indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Sport und Krieg

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Sport und Krieg

Zum Verhältnis zwischen Sport und Krieg lesen wir von Reinhard Sogl (FR 21.3.). „Die weitgehend einheitlich ablehnende Haltung des Sports zu Absagen von Veranstaltungen wegen des begonnenen Bush-Kriegs gegen den Irak ist nur konsequent. Gerade weil der Sport keine Insel ist, sondern Teil der Gesellschaft. Warum sollte ein Profi innehalten müssen, wenn in praktisch allen anderen Bereichen des Lebens und der Wirtschaft der Alltag weitergeht? Warum sollten gerade Hobby- wie Berufssportler ihrer Betroffenheit durch Verzicht auf die für sie wichtigste Nebensache oder unwichtigste Hauptsache der Welt Ausdruck verleihen? Warum sollte auf Wettkämpfe verzichtet werden, so lange keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben von Sportlern und Zuschauern zu befürchten ist? Der Einfluss des Sports auf politische Prozesse ist schon häufig überschätzt worden. Für Demonstrationen der Moral taugt er nur bedingt. Dennoch ist es richtig, wenn friedensbewegte wie besorgte Sportler Zeichen setzen gegen Gewalt und Terror. Das kann auch beim Sport sein und muss eben nicht zwangsläufig die Abkehr vom friedlichen Wettstreit bedeuten. In letzter Konsequenz bedeutete das nämlich den völligen Verzicht auf alle sportlichen Veranstaltungen, weil jeden Tag immer irgendwo auf dieser Welt Dutzende von Kriegen geführt und unschuldige Menschen getötet werden.“

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 21.3.) meint dazu. „Weil wir uns haben einrichten können auf diesen Krieg in der Beobachterrolle. Und weil es bislang keine Szenarien gibt, die an alltägliche Sequenzen von Tod und Verderben in Palästina heranreichten. Im Fernsehen ist der Tod in Bagdad beim ersten Angriff noch anonym geblieben, ohne Gesicht. Am Horizont gibt es stets diese schöne Vision vom Sport, der Gräben überwindet, ja Gräben zuschüttet. Thomas Bach, der Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, hat betont, daß seine Organisation alles versuchen werde, bei den Olympischen Spielen in Athen die Athleten aus den USA und dem Irak, aus Nord- und Südkorea und aus Israel und Palästina dabeizuhaben. Bis dahin sind es noch knapp anderthalb Jahre, so lange, wie der 11. September 2001 zurückliegt. Diese Frist stand zu nachtschlafender Zeit im Kontrast zur eingeblendeten Zeit auf dem Bildschirm. Dem Countdown, der die Minuten und Sekunden bis zum Ablauf des von Bush gestellten Ultimatums anzeigte. Eine Uhr, die rückwärts lief, bis die Zeit abgelaufen war. Mit Ziffern, wie sie in diesen Tagen auch vom Biathlon eingeblendet werden. Wo sie sich sputen, wo sie Gewehre tragen, wo sie das Ziel treffen oder es verfehlen. Aber es geht eben nicht um Leben und Tod. Eine Normalität des Sports, die in diesen Tagen fast zu schön ist, um wahr zu sein.“

Kirch-Verträge

Thomas Kistner (SZ 19.3.) sorgt sich um den moralischen Zustand der Liga. „Jetzt rollt also eine Schmutzlawine durchs Fußballgeschäft, die ihresgleichen sucht und immer mehr Fahrt aufnimmt. Abzusehen ist bereits, dass sie eine Schneise der Zerstörung ins fromme Spiel treiben wird. Und auch das ist Tatsache: Alles nur, weil sich, wie bei Lawinen üblich, irgendwo ein paar tückische Bretter gelöst haben, mit deren Instabilität keiner gerechnet hatte. In diesem Fall sind es die Bretter, die um das Imperium des Leo Kirch geschustert worden waren, ein Jahre lang blickdichter Geschäftsverhau, an dem nicht nur von innen, sondern auch von außen kräftig mitgezimmert worden ist. Mit vollem Einsatz. Und nach allen Regeln der Bilanzkunst. Dass dieses Imperium kollabieren könnte, damit hat einfach keiner gerechnet. Klar wird nun auch, warum: Der Medienkonzern hatte sich in eine stille Deutschland AG verwandelt, mit besten Flüsterverbindungen in Politik, Wirtschaft und die Milliardenbranche Profifußball. Nun werden die erschlafften Tentakeln der Krake an die Oberfläche gehievt, und hoppla: An jeder hängt ein Fußballfunktionär! Oder, wie im Fall des DFB, gleich ein ganzer Verband.“

Roland Zorn (FAZ 20.3.) kritisiert die Rückendeckung für Wilfried Straub. „Über die lange verdeckt gehaltenen Verträge wäre am Dienstag am DFB-Sitz nie geredet worden, hätte es nicht am Sonntag eine enthüllende Veröffentlichung im Spiegel gegeben. Da die Spitzen des DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) nichts Unrechtes an der Handlungsweise der Wirtschaftsdienste erkennen konnten, wurde auch deren damaliger Mitgeschäftsführer Wilfried Straub am Ende der vierstündigen Diskussion mit einem Vertrauensvotum erster Klasse beschenkt und wieder in seinen Österreich-Urlaub entlassen. Dennoch fuhren einige Teilnehmer der Tagung mit einem unguten Gefühl nach Hause. Ligavorstand Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer der Fußball-GmbH von Bayer Leverkusen, brachte die Stimmung auf den Punkt: Der DFB und die DFL erleiden einen Imageschaden, der kaum noch zu reparieren ist. Da muß alles ausgetrocknet werden, so kann es nicht weitergehen. Peter Pander, der Manager des VfL Wolfsburg, sprach für viele Kollegen, als er eine Bundesliga-Vollversammlung forderte. Dabei müssen alle Dinge aufgearbeitet werden. Jede Woche mit weiteren Spekulationen, das wäre schlimm. Die Spekulationen aber schießen ins Kraut. Vor allem Straub, der gleichzeitig Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung, DFB-Vizepräsident und Aufsichtsrat des WM-Organisationskomitees ist, bleibt im Fokus des öffentlichen Argwohns. Gerüchte besagen, daß die Geschäftsführer – neben Straub der DFB-Chefjustitiar Goetz Eilers – prozentual an den Abschlüssen der Wirtschaftsdienste beteiligt gewesen sein sollen. Straub gilt andererseits als ein ob seiner Integrität geschätzter Fußballfachmann, dem niemand so etwas wie eine Selbstbedienungsmentalität zutraut. Wie weit die Vorsicht bei Straub ging, sich von allem fernzuhalten, was einen Hautgout haben könnte, ist nicht bekannt. Was jedoch gegen das Fingerspitzengefühl des ersten DFL-Geschäftsführers spricht, ist, daß er seine Ämtervielfalt im Sinne einer möglichen Interessenkollision nie als störend empfunden hat.“

Hintergrund SZ

Stange kritisiert und wird kritisiert

Interview mit Bernd Stange, Iraks Nationaltrainer FR

Berries Bossmann (Welt 20.3.) kritisiert die Äußerungen von Bernd Stange zur Weltpolitik. „Die irakische Zivilbevölkerung hat Mitgefühl verdient – der angebliche Menschenfreund Stange den Beifall sicher nicht. Ausgerechnet Stange, der als Inoffizieller Mitarbeiter des DDR-Staatssicherheitsdienstes seine Mitmenschen, darunter Aachens heutigen Trainer Jörg Berger, bespitzelt und verraten hat, um selbst in den Genuss von Privilegien zu kommen, will uns heute weismachen, dass ihn das Schicksal anderer tangiert? Und Stange setzt in punkto Heuchelei noch eins drauf: Er fühle sich so stark mit den Menschen im Irak verbunden, dass er keinen anderen Job annehmen könne. Selbst wenn Bayer Leverkusen anrufen würde, müsse er ablehnen. Dass ein nur auf den eigenen Vorteil bedachter Mensch wie Stange sofort zugreifen würde, wenn Bayer-Manager Reiner Calmund ihm mit einem Scheck vor der Nase herumwedeln würde, daran dürfte zwar kein Zweifel bestehen. Beweisen lassen wird es sich aber nicht, denn weder Calmund noch irgendein anderer Manager der Bundesliga käme auf die Idee, ihn zu verpflichten. Stange hat sich selbst zum Aussätzigen gemacht. Er findet nur noch dort eine Anstellung, wo seine Vergangenheit noch nicht bekannt ist: in Australien oder im Irak.“

Wolfgang Sidka über seine Trainererfahrungen in der Golf-RegionSZ

Weiteres

Steffen Gaa (FR 19.3.) schreibt zum Rasenproblem. „Der Rasen hält für gewöhnlich nicht lange in den neueren Fußballarenen. Die Erklärung ist einfach. Zu wenig Licht, zu wenig Luft. Da wächst selbst das beste Gras nicht mehr. Es bleibt vielmehr nur Moos. In den neuen Stadien ragen die Dächer so weit über die sensiblen Rasenflächen, dass die zu wenig Sonne abbekommen. Und wegen der bis zum Spielfeldrand gezogenen Tribünen zieht nur noch ein laues Lüftchen durch die Arenen. Die Stadien werden eben für die Zuschauer gebaut. Das geht auf Kosten der Rasen, sagt Jörg Denzer, Platzwart des VfL Wolfsburg. Hinzu kommt das Wetter. Solange es nachts noch Frost gibt und tagsüber Fußball gespielt wird, macht das den Grashalmen zu schaffen. Egal wie das Stadion gebaut ist. Aber besonders auffällig ist die Situation eben in den neueren Arenen. Das ist nicht allein ein deutsches Problem. In der Amsterdam Arena wurde die grüne Spielfläche in den vergangenen fünf Jahren mehr als 25 Mal ausgetauscht. Manchester United hat seinen Rasen in Old Trafford in den vergangenen Monaten gleich zweimal ausgewechselt – im Dezember und im Januar. Gekostet hat das jeweils 160.000 Euro. Der Luxus moderner Stadien hat seine Kehrseite. Das ständige Rasen-Wechsel-Dich ist derzeit die einzige Antwort auf das Problem. Die Rasenforscher schlafen indes nicht. Mittlerweile gibt es – etwa im Dortmunder Westfalenstadion – speziellen Schattenrasen. Die Mischung braucht weniger Sonnenlicht, gewährt aber schlechteren Halt. Und selbst der fahrende Rasen in der Arena AufSchalke hat seine Nachteile. Jede Fahrt, mit der die komplette Spielunterlage aus der Arena heraus an die frische Luft gefahren wird, kostet mehr als 13.000 Euro. Auch soll der ständige Klimawechsel dem Grün nicht all zu gut bekommen. Getüftelt wird bei den Rasenmännern derzeit auch an einem Halb-Halb-Rasen. Er soll zu einer Hälfte aus Gras und zur anderen aus Kunstrasen bestehen. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) weiß um die Probleme und hat reagiert. Sie prüft, ob nicht Kunstrasen langfristig die anfällige natürliche Unterlage ersetzen kann.“

Bernd Müllender (FTD 19.3.) rezensiert. „Gut, beschäftigen wir uns also mehr als hundertelf Zeilen lang mit dem Elfmeter, den René Martens (elf Buchstaben) in elf Kapiteln auf hundertelf Seiten in elf Elfteln Buch für elfkommaelf Euro beschrieben hat – hundertelf Jahre nach Erfindung des Strafstoßes. Ist der Elfmeter, den Pelé einst „eine feige Art, ein Tor zu schießen“ genannt hatte, soviel Aufmerksamkeit wert? Unbedingt. Auch auf die Gefahr hin, dass dieses Buch Auftakt sein könnte für eine Lexikareihe der Standardsituationen, etwa: Der indirekte Freistoß. Das Buch ist kein Muss, aber ein glasklares Sollteunbedingtschon. Allein wegen der statistischen Auswertung der Bundesliga. Wer die meisten Elfer verwandelte? Manfred Kaltz: 53 (von 60). Die beste Quote hatte – das überrascht – Rainer Bonhof mit 20 von 21. Drei in einem Spiel hat schon mal einer verwandelt (Stuttgarts Nussöhr), aber noch kein Keeper gehalten. Tritt der Gefoulte an, hat er gegen den falschen Branchenmythos und den steten Glauben Heribert Faßbenders eine bessere Quote als andere. Linienpfiffikus Nr. 1 ist bis heute Rudi Kargus: 23 Elfer schnappte er in seiner Karriere weg. Das anekdotenreiche Werk über den ominösen Punkt ist reich an historischen Kuriositäten; etwa von jenem Schiedsrichter, der bei der WM 1930 mit Giraffenschritten 17 Meter Entfernung festlegte (immerhin zum richtigen Tor), oder von der traurigen Gestalt, deren Elfer vor der Linie zum Liegen kam. Die schönsten Versagernamen? Kutzop an den Pfosten, Matthäus im Pokalfinale, Hoeneß in den Belgrader Nachthimmel, Roberto Baggio im WM-Finale. Dazu eine kleine Kulturgeschichte des gezielten Betrugs in den Strafräumen der Welt: das Kapitel über die Schwalbenmeister heißt „Hölzenbeins Söhne“. Und wie geht die eigentliche Sache nun genau? Der Ball „wird auf die Strafstoßmarke gelegt“, sagen die Regelhüter des DFB. Der Schütze heißt „ausführender Spieler“ und muss „klar identifiziert sein“. Der Torwart hat sich „auf seiner Torlinie aufzuhalten“ und zwar, wer weiß das schon, „mit Blick zum Schützen“. Tore: Gibt es nicht! Nein, der Schiedsrichter entscheidet, „wann der Strafstoß seine Wirkung erzielt hat“. Übrigens, den Elfmeter gibt es in den Fußballregeln auch nicht. Die Ballbeamten kennen nur den „Schuss von der Strafstoßmarke“. Solch ein Elfmeter braucht auch keine elf Meter. 10,968 Meter reichen, denn die Erfinder haben den Penalty auf zwölf Yards Entfernung festgelegt. Das bedeutet, Kontinentaleuropäer haben es schwerer. Engländer scheitern vielleicht wegen der ungewohnten Entfernung so gern bei internationalen Spielen, vor allem gegen uns Krauts (Southgate, Waddle).“

René Martens: Elfmeter. Kleine Geschichten einer Standardsituation. 111 Seiten, 11 Euro 11.

Portrait Thorsten Fink Welt

Interview mit Jürgen Röber (Effenberg muss sich unterordnen!“) Tsp

Neuer Aufschwung für die J-League? NZZ

Matthias Wolf (BLZ 21.3.). „Iris Tappendorf, die Leiterin der Polizei-Ermittlungsgruppe Hooligans in Berlin, plagt eine Angst. In Deutschland findet in 1 177 Tagen die Fußball-Weltmeisterschaft statt – und bereits jetzt gäbe es viele gewaltbereite junge Menschen, die sich speziell auf die WM 2006 vorbereiten, sagt sie: Der Nachwuchs der Hooligans freut sich schon. Diese These ist zwar nicht zu beweisen – aber auch nicht zu dementieren. Weshalb sich Frau Tappendorf in Zeiten, da der Berliner Senat aus Kostengründen sogar die Polizei aus dunklen U-Bahnhöfen abziehen wird, wohl keine großen Sorgen um den Bestand ihrer 19-köpfigen Abteilung machen muss. Auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und bei den WM-Organisatoren rennt sie damit offene Türen ein. Die Herren betonen zwar stets, wie wichtig ihnen der gemeine Fan bei der WM doch sein werde – doch noch wichtiger ist, dass kein Makel auf das bunte Fußballfest fallen möge. Klinisch rein möge es sein, passend zum Logo der Weltmeisterschaft mit den ach so lustig lachenden Gesichtern, das die Fans schon so zeigt, wie sie alle gerne hätten: als grinsende Nullen. Natürlich, jeder wünscht sich, dass der Fußball und seine Klientel bei der WM 2006 ein freundliches Gesicht haben möge – und keine hässliche Fratze wie in Frankreich, als der Gendarm Daniel Nivel in Lens von deutschen Hooligans beinahe zu Tode geprügelt wurde. Doch die derzeitige Vorgehensweise aller, vom DFB (dessen Sicherheitskommission die Richtlinien zur Festsetzung und Verwaltung von Stadionverboten erlassen hat) bis hin zur Polizei, scheint bedenklich. Fast an jedem Spieltag entstehen Bilder, die kein Sender zeigen will: Fans, die wie eine Viehherde vom Sonderzug ins Stadion getrieben werden. Wer seine Notdurft verrichten will oder wer eine Frage an die Beamten stellt, wird nicht selten zurückgeprügelt ins Glied (…) Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz. Für Fans aber scheint das in vielen Städten, die auch WM-Spiele ausrichten werden, eher nicht zu gelten. Die Anzahl der Stadionverbote steigt nach Ansicht vieler Fanbetreuer derzeit inflationär.“

Gewinnspiel für Experten

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