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Streit zwischen Borussia Dortmund und der SZ setzt sich fort
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| Donnerstag, 25. März 2004Streit zwischen Borussia Dortmund und der Süddeutschen Zeitung setzt sich fort – Was macht eigentlich Mehmet Scholl? – über einen Aufstieg RW Oberhausens würde sich nicht alle freuen – neues Magazin für Frauenfußball
Typische Niebaum-Rhetorik und Salamitaktik
Freddie Röckenhaus (SZ 25.2.) verteidigt die Berichterstattung der SZ gegenüber dem Vorwurf Borussia Dortmunds: „Mit den Winkelzügen des Advokaten Niebaum muss sich die SZ beschäftigen. In einer geschickt angerührten Pressemitteilung hatte der BVB am Donnerstag der Öffentlichkeit suggeriert, die Fülle von Fakten, die am selben Tage in dieser Zeitung und im Kicker veröffentlicht worden waren, sei falsch. Man habe dagegen bereits Klage eingereicht. Tatsächlich hat Dortmund erst später beim Landgericht Dortmund eine Einstweilige Verfügung zu lediglich einer einzigen Tatsachenbehauptung beantragt. Betroffen ist hiervon ausdrücklich und ausschließlich nur die Frage, ob der Klub an die Stadionvermietungsgesellschaft Molsiris stets pünktlich und im vollen Umfang seine Millionen-Mieten gezahlt hat. Zum Testat der Unkorrektheit der SZ-Darstellung legt der BVB allein eine Bescheinigung der „Westfalenstadion Dortmund GmbH Co. KG“ vor – an der Borussia Dortmund selbst beteiligt ist. Eine Bestätigung der eigentlich hinter der Fondsgesellschaft Molsiris stehenden Commerzbank oder deren Tochter Commerzleasing oder der Molsiris selbst – als Eigentümerin des Stadions – bleibt aus. Unbestritten bleiben alle anderen Fakten aus der SZ-Berichterstattung der vergangenen Wochen. Zum Beispiel: Der BVB hat zweistellige Millionen-Verbindlichkeiten gegenüber dem Baukonzern Hochtief, wie der Klub in seiner Pressemitteilung bestätigt. Noch am 21. Januar hatte der Spiegel bei der Hochtief AG angefragt und die SZ bei Manager Michael Meier nachgefragt: Gibt es noch irgendwelche Zahlungen, die Dortmund an Hochtief für den Stadionausbau offen hat? Meier als auch Hochtief bestritten dies, selbst auf mehrfache Nachfrage – haben also die Unwahrheit gesagt. Auch eine mögliche „Sonderprüfung“, die Rechtsanwalt Stefan ten Doornkaat ankündigt, der im Auftrag der „Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre“ (SdK) den BVB unter die Lupe nimmt, wurde in typischer Niebaum-Rhetorik als praktisch nicht zulässig dargestellt. Fachmann ten Doornkaat hat sich dabei nicht nur die „volle Rückendeckung der SdK-Zentrale in München“ geholt, sondern sich auch bereits der Unterstützung eines potenten Großaktionärs der Borussia Dortmund Kommanditgesellschaft auf Aktien versichert. Ten Doornkaat fragt unter anderem nach den in den Geschäftsberichten immer wieder wechselnden Wertangaben für das Westfalenstadion, nach der fragwürdigen Buchung des angeblichen Transfers von Evanilson an AC Parma und den finanziellen Querverbindungen zwischen dem BVB und der Rechtsanwalts-Kanzlei von Niebaum. Ten Doornkaat wirft Niebaum und Meier „Salamitaktik“ in ihrer Informationspolitik vor. Dementiert wird von der BVB-Spitze meist etwas ganz anderes als das, was behauptet wurde.“
In Deutschland werden sich mehr Menschen ärgern als freuen, wenn wir aufsteigen
Ulrich Hartmann (SZ 21.2.) würde sich über einen Aufstieg RW Oberhausens freuen: „22 Männer und ein Hund sind zu Gast beim Training von Rot-Weiß Oberhausen. Mehr sind es nie, auch in diesen Tagen nicht, in denen die Fußballer ihre vormittäglichen Leibesübungen als Tabellenführer der Zweiten Bundesliga machen. Die Zuschauer beobachten ungläubig, wie sich über den zerrupften Rasenplatz zwischen einer Schule und einer Laubenkolonie jene Spieler bewegen, die es in der nächsten Saison mit dem FC Bayern aufnehmen wollen. Nach dem Training schrubbt jeder Spieler seine Schuhe mit einer Bürste, und Trainer Jörn Andersen trinkt in der leeren Vereinsgaststätte einen Früchtetee, lehnt sich zurück und behauptet frech: „Die Erste Liga? Die ist nichts Besonderes.“ Hermann Schulz sieht das ein bisschen anders. Der Präsident von Rot-Weiß Oberhausen hat in seinem Büro in der Innenstadt ein Bild an der Wand, das die RWO-Arena zeigt, ein fabelhaftes Fußballstadion, das es gar nicht gibt. „Das ist nur eine Träumerei“, sagt der 63-Jährige. Dabei ist eigentlich nichts traumhaft in Oberhausen, einem gebeutelten Industriestandort mit 220 000 Einwohnern. Wenn Schulz über seine Heimat redet, dann erzählt er voller Pathos von einer armen Stadt, geknebelten Industriearbeitern, der Babcock-Pleite und dem in den Siebzigern zusammengebrochenen Fußballverein. Man glaubt, dieses Elend auch überall sehen zu können, am kargen Trainingsgelände allemal und auch am alten zugigen Niederrheinstadion, in dem sich bei Heimspielen gerade mal 5000 Zuschauer verlieren. Oberhausen ist und bleibt Fußballprovinz. Sogar als Tabellenführer. „Wir haben keinen Namen und ziehen auch keine Zuschauer an“, sagt Jörn Andersen. „In Deutschland werden sich mehr Menschen ärgern als freuen, wenn wir aufsteigen“, glaubt Schulz. Der Präsident erzählt am liebsten, wie er den Verein binnen 15 Jahren aus der Verbandsliga an die Spitze der Zweiten Liga geführt hat. Schulz vermittelt den Eindruck, der Erfolg der Fußballer könne auch auf die Mitleid erregende Stadt abstrahlen. Auch Andersen ist stolz. Aber eher aus persönlichen Gründen. Im Sommer hatte er Bewerbungen geschrieben, „20 Stück, an Regionalligisten in ganz Deutschland“. Doch er hat nur Absagen bekommen. Bis Schulz ihn genommen hat. „Jetzt ärgern sich vielleicht einige, dass sie mich abgelehnt haben“, sagt Andersen.“
Heinz Peter Kreuzer (BLZ 16.2.) meldet den Start des Print-Magazins „FF – Magazin für Frauenfußball“: „Den Aufschwung des Frauenfußballs in Deutschland will der R+P-Verlag in Oberursel publizistisch nutzen. Immerhin hat der DFB etwa 800 000 Mädchen und Frauen als Mitglieder, von denen 80 000 aktiv spielen. Fünf Jahre nach der letzten Ausgabe der Zeitschrift Dieda, die sich ebenfalls dem Thema widmete, erscheint an diesem Montag erstmals das FF Magazin für Frauenfußball. Eine Mischung aus Kicker und Gala verspricht Herausgeberin und Chefredakteurin Monika Koch-Emsermann. Geschichten über Fußball, garniert mit einem Schuss Privatleben der Kickerinnen. Die sollen nicht nur als Sportler abgebildet werden, auch ihre privaten und fraulichen Seiten sollen präsentiert werden. Die erste Ausgabe ist noch nicht so, wie ich mir das vorstelle. Die ist unter Zeitdruck entstanden, aber wir werden das Heft weiterentwickeln, so die Chefredakteurin. Sie wird von einem Team freier Autoren unterstützt, nur Schreiberinnen fehlen noch. Ich bin noch auf der Suche nach jungen Frauen, die für die Zeitschrift arbeiten wollen. Ich hoffe, dass vielleicht einige Nationalspielerinnen Interesse haben. Ergänzt wird das Heft mit einem Serviceteil über Kosmetik und Mode sowie Informationen über Wellness und Reise.“
Der deutsche Spieler, der mir am besten gefallen hat, ist Mehmet Scholl
Was macht eigentlich Mehmet Scholl? Jörg Hanau (FR 25.2.) antwortet: „Die wollene Mütze tief ins Gesicht gezogen, sitzt Mehmet Scholl auf der Tribüne. Dort, wo die VIPs zu Hause sind. Oder jene, die gerne dazugehören möchten und nächtens in der Promi-Disco P1 abtanzen. Mehmet Scholl mag dieses Gemisch aus Eitelkeit und Geltungssucht nicht, das auf den unteren Rängen der Haupttribüne allgegenwärtig ist. Hier ein Bussi, dort ein Hallööchen – sehen und gesehen werden. Und mittendrin Mehmet Scholl: genervt, angewidert. Der mittlerweile 33 Jahre alte Fußballer mit dem abgelegten Image eines Teenieschwarms würde viel lieber mit seinen Kollegen drunten auf dem Rasen kicken. Endlich wieder das Trikot des FC Bayern München tragen (…) Seit Jahren kämpft Scholl diesen zermürbenden Kampf gegen den eigenen Körper, der zuletzt immer häufiger Sieger geblieben war: Operation am Sprunggelenk, Muskelfaserriss und eben die Bandscheiben. Die knirschen derart, dass er zuletzt nur noch selten seinem Job nachgehen konnte. In dieser Saison stand er in drei Pflichtspielen insgesamt 128 Minuten auf dem Platz. Es kann nicht sein, nur 20 Spiele in einer Saison zu machen, kündigte Scholl noch im vergangenen Sommer an. Seine Absage an die Adresse von Rudi Völler, sein freiwilliger Verzicht auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea, hat sich für den schmächtigen Dribbelkünstler nicht ausgezahlt. Ich bin aus dem Teufelskreis nicht rausgekommen, wie ich damals gehofft habe, als ich auf die WM verzichtete, sagte Scholl reumütig. Der Europameister von 1996 hat in seiner Karriere nie eine WM gespielt. Dabei zählt Scholl international zu den am höchsten geschätzten deutschen Kickern. Der deutsche Spieler, der mir am besten gefallen hat, ist Mehmet Scholl, sagte Real Madrids Stürmerstar Raúl in einem Interview vor dem Achtelfinal-Hinspiel der Königlichen in München, er gehört zu den Besten, ihm zuzuschauen, hat mir immer viel Spaß gemacht. Er ist doch noch bei den Bayern, oder?“
Manfred Lindinger (FAZ 21.2.) doziert: „Wenn Physiker Quantenfußball spielen, dann verstoßen sie gegen fast alle Regeln der klassischen Physik. Denn Objekte aus der Quantenwelt können sich an mehreren Orten gleichzeitig befinden. Scheinbar unüberwindbare Hindernisse werden einfach durchtunnelt. So läßt sich niemals genau vorhersagen, wo sich der quantenmechanische Fußball gerade befindet und welche Flugbahn er einnimmt. Bereits beim simplen Schuß auf die Torwand fliegt der Ball durch beide Löcher gleichzeitig. Mit herkömmlichen Fußbällen wären solche Ballkünste nicht möglich. Wie kommt es, daß man mit Elektronen, Atomen und Molekülen Quantenfußball spielen kann, mit makroskopischen Objekten aber nicht – beanspruchen die Naturgesetze doch allgemeine Gültigkeit? Dieser Frage, die schon Generationen von Physikern beschäftigt hat, sind nun die Forscher um Anton Zeilinger von der Universität Wien nachgegangen. Dabei konnten sie erstmals verfolgen, wie fußballförmige Kohlenstoff-Moleküle den Übergang von der Quantenwelt in die Alltagswelt vollziehen. Die Wiener Physiker sind wahre Meister in Sachen Quantenfußball, besonders wenn es darum geht, große Moleküle durch ein engmaschiges filigranes Gitter – gewissermaßen die Torwand – zu schießen und auszuloten, ob dabei die Gesetze der Quantenphysik befolgt werden. Während in der klassischen Welt jedes Teilchen seine definierte Flugbahn hat und somit durch einen bestimmten Spalt des Gitters fliegt, verhalten sich die Teilchen in der Quantenwelt wie Wellen, die sich kohärent überlagern. Hinter dem Gitter sieht man deshalb ein charakteristisches Interferenzmuster aus hellen und dunklen Bereichen, wie man es von Versuchen mit Lichtwellen kennt. Vor vier Jahren konnten Zeilinger und seine Kollegen bei Experimenten mit fußballförmigen Molekülen aus 60 Kohlenstoffatomen erstmals eine Interferenzerscheinung nachweisen. Inzwischen haben sie auch größere, rund zwei Nanometer messende Fullerene aus 70 Atomen und Biomoleküle auf ihre Torwand geschossen. Jedesmal mit dem gleichen Erfolg.“
Der Fußballplatz, immer noch der schönste Baugrund für Emotionen
Christian Eichler (FAZ 21.2.) berichtet: „Der Baumillionär mit seinem Hang zur gesellschaftlichen Anerkennung ist bis in untere Amateurligen eine Stütze der Fußballkultur. Natürlich gab es auch Bauherren, die eher als Abbruchunternehmer wirkten, wie Rolf-Jürgen Otto beim letzten DDR-Meister Dynamo Dresden; oder solche, deren Häuser mitunter einstürzten wie wacklige Transfergeschäfte, wie Jesus Gil y Gil, Boß von Atlético Madrid. Ja, der Fußball ist eine Baustelle. Aber manchmal ersteht ein glänzender Palast. Bei Bayern München goß lange vor Wurstfabrikant Hoeneß der Bauunternehmer Neudecker das Fundament für einen Weltklub. Und bei Real Madrid besorgte Baulöwe Perez mit seinem Coup, das Klubgelände zu einem durch politische Hilfe hochgetriebenen Preis zu versilbern, das Kleingeld für den Kauf der Weltauswahl in Weiß. Der leicht faulige Geruch dieses Geschäftes, bei dem Real dank öffentlicher Gelder vom Bettler zum Krösus wurde, drang bis zu den Wettbewerbshütern in Brüssel durch; doch ohne Folgen. Nun winkt der nächste seltsame Wettbewerbsvorteil, denn seit Anfang des Jahres gilt in Spanien ein Gesetz, das ausländische Führungskräfte mit maximal 25 statt 45 Prozent besteuert – sehr zur Erleichterung etwa der Herren Beckham oder Zidane, der prompt bis 2007 verlängerte. Und zur Freude spanischer Klubs, die nun beim Buhlen um Topstars, die gern Nettoverträge wollen, mehr bieten können, weil der Fiskus weniger will. Ein glückliches Land, in dem es so etwas noch gibt. Auch der andere deutsche Klub im Achtelfinale, der VfB Stuttgart, trifft auf einen Gegner, dessen Neureichtum auf politische Gunst zurückgeht. Chelsea-Boss Abramowitsch machte seine Öl-Milliarden in den Raubprivatisierungen zu Zeiten seines Gönners Jelzin. Er brauchte nur einen Bruchteil davon für die teuerste Einkaufstour der Fußballgeschichte. So verschieben Bodenschätze und Bodenspekulationen den Boden der Fußballrealität. Eine Wettbewerbsverzerrung? Aber war das nicht schon immer so, daß Geld, auch schmutziges, mächtig macht? Darin ist die Baustelle Fußball wohl nichts Besonderes. Tröstlicherweise hat Fußball aber eine unverwüstliche Immobilie für unverfälschten Wettbewerb: gepflegtes Grundstück, über 6000 Quadratmeter, verkehrsgünstige Lage, unverbaubarer Blick. Der Fußballplatz, immer noch der schönste Baugrund für Emotionen.“
Der Gicker- und der Gackerich betrachten und fixieren sich
Jörg Thomann (FAS 22.2.) interpretiert die Auseinandersetzung zwischen Lehmann und Kahn: „Der Hahn an sich ist ja, seien wir ehrlich, eine ziemlich traurige, ja alberne Figur. Er hält sich für den Größten, stolziert mit geschwellter Brust und rotem Kamm über den Hof, scheucht die Hühner hin und her und artikuliert sich durch heiseres Gekreische. Gewisse Parallelen zum Arbeitsalltag von Jens Lehmann und Oliver Kahn sind nicht von der Hand zu weisen. Wohlweislich hat der Fußballgott diese Kreaturen auf dem Platz so weit wie möglich voneinander getrennt; kämen sie sich doch einmal nahe, so wäre es ein greuliches Schauspiel. Ein rechter Hahnenkampf endet ja damit, daß einer der Gegner tot und der andere völlig zerrupft ist, was wir weder Kahn noch Lehmann wünschen und uns der ohnehin winzigen Chance auf den EM-Titel berauben würde. Bislang picken Kahn und Lehmann nur verbal aufeinander herum, wobei der eine dem anderen nicht nur den Stammplatz, sondern auch sein Partyhühnchen neidet und der andere, von dem doch der Ausspruch überliefert ist, wir brauchen Eier, sich plötzlich Unterleibsattacken verbittet. Nein, ein Hahnenkampf ist unerfreulich, weshalb es kein Zufall ist, daß das bekannteste ihm gewidmete Poem ein Spottgedicht ist. Der Gicker- und der Gackerich / Betrachten und fixieren sich, lästerte Wilhelm Busch über die literarischen Ahnen Kahns und Lehmanns, die sich um einen Topf Suppe balgten, bis sie ganz erbärmlich aussahen – und der herbeieilende Hund Schnauzel dem Streit ein Ende macht (und, das nur nebenbei, die Suppe aufschleckt). Den Schnauzel wird nun Rudi Völler spielen, der mit Lehmann unter vier Augen sprechen will und sicher eins zudrücken wird. Es sei denn, Lehmann macht den Fehler, ihn einen Suppenkasper zu nennen.“