Ballschrank
Spielerberater, ein Berufstand im Zwielicht
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| Donnerstag, 25. März 2004René Martens (FTD 10.12.) beäugt Spielerberater: „Spielerberater sind an einer beständigen Karriere ihrer Klienten wenig interessiert. In den Boomjahren des Fußballs haben sie zahlreiche Transfergeschäfte vorangetrieben, von denen allein sie profitierten. Zu den aktuellen Opfern dieser Praktiken gehört der argentinische Offensivkünstler Ariel Ortega: Trotz eines bis 2006 gültigen Kontrakts mit Fenerbahce Istanbul, zu dem er sich offensichtlich von einem ehemaligen Berater hatte drängen lassen, will er nicht mehr für den Klub spielen. Der Weltverband Fifa ließ Ortega wenig erquickliche Wahlmöglichkeiten: Entweder er zahlt Fenerbahce wegen Vertragsbruchs 9,5 Mio. Euro, oder er darf nie wieder in einem Verein gegen den Ball treten. Der britische investigative Journalist Tom Bower, der vorher unter anderem Bücher über das Nazigold veröffentlicht hat, ist kein Fußballanhänger, aber die Macht der Spielerberater hat ihn derart irritiert, dass er in diesem Jahr ein Standardwerk zum Thema vorgelegt hat („Broken Dreams“). Der Autor präsentiert hier schockierende Indizien dafür, dass der Absturz mancher englischer Traditionsklubs nicht zuletzt Managern anzulasten ist, die viele Spielerwechsel allein aus einem Grund abwickelten: um ihnen wohlgesonnene Vermittler zu befriedigen. Ein verheerendes Beispiel gibt der Premier-League-Absteiger FC Sunderland ab. Unter dem Manager Peter Reid, dessen Amtszeit im letzten Herbst nach sieben Jahren endete, gab der Klub für 66 Spieler 96,5 Mio. Euro aus und erwirtschaftete so eine negative Transferbilanz von 69 Mio. Euro – dagegen verblasst sogar die Kapitalvernichtungsleistung des Hamburger SV, der in den letzten fünf Jahren im Transfergeschäft ein Minus von 25 Mio. Euro machte. Noch einkaufsfreudiger als Sunderland, freilich auf niedrigerem Level, zeigte sich hier zu Lande der SV Waldhof Mannheim. Unter dem mittlerweile vereinslosen Trainer Uwe Rapolder holte man zwischen 1997 und Mitte 2001 fast 110 Spieler. In diesem Sommer hatte der Klub nicht einmal das Geld für die Regionalliga-Lizenz (…) Um das Treiben der ehrenwerten Herren einigermaßen in Bahnen zu lenken, bastelt die DFL seit mehr als einem Jahr an einem Ehrenkodex. Demnach sollen die Klubs Beratern maximal zehn Prozent vom Jahresgrundgehalt eines Spielers zahlen – und falls der Verhandlungspartner mehr verlangt, auf den umworbenen Kicker verzichten. Ursprünglich sollte der Kodex auf der Mitgliederversammlung im August verabschiedet werden. Doch es sei „nun mal nicht einfach, die Vereine dazu zu bringen, sich selbst zu beschränken“, sagt DFL-Sprecher Tom Bender.“
Die haben danach alle nur über mein Holzfäller-Hemd geschrieben
Roland Leroi (FR 10.12.) hat Thomas Hörster aufgesucht, der nach seiner Entlassung als Cheftrainer wieder die A-Jugend Bayer Leverkusens trainiert: “Manche meinen, es sei absurd, dass ausgerechnet so einer wieder im selben Club sein Glück findet. Hat der Mann kein Selbstwertgefühl? Verfolgt ihn nicht das Verlangen, es all jenen zu zeigen, die ihn damals in die Schublade des erfolglosen, verkniffenen Anti-Trainers steckten? Der seltsame Herr Hörster, titelte der Kölner Express und in den Augen des Altmeisters Udo Lattek wirkte der Trainer gar wie ein verschüchtertes Würmchen. Geärgert habe ihn das nie. Die kannten mich ja alle gar nicht, sagt Hörster, der anders als Kollegen wie Ewald Lienen oder Hans Meyer nicht das Mittel der publicity-wirksamen Medienschelte nutzte. Ich bin Trainer und kein Öffentlichkeits-Referent, sagt Hörster heute. Vielmehr habe sich der frühere Profi darüber gewundert, mit welcher Massivität die Kritik kurz nach seiner Amtsübernahme auf ihn einprasselte. Ich ging von der üblichen 100-Tage-Schonfrist aus, bekam aber nicht mal eine Woche, erinnert sich Hörster. Dabei sei er gerne eingesprungen, als sein Vorgänger Klaus Toppmöller entlassen wurde und Bayers Manager Reiner Calmund bei Hörster um Hilfe bat. Ich habe mir das zugetraut, sagt Hörster. Direkt auf der ersten Pressekonferenz, die ihn vorstellen sollte, sei der Kahn aber in die entgegengesetzte Richtung gefahren. Die haben danach alle nur über mein Holzfäller-Hemd geschrieben, erinnert sich der Coach, der fortan als der Mann, der zum Lachen in den Keller ginge, gesehen wurde. Und wenn er dann doch mal lachte, war es auch nicht richtig. Als Bayer im Champions League-Spiel in Barcelona 0:2 verlor, orderte ihn der Fernsehsender RTL zum üblichen Interview. Wegen technischer Missgeschicke musste die Prozedur aber viermal aufgezeichnet werden. Dem TV-Team war es peinlich, doch als der letzte Versuch endlich klappte, haben sie sich alle herzlich gefreut. Auch Hörster, dessen strahlendes Grinsen schließlich als Einstieg gesendet und mit dem bissigen Unterton, was der denn noch zu lachen habe, versehen wurde. Ich ging viermal hin und dann haben die mich wie einen Idioten behandelt, meint er. Lehrreich sei das gewesen. Heute denkt Hörster, der in elf Spielen immerhin 14 Punkte als Grundlage für den Klassenerhalt holte, dass er Fehler gemacht habe. Ich hätte manche Dinge anders verkaufen sollen, meint er. Etwa öffentlich zu bekennen, dass er die Champions League herschenken wolle, um die nötigen Reserven für den Abstiegskampf zu haben, sei kein kluger Schachzug gewesen. Ich bin eben zu ehrlich, so Hörster, und war vielleicht deshalb das ideale Opfer. Ehrlich war er auch am 10. Mai, als Leverkusen mit 1:4 in Hamburg verlor. Nach der Leistung habe ich aufgegeben, sagte Hörster danach in die Fernseh-Kameras und wurde tags darauf gegen Klaus Augenthaler ausgetauscht. Inzwischen bereut Hörster den aus purer Verärgerung gesprochenen Satz. Er ist überzeugt, dass er den Abstieg genauso wie Augenthaler verhindert hätte.“
Martin Hägele (SZ 10.12.) berichtet das Trainer-Engagement Guido Buchwals bei den Urawa Red Diamonds: „Viele seiner Freunde haben ihm schon länger zu diesem Schritt geraten, denn nirgendwo ist der Mittelfeldspieler aus Franz Beckenbauers Weltmeistertruppe von 1990 prominenter als in Nippons Fußballszene. Wenn nicht hier, wo sonst könnte die zweite Karriere des sportlichen Vorbilds wieder Schwung bekommen, erst recht nachdem Buchwalds erste Schritte ins Management unter keinem guten Stern gestanden hatten. Die Aufgaben, die erst beim Karlsruher SC und später bei den Stuttgarter Kickers auf den Manager Buchwald zukamen, sind ohne die entsprechende Unterstützung eine Nummer zu groß für den gelernten Elektro-Installateur und Jung-Unternehmer in der Büro- und Kommunikationsbranche gewesen. In Urawa, einer Vorstadt der 17-Millionen-Metropole, braucht sich der 41-Jährige nicht mit Vorurteilen oder einem kritischen Umfeld herumzuplagen. Wer in Japan einmal zum Held wurde, bleibt für immer Held. Und es gibt nur ganz wenige Gai-jin, wie hier die Fremden genannt werden, die einen solchen Status besitzen. Die Ehrenrunde, die der Urawa-Spieler mit der Nummer 6 nach seinem letzten Auftritt auf einem Schimmel reitend absolvierte, gehört neben dem WM-Triumph von Rom und dem Kopfballtor in Leverkusen, das die Deutsche Meisterschaft 1992 zu Gunsten des VfB entschied, zu den Höhepunkten von Buchwalds Karriere.“
Birgit Schönau (SZ 10.12.) spöttelt: „Auch in Italien hat Rivaldo Victor Borba Ferreira einen Preis gewonnen. Die Goldene Mülltonne für den „Reinfall des Jahres“, verliehen vom populären Programm Catersport des Staatsrundfunks Rai. Rivaldo verwies Al Saadi Gaddafi, ehemals Perugia, und Carsten Jancker, noch Udinese Calcio, auf die Plätze zwei und drei. Jancker antwortete auf die fragwürdige Auszeichnung mit einem Tor. Gaddafi hat nie gespielt und trotzdem gedopt. Rivaldo ist still von der Bildfläche verschwunden. Rivaldo! Das war er gar nicht, behauptete nun die Gazzetta. Rivaldo war nie in Italien, hat nie in der Serie A gespielt, niemals das Trikot des AC Mailand getragen. Oder hat hier jemand zwischen August 2002 und Ende November 2003 den Außerirdischen gesehen? Über den Platz schlich, mit der Nummer 11, ein Fußkranker mit Rivaldo-Maske. Die Gespensterstunde ist jetzt auch vorbei. Im September hatte der Weltmeister schon einmal versucht, den Abflug zu machen. Hatte eine Pressekonferenz einberufen und stolz verkündet: Wo er nicht spielen darf, da bleibt ein Rivaldo nicht. Sah nach starkem Abgang aus. Tags drauf verabschiedete er sich im Meazza-Stadion von den Tifosi, schon ganz in ziviles Trauerschwarz gewandet. Noch einen Tag später wurde er von den Chefs zurückgepfiffen.“
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