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Bundesliga

Stevens vor der Entlassung – VfB Stuttgart, der „FC Bayern light“

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Stevens vor der Entlassung – VfB Stuttgart, der „FC Bayern light“

of Die wichtigste Erkenntnis des Bundesliga-Wochenendes – für die FAS eine Vorlage zum Kalauer: „Der Huub-Raum hat sich gegen null verdichtet.“ Mit der Entlassung von Trainer Huub Stevens rechnet nicht nur Fußball-Berlin stündlich – und nicht erst seit der 1:4-Niederlage gegen Bayer Leverkusen. Mitleid wird es nicht geben, die wenigen Freunde, die Stevens in Berlin hatte, hat er verloren. Die SZ hat die Szenerie genau beobachtet: „Huub Stevens verließ seinen Platz als Trainer von Hertha BSC Berlin noch früher, als es in all den genüsslich geführten Debatten der Stadt prognostiziert worden war. Es war 16.42 Uhr, als er von Schiedsrichter Markus Merk der Bank verwiesen und hinauf auf den Rohbau einer Tribünentreppe geschickt wurde. Dort war Stevens von nun an allein.“

Andres ist die Lage beim Gewinner, der mit den Berlinern mitfühlen kann. Bayer Leverkusen startete in die Vorsaison auch mit großen Zielen – und fiel auch ans Tabellenende. Jetzt ist Bayer Tabellenführer; aus dem abschreckenden Beispiel ist ein Vorbild geworden. Die SZ gratuliert grinsend: „einem großen Jahr steht nichts mehr im Weg. Und in Leverkusen bedeutet das bekanntlich immer: Bayer wird Vizemeister.“ Günstiger sind die Voraussagen nur für den VfB Stuttgart, 3:1-Sieger beim Tabellenersten Werder Bremen: „ein Team, souverän wie ein Meister“, staunt die FTD, „kühl und effektiv wie der FC Bayern an seinen meisterhaften Tagen“, applaudiert die FAZ.

Hertha BSC Berlin – Bayer Leverkusen 1:4

Nichts als geplatzte Träume und verlorene Illusionen

Rainer Seele (FAZ 20.10.) beschreibt die Berliner Krise: „Just in der Hauptstadt, wo ein immenser, illuminierter Ball vor dem Brandenburger Tor aufgestellt wurde als Symbol für die WM 2006, ist das Elend derzeit besonders groß: Hertha BSC Tabellenletzter in Liga eins, Union am Ende der Zweiten Bundesliga, nichts als geplatzte Träume und verlorene Illusionen in einer Stadt, die auf die Schnelle, vielleicht mit zu großem Tempo, Aufbruchstimmung erzeugen wollte, nicht zuletzt im Fußball. Vermutlich hat Stevens, angezogen von der Kapitale Berlin nach dem Intermezzo im Ruhrpott, sein neues Team überschätzt. Und womöglich hatte man bei Hertha auch zu hohe Erwartungen an einen Mann geknüpft, der eher zur Arbeiterklasse im Fußball zu passen scheint als zu einem Verein der vermeintlichen Hautevolee. Hertha BSC, die in die besseren Kreise des Fußballs, in die Champions League, vorstoßen wollte, stellt sich als ein Team ohne Profil, ohne spezielles Erkennungsmerkmal dar. Das muß man Stevens zuschreiben, aber auch Manager Dieter Hoeneß, zusammen mit dem Niederländer vor allem verantwortlich für die Komposition des Kaders. Welcher Name spricht schon für sich? Der des Stürmers Fredi Bobic, der des Torhüters Gabor Kiraly, gewiß der des Brasilianers Marcelinho, der – so scheint es – als einziger Profi von Hertha BSC dem Berliner Spiel einen Schuß Inspiration zu geben vermag. Arne Friedrich mag man in dieser Reihe noch nennen oder Marko Rehmer, aber das ist offenbar selbst für größere nationale Ambitionen zuwenig. Und es macht klar, daß allein mit einer Trennung von Stevens die Krise von Hertha BSC nicht zu bewältigen sein dürfte.“

Schlingerkurs in Sachen Mannschaftsführung

Frank Hellmann (FR 20.10.) erläutert die Fehler des Berliner Trainers: „Wenn Huub Stevens zu viel Stress verspürt, geht er mit seinem Golden Retriever spazieren. Raus aus dem Haus in Berlin-Charlottenburg, rein ins Waldrevier am Teufelsberg. Der Vierbeiner darf sich freuen: Er wird in den nächsten Tagen viel Auslauf erhalten. Denn Herrchen wird ab heute viel Zeit zum Nachdenken haben. Stevens ist als Trainer nicht mehr zu halten – selbst sein wichtigster Verbündeter Dieter Hoeneß hat den Daumen gesenkt. Zu groß nicht nur der öffentliche Druck, zu riesig vor allem die irrationale Abneigung weiter Teile von Herthas Anhängerschaft, die sich von Anfang an mit dem Holländer und Ex-Schalker nicht arrangieren wollte und konnte. Das ist langfristig vernichtender als die Momentaufnahme, siegloser Tabellenletzter zu sein. Der Trainer Stevens ist detailversessen, streb- und arbeitsam, ein exzellenter Profi. Einer, der auf dem Trainingsplatz Fußball lebt, der ehrlich und geradlinig den Spielern entgegen tritt, der sich nur mit den medialen Erfordernissen an einen Fußball-Lehrer ungern anfreundet. Und doch hat er sich in den vergangenen Wochen auch in Fachfragen angreifbar gemacht: mit personellen Wechselspielen, taktischen Experimenten, einem Schlingerkurs in Sachen Mannschaftsführung, der in der Sackgasse endete. Die Schelte auf dem Trainingsplatz vor laufenden Kameras war der letzte Versuch, öffentlichkeitswirksam zu beheben, was nicht mehr zu retten war. Eine überteuerte und überschätzte Mannschaft zu einen, ihr Zutrauen in nicht vorhandene Fähigkeiten einzureden, ihr ein klares Profil und einen eigenen Stil zu geben: Das hat der Trainer versäumt.“

Christian Ewers (FAZ 20.10.) zweifelt, ob Hertha zu trösten ist: “Reiner Calmund hätte schwärmen können. Über das 4:1, über die Rückeroberung der Tabellenspitze, über seinen humpelnden Verteidiger Lucio, der die Abwehr trotz einer Fußverletzung perfekt organisiert hatte. Aber dem Leverkusener Manager war nicht nach einer Jubelrede. Er sprach mit gedämpfter Stimme, seine Hände hatte er in den Taschen seines Trenchcoats vergraben. Daß du unten drin stehst, zeigt doch nur, daß es im Kopf nicht stimmt, sagte Calmund. Anders ist das nicht zu erklären. Er machte eine kurze Pause, um dann im tiefen Brustton fortzufahren: Wichtig ist jetzt, daß im engsten Umfeld, also in der Mannschaft und in der Vereinsführung, eine gewisse Ruhe herrscht. Man muß die Störfeuer draußen halten. Calmund hatte sein Thema schnell gefunden nach dem Abpfiff im Olympiastadion. Über das eigene Team zu sprechen war ihm zu langweilig, statt dessen machte er sich an eine Generalanalyse der Krise von Hertha BSC. Einkaufspolitik, Mediensituation, Publikumserwartungen – Calmund ließ keinen Aspekt aus. Für die Hertha-Spieler, die hinter Calmunds breitem Rücken in die Umkleidekabine schlichen, muß der wohlmeinende Vortrag wie eine Demütigung geklungen haben. Ausgerechnet vom Gegner Trost und Ratschläge zu bekommen, nicht mehr als sportlicher Widerpart, sondern nur noch als Opfer wahrgenommen zu werden – das ist bitter. Nicht nur Calmund war die Hilfsbedürftigkeit der Berliner Mannschaft aufgefallen. Das Publikum formulierte seine Tips jedoch wesentlich uncharmanter. Stevens raus! brüllte die Fankurve, als das Spiel noch gar nicht begonnen hatte (…) So wie Hertha sich fühlt, haben wir uns die ganze letzte Saison gefühlt. Man muß die Augen zumachen, dann geht es auch wieder aufwärts (Calmund). Daß Bayer nicht nur die Augen geschlossen, sondern auch zwei Trainer entlassen hatte im Kampf um den Klassenverbleib, verschwieg er allerdings in seiner Predigt.“

Werder Bremen – VfB Stuttgart 1:3

Kühl und effektiv wie der FC Bayern an seinen meisterhaften Tagen

Roland Zorn (FAZ 20.10.) applaudiert dem Sieger: „Von unbändiger, lausbübischer Freude war bei den Spielern des VfB Stuttgart nichts zu spüren. Die daheim als junge Wilde plakatierten Schwaben genossen ihren Triumph beim gestürzten Tabellenführer ohne jede Selbstbeweihräucherung. Kritisch wie sein Trainer Felix Magath kommentierte der 21 Jahre alte Andreas Hinkel die schwächere zweite Halbzeit des noch immer unbesiegten Tabellenzweiten der Fußball-Bundesliga: Wir haben uns viel zu sehr hinten reindrängen lassen, das war nicht das, was wir wollten, mit der zweiten Hälfte kann man nicht zufrieden sein. Der Jungnationalspieler, ein Wirbler auf der rechten Seite, erfreute Magath als His Masters Voice im nachhinein wie schon während der neunzig Minuten. Die kühl bis ans Herz ihre Gelegenheiten nutzenden Stuttgarter, voran Magaths frühreife Spunde, stellten sich am Samstag ein Klassezeugnis aus: Hinkel tunnelte sogar vor seiner Vorlage zum 1:0 seinen bemitleidenswerten Bremer Verfolger Stalteri. Das war riesig, lobte Meister Magath einen seiner Lieblingsschüler. Auch der noch heftiger umworbene 21 Jahre alte Nationalstürmer Kevin Kuranyi vollendete abgebrüht wie ein Altstar, was ihm der 22 Jahre alte Hleb zum 2:0 auf den Fuß gezaubert hatte. Der Weißrusse Hleb, dem Spitzenklubs aus Italien und Spanien längst hinterherjagen, spielte, als die Begegnung Spitz auf Knopf stand, den 21 Jahre alten Christian Tiffert in letzter Minute frei, und es hieß 3:1. Tiffert geht seit dem Jahr 2000 durch die Stuttgarter Schule und macht aus seiner Bestimmung als gesetzter Einwechselspieler meistens das Beste. Da konnte Werder die erste halbe Stunde noch so eindeutig bestimmen und die gesamte zweite Halbzeit noch so nachhaltig diktieren – wenn es darauf ankam, schoß der VfB die Tore. Kühl und effektiv wie der FC Bayern München an seinen meisterhaften Tagen setzten die Stuttgarter ihre Wirkungstreffer.“

Bayern light

Jörg Marwedel (SZ 20.10.) prüft den – derzeit beliebten – Vergleich zwischen dem VfB Stuttgart und dem FC Bayern: „Jetzt hat er begonnen, der Modeherbst, und mit ihm die Zeit der Schals; Felix Magath hatte zum Auftakt einen weinroten gewählt und ihn sich nach dem Spiel über den dunklen Anzug geworfen. Das sah ähnlich gediegen aus wie gewöhnlich die Garderobe von Ottmar Hitzfeld und doch einen Schuss verwegener, frischer, weniger konservativ als die Accessoires des Bayern-Trainers. Warum dieser Ausflug in die Modewelt? Ganz einfach – weil die Auswahl des mutigen Ästheten und Fußballlehrers Magath ihre Entsprechung auch auf dem Rasen des Bremer Weserstadions fand. Mit kühler Schönheit und äußerster Effektivität setzten die Stuttgarter im Spitzenspiel beim bisherigen Tabellenführer SV Werder die entscheidenden Treffer. Dazu gaben sie einmal mehr jene Prise Spielfreude, die einem Team mit den Ansprüchen des Rekordmeisters bei der alltäglichen Pflichterfüllung zuweilen abgeht. Der VfB Stuttgart als eine Art „Bayern light“, der seine Spiele gegen einen emsig anrennenden Gegner so ausgebufft nach Hause schaukelt wie die Münchner? „Wir spielen besser“, sagte Magath trocken und meinte: besser als der FC Bayern an einem durchschnittlichen Tag. Stuttgarts mächtigster Mann hat es längst aufgegeben, die Freude über die prächtige Entwicklung seiner „Jungen Wilden“ zu vertuschen. Natürlich hat er professionell bemängelt, dass „wir uns schwer taten, ins Spiel zu kommen“ und dass man den Gegner nach der Pause „eingeladen hatte, Druck zu machen“. Auch war ihm nicht entgangen, dass man nach Bremens Anschlusstor Glück benötigte gegen die nun beherzteren Bremer. Andererseits ist es gerade die Umsetzung der neuen, ökonomischen Spielweise, die Magath gefällt: „Das geht nicht anders, wenn man auch im internationalen Geschäft ist. Wir haben im letzten Jahr zu viel investiert.““

Zu Werder, da kannst du hingehen, da ist immer was los, die bieten was Tolles an

FAS-Interview mit Thomas Schaaf

FAS: Das öffentliche Bild von Ihnen besteht vor allem aus Klischees …

TS: Bitte nicht. Das ist ein ganz altes, durchgekautes Kaugummi. Was wollen Sie hören? Daß ich zum Lachen in den Keller gehe? Ich bringe mich so rüber, wie ich bin. Ich verstelle mich nicht.

FAS: Nachdem Schalke Ihnen Ailton und Krstajic weggeschnappt hat, haben Sie in einem Interview von einer ungeheuren Wut gesprochen, die in Ihnen aufsteige. War das in dieser Deutlichkeit eine neue Seite ihres Charakters?

TS: Das ist doch auch ein Klischee. Daß ich immer ruhig bleibe. Ich hatte dieses Gefühl der Wut. Das mußte raus. In dem Falle war ich innerlich wütend, weil ich nichts tun konnte.

FAS: Haben Sie diese Ihre Wut öffentlich und gezielt eingesetzt?

TS: Nein. Es mußte raus.

FAS: Werder war bis zum Samstag Tabellenführer. Mancher sagt, Werder stünde nur oben, weil es bislang schwache Gegner gab.

TS: Ja. So wie Dortmund. Dieses: Jetzt habt ihr gegen Schalke und in Berlin gewonnen, das zählt aber nicht mehr, weil sie so schwach sind. Das verstehe ich nicht. Wir haben sie doch erst in diese Situation gebracht. Und bei der Niederlage in Dortmund haben wir den Ball ja mit reingeschubst. Wir wollen das weitermachen, was wir bisher angeboten haben. Das wollen wir auch gegen Spitzenteams zeigen.

FAS: Gibt es einen Unterschied zur Situation vor einem Jahr?

TS: Einen besseren Start. Richtige Verpflichtungen. Alle haben sich weiterentwickelt. Es paßt noch besser als im vergangenen Jahr.

FAS: Welche Ziele verfolgen Sie denn mit Werder?

TS: Ich habe ja als Spieler hier Sachen erlebt – das sind meine Maßstäbe. Das habe ich als schön und interessant empfunden. Besonders die internationalen Spiele. Das ist Maßstab und Ansporn für einen selbst. Dahin zu kommen ist unser Ziel. Wir sind auf einem guten Weg. Wir liegen schon über gewissen Zielen. Wir haben etwas geschaffen in der Stadt: über Werder sprechen. Mit Werder identifizieren. Auf hohem Niveau etwas anbieten. Zu Werder, da kannst du hingehen, da ist immer was los, die bieten was Tolles an. Dazu gehört, international dabeizusein. Ich habe erlebt, daß es nicht immer so war.

FAS: Sind Sie mit Werder verwachsen?

TS: Irgendwann ist das Ding doch mal vorbei. Nach drei Spielen oder 14 Jahren.

FAS: Schaaf, der neue Rehhagel?

TS: Nein. Sie sehen, es klappt nicht, mich zu provozieren. Manchmal bin auch gut drauf.

Borussia Mönchengladbach – Bayern München 0:0

Jörg Stratmann (FAZ 20.10.) sah verbesserte Gladbacher: „Wer Borussia Mönchengladbach auf das gute alte Synonym Bökelberg reduziert, dem könnte angst und bange werden. Bye-bye Bökelberg steht neuerdings bei Heimspielen des abstiegsbedrohten Vereins auf der Anzeigetafel des Stadions inmitten des feinen Wohnviertels. An diesem neunten Spieltag mit dem Zusatz: Noch 13mal. Danach, soll das heißen, geht hier das Flutlicht aus. Die eigentlich frohe Botschaft, die sich dahinter verbirgt, ist seit diesem Wochenende wieder besser erkennbar. Denn so energisch, wie sich die Borussia beim 0:0 gegen Meister Bayern München präsentierte, könnte es klappen, daß der Klub nächsten Sommer den Umzug ins neue Stadion im Norden der Stadt weiterhin als Mitglied der höchsten Spielklasse vollzieht. Zwar gelang den Gladbachern nun auch im dritten Spiel unter ihrem neuen Trainer Holger Fach kein Sieg. Doch Fortschritt ist erkennbar. Es sei die bislang beste Vorstellung unter seiner Verantwortung gewesen, sagte Fach. Was Beobachter gerne auf alle neun Saisonspiele erweiterten. Nicht nur, weil die Borussen oft schon in des Gegners Hälfte den Ball eroberten und munter über die Flügel stürmten. Der Aufwärtstrend zeigt sich auch in der Tabelle, wo sie auf Nichtabstiegsrang 15 kletterten. Wir haben eine Leistung gezeigt, die wohl keiner für möglich gehalten hat, sagte Fach. Die Stars aus München hinken auf ihre Weise hinterher.“

Trostloser Auftritt der Münchner

Philipp Selldorf (SZ 20.10.) sieht das ähnlich: „Formell endete die Partie zwar 0:0, und es gab weder Sieger noch Besiegte, bloß einen Punkt für beide Seiten als kargen Lohn. Aber die Gladbacher fühlten sich als Gewinner und die Münchner als Verlierer. Und das Spiel gab den Empfindungen Recht. Es war ein trostloser Auftritt der Münchner, die zum Start der englischen Herbstwochen mit sieben bedeutenden Begegnungen in allen relevanten Wettbewerben einen Auswärtssieg einkalkuliert hatten, aber keine Idee entwickelten, das Selbstverständliche zu verwirklichen. Die Bayern verbreiteten mit ihrem emotionslosen Stil Langeweile, woran auch Hitzfelds taktische Formation Anteil hatte: Das Spiel des Meisters stotterte vor allem im zentralen Maschinenraum, weil der 21-jährige Gaede den von vornherein erschöpften Regisseur Ballack niemals in Frieden ließ, und weil sich das Duo Demichelis/Jeremies dermaßen zwillingshaft ergänzte, dass die Lösung nur lauten konnte: Einer ist überflüssig (…) Es gab also nicht viel zu vermelden für Bayern-Pressechef Markus Hörwick, der die Ehre übernommen hat, Giovane Elber mit dem Mobiltelefon von den Ereignissen bei seinem früheren Klub zu unterrichten. Was sollte er ihm mitteilen? Etwa diesen beispielhaften Höhepunkt aus der 40. Minute?: „Deisler flankt von rechts. Pizarro und Strasser balgen sich um den Ball wie zwei Hunde um den Knochen.“ Doch Elber erlebte vor dem Wiedersehen mit seinen Kollegen am Dienstag in der Champions League selbst eine trübe Stunde. Während sich Roy Makaay so vornehm raushielt, dass er kaum das Pensum eines Professors beim Abendspaziergang übertraf, legte der Münchner Brasilianer in Frankreich ebenfalls ein unbefriedigendes Vorspiel hin. Womöglich erfährt Elber zu viel Ablenkung vom Toreschießen, indem er täglich neue kleine Provokationen ausheckt. Jüngster Vorstoß, aus einem Interview mit der tz: „Wenn Bayern keinen Titel holt, werden die Fans sauer. Dann werden sie wieder nach mir rufen.“ Uli Hoeneß gelangte dank großzügiger Berechnung zu der Erklärung, „dass unsere Spieler in den vergangenen 14 Tagen in der ganzen Welt unterwegs waren“ – unterwegs mit ihren zunehmend als Betriebsstörung empfundenen Nationalteams, weshalb die Elf „70 Minuten überhaupt keinen Rhythmus gefunden“ habe, wie der Manager klagte.

Bernd Müllender (FR 18.10.) ermüdet: „Das Remis zwischen Borussia Mönchengladbach und den Bayern aus München, der Klassiker der Liga im glorreichen Einstmals, war ein ziemlicher Rohrkrepierer. 90 Minuten Leidenschaft, das durchaus. Aber sonst reichlich Krampf, Fehlpässe en masse mit manchmal Ballbesitzwechsel im Sekundentakt, desaströse Schussversuche, bisweilen eine Kaskade von Befreiungsschlägen, garniert von vielerlei alberner Schiedsrichterentscheidung. Kurz: Schreckensfußball. Bayernbändiger Ottmar Hitzfeld war mit der ersten Halbzeit nicht zufrieden und sah in der zweiten eine schwache Leistung. Roy Makaay war ohne jede Szene geblieben und wurde erstmals ausgewechselt. Martin Demichelis, von der Bayern-Führung in Anderlecht noch in den Adelsstand der Weltklasse erhoben, um von der mäßigen Gesamt-Vorstellung abzulenken, zeigte ein großes Repertoire an Fehlerfähigkeit. Nein, die Bayern waren zwar nicht irgendeine Gurkentruppe (Borussentorwart Jörg Stiel), aber erstaunlich passiv und durchsetzungsschwach, voller Spielrhythmusstörungen. Manager Uli Hoeneß sprach die Zeitläufte schuldig: Das ist bei uns immer so nach einer 14-tägigen Pause.“

Borussia Dortmund – Hannover 96 6:2

Manche von Sammers Reservisten machen einen besseren Job als seine Favoriten

Freddie Röckenhaus (SZ 20.10.) schildert das Lob auf die Dortmunder „B-Elf“: „Christian Wörns formulierte die etwas spitzfindige Frage, die sich in Dortmund derzeit alle stellen: „Ich bin wirklich gespannt, wie es weiter geht, wenn jetzt bald ein paar von unseren Technikern wiederkommen.“ In den Worten des robusten Kämpfers Wörns schwang Genugtuung mit, denn Dortmund setzte mit seiner Notmannschaft den achten Sieg im neunten Pflichtspiel. Auch Trainer Matthias Sammer versuchte sich, so verklausuliert wie möglich, an diesem schwierigen Fall von Trendwende: „Ein bisschen mehr von dieser Einstellung hätte ich mir oft gewünscht, als wir noch einige von unseren Spielern mit hoher Spielkultur dabei hatten.“ Ohne elf verletzte Spieler aber kam es wieder einmal so, wie es derzeit offenbar kommen muss. Dortmund rettete sich über eine schwächere erste halbe Stunde, in der es gut 1:0 oder 2:0 für die Gäste hätte stehen können. Dann rumpelte sich Sammers letztes Aufgebot in eine Spiellaune, die die 80 500 Zuschauer im Westfalenstadion aus den Plastikschalen riss. „Natürlich“, sagte Altmeister Stefan Reuter, „macht jedes Tor in dieser Aufstellung mehr Selbstvertrauen, jeder sieht, dass er mehr kann als vorher gedacht.“ Und so steht Sammer vor der für ihn nicht ganz schmeichelhaften Situation, dass manche seiner ursprünglichen Reservisten einen besseren Job machen als seine Favoriten. Lars Ricken etwa.“

Peter Penders (FAZ 20.10.) beschreibt den Stimmungswandel in der Südkurve: „Schlechte Erinnerungen verdrängen die meisten Menschen gerne, und bei Fußballfans ist diese Eigenschaft besonders ausgeprägt. Himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt – dazwischen gibt es im Zweifelsfall nicht viel, und je mehr der Fußball für die jeweilige Region bedeutet, desto heftiger sind diese Gefühlsausschläge. Im Dortmunder Westfalenstadion erhoben sich am Samstag beim Schlußpfiff 80 000 Fans und feierten ihre Mannschaft nach dem 6:2-Erfolg gegen Hannover aus guten Gründen mit Ovationen. Doch ein paar hundert von denen, die nun quasi auf den Stühlen standen, haben sich neulich erst aus Protest und Enttäuschung vor den Bus der Borussia gesetzt und die Abfahrt der Profis verhindert. Das ist erst drei Spieltage her und geschah nach der 0:1-Niederlage beim VfB Stuttgart am 20. September. Der Dortmunder Trainer Matthias Sammer hat es nicht vergessen: Ich bin froh, daß die Leute heute zufrieden nach Hause gehen. Es herrscht große Euphorie, aber man muß auch verstehen, daß ich das nicht mitmache. Trainer sind mißtrauisch, was die Loyalität der Fans angeht, müssen wohl auch mißtrauisch sein.“

1. FC Köln – SC Freiburg 1:0

Hinten-dicht-und-vorne-hilft-der-Liebe-Gott-Fußball

Christoph Biermann (SZ 20.10.) findet, dass es ein schlechtes Spiel war: „Beide Mannschaften trugen ihren Teil zu einer Partie bei, die wohl auch am Ende der Saison noch in der Top Ten der schlechtesten Spiele ihren Platz finden wird. 33 000 Zuschauer dämmerten auf den Tribünen vor sich hin und warteten auf Kombinationen des 1. FC Köln, die nicht kamen. Mit der Geduld tibetischer Mönche taten sie das, und so leise wurde es mitunter wie bei einem Spiel in der Kreisliga. Nur als der Stadionsprecher zur Halbzeit von der „super Spannung“ im ersten Durchgang sprach, brach das Publikum in schallendes Gelächter aus. „Wir haben schon bessere Spiele gemacht, die wir am Ende verloren haben, so ist es mir natürlich lieber“, sagte Friedhelm Funkel, der Erfolge ja immer für das einzige wirkliche Maß hält. Jetzt wird eine Woche lang nicht über seine Entlassung diskutiert (…) „Sie müssen mich bitte verstehen, ich möchte ungern was sagen“, sagte Kölns Manager Andreas Rettig. Dann stürzte er auf Volker Finke zu, mit dem er früher in Freiburg zusammengearbeitet hatte. Wahrscheinlich, um sich für das unappetitlich defensive Gekicke der Kölner zu entschuldigen. Mehr noch dürfte ihn jedoch die Frage umtreiben, ob der 1. FC Köln mit seinem Hinten-dicht-und-vorne-hilft-der-Liebe-Gott-Fußball wirklich die Klasse halten kann. „Die Mannschaft hat von der ersten Minute an gezeigt, dass sie das Spiel gewinnen will“, sagte Funkel, was aber von einem Match in einer anderen Welt erzählte. Köln zeigte von der ersten Minute an, dass sie Freiburgs Spiel verhindern wollten. Der Rest waren Griffe in die Lostrommel. Weil an diesem trostlosen Nachmittag nur die Arena in Müngersdorf noch Trost bot – sie ist auf dem Weg, die schönste in Deutschland zu werden –, hatte Volker Finke seinen Blick über die Tribünen schweifen lassen. „Wenn man das Stadion sieht, ist alles egal, was hier passiert“, sagte er, „in vier, fünf Jahren wird hier großer Fußball gespielt, weil es nicht anders geht.“ Das mag sein.“

Kein Pfiff, kein Spott, kein Schimpfen während der quälend langen siebzig Minuten

Richard Leipold (FAZ 20.10.) schildert Kölner Harmonie und Geduld: “Küssen verboten? Nicht, wenn die Freude so groß ist wie beim Kölner Manager Andreas Rettig am späten Samstag nachmittag. Nach dem Schlußpfiff küßte Rettig Cheftrainer Friedhelm Funkel beinahe inbrünstig auf die Wange. Fußball zum Verlieben hatte der 1. FC Köln beim 1:0 über den SC Freiburg nicht geboten, dafür aber mitten im Herbst Frühlingsgefühle geweckt. Rettigs Bruderkuß symbolisierte den Zusammenhalt zwischen dem Manager und einem Übungsleiter, der in letzter Zeit häufig in Frage gestellt wurde. Auf den zärtlichen Glückwunsch seines sportlichen Partners angesprochen, ließ sich sogar Funkel zu einer humorvollen Replik hinreißen. Es war ja nicht der erste Kuß von ihm, das ist schon das eine oder andere Mal vorgekommen. Sonst machte der FC-Trainer einen angespannten, ernsten Eindruck. Die Leistung seiner nur kämpferisch überzeugenden Mannschaft muß ihm zu denken geben (…) Bei den Kölnern, die für ihren Überschwang bekannt sind, ist eine merkwürdige Ruhe eingekehrt. Obwohl der FC daheim defensiv wie eine Auswärtsmannschaft spielte, fühlte sich das Publikum offenbar ausreichend unterhalten. Kein Pfiff, kein Spott, kein Schimpfen während der quälend langen siebzig Minuten bis zum Tor des Tages. Trainer, Manager, Fans und Fußballspieler warteten gemeinsam auf ihre Chance. Rettigs Geduld mit Funkel scheint sich auf die Kölner Mehrheit unter den 33000 Zuschauern übertragen zu haben.“

VfL Wolfsburg – Hansa Rostock 3:1

Frank Heike (FAZ 20.10.) widmet sich dem Debüt Juri Schlünz’: „Für seine erste Spielanalyse als Cheftrainer hatte sich Juri Schlünz keine besonders bequeme Position ausgesucht. Eingeklemmt zwischen einem Fernseher von oben, dem Podium von hinten und Journalisten von beiden Seiten, mußte sich Schlünz fühlen wie seine Mannschaft: feststeckend dort, wo man gar nicht hinwollte – im Tabellenkeller nämlich. Nach vier Niederlagen nacheinander konnte auch der von den Fans und der Region freundlich begrüßte Schlünz nicht sofort Punkte bringen. So schlecht hatte es gar nicht ausgesehen, was seine auf zwei Positionen veränderte Mannschaft vor knapp 20 000 Zuschauern in der VW-Arena geboten hatte, zumindest offensiv nicht. Hinten aber, dort, wo über Abstieg oder Nichtabstieg entschieden wird, zeigte Hansa groteske Abwehrfehler.“

Europas Fußball vom Wochenende: Resultate – Tabellen – Torschützen NZZ

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