertragen dürfen, ein erbärmliches Schauspiel an Maßlosigkeit bieten, das heißt unangemessene, völlig aus dem Ruder gelaufene Rand- und Rundumberichterstattung, ja eine diabolisch aufgeblasene Trinität aus Delling-Netzer- oder Poschmann-Rehhagel-Duetten, Schaltungen und (zum Teil sehr lustigen) Filmen ins Werk richten, konzentriert sich das Nischenprogramm Premiere bei vollem Fußballprogramm – gezwungenermaßen – auf die Sache selbst.”
TV-Konsument Michael Hanfeld (FAZ 4.6.) meldet. „Wo in der ARD vor allem Gerhard Delling und Günter Netzer vor furioser Fußballkulisse mit acht Toren farblos wie zwei Staubsaugerverkäufer herumstehen, die in der Halbzeit gerade mal ein Tor zeigen können, damit sie den Rest mit Werbung für ihre sonstigen Produkte vollpumpen können, da beweisen Breitner und Welke, dass Fußball zwar die wichtigste, aber selbst bei einer Weltmeisterschaft wie dieser immer noch nicht bis ins Letzte ernstzunehmende Nebensache in dieser Welt ist. Oliver Welke – soviel lässt sich nach dem WM-Auftakt schon sagen – wird zum Miroslav Klose unter den hiesigen Moderatoren avancieren. Er ist kompetent, er ist witzig, er ist schlagfertig, er ist unterhaltsam, und allein deswegen ist er eine Ausnahmeerscheinung unter den Sportmoderatoren. Wir sind fast geneigt, ihm Kultpotenzial zu unterstellen.“
Herbert Riehl-Heyse (SZ 4.6.) schaut sich die WM bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten an. „Ich konzediere also, dass zum Fußball das einschlägige Gelaber gehört; aber doch nicht so, dass damit stundelang wertvolle Sendezeit vernichtet wird, mit minutenlangen Sat1-lichen Ausführungen über die Schweißflecken im Hemd des spanischen Trainers. Zum Rekord-Laber-Duo der ARD muss nur deshalb nichts weiter gesagt werden (…) Delling und Netzer – zwei Grimme-Preisträger, wo ich noch nie kapiert habe.“
Die Organisation “Reporter ohne Grenzen” hat unter den WM-Teilnehmerländern eine Liste erstellt, in denen Journalisten es besonders schwer haben, ihrer Arbeit nachzugehen. Matti Lieske (taz 1.6.) dazu. “Zu den Predators of press freedom gehört zum Beispiel Prinz Abdullah Ibn al-Saud, der in Saudi-Arabien eine strenge Zensur des Internets sowie der gesamten Medien des Landes betreibt und missliebige Journalisten streng disziplinieren lässt. Ein weiterer Predator ist Chinas Staatschef Jiang Zemin, in dessen Land es zuletzt wieder ein Welle der Repression gegen kritische Journalisten gegeben hat. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin steht auf der Liste. Nicht nur in Tschetschenien sind Restriktionen gegen Medienvertreter, die systematische Einflussnahme des Staates auf Presseorgane sowie physische Angriffe bis zum Mord an der Tagesordnung. Tunesiens Präsident Ben Ali gehört ebenfalls zur illustren Gesellschaft. Die Presse des nordafrikanischen Landes ist praktisch gleichgeschaltet, wer sich nicht fügt, wird ins Exil getrieben oder verhaftet.“
Fernsehzuschauer Benjamin Henrichs (SZ 3.6.) über den WM-Auftakt. „Diese Weltmeisterschaft hat ja ziemlich originell begonnen, das Erste Programm aber hat diesen schönen Anfang böse zerschnarcht. Mit einer monotonen Darbietung des Reporters Wilfried Mohren (Frankreich gegen Senegal) und mit Heribert Faßbender, bei dessen kreuzbiederen und fanatisch temperamentlosen Kommentaren zum Deutschlandspiel die Veronkelung der Fußballreportage ihrer Vollendung rüstig entgegenschritt. So viele Tore sind gefallen, oder auch „Törchen“, wie Faßbender gern sagt. Doch unsere liebe alte ARD – sie war bei ihrer WM-Premiere der graue Kanal.“
Jürgen Roth (FR 02.04.02) über den DSF-Fußballstammtisch Doppelpass:
“Das Deutsche Sportfernsehen hält allsonntäglich den berüchtigten, semi-parodistischen Warsteiner-Fußballstammtisch Doppelpass ab, eine zweistündig voll und ganz nichtige Versammlung von mehrheitlich solchen Fachjournalisten, deren rhetorische Debakel illustrieren, weshalb sie genau so schreiben, wie es im kicker nachzulesen ist (…) eine Veranstaltung, die des Scheins der journalistischen Seriosität bedarf, um den Konsumenten, den Fußballfan, am Schirm zu halten. Der Fußballfan nämlich verachtet nichts mehr denn jenen, der seine Sache, den Fußball, nicht ernst nimmt.”
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