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Stuttgart besiegt Manchester – Bayern erreicht Remis in Unterzahl und Anderlecht – Inter gewinnt knapp gegen Kiew
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| Donnerstag, 25. März 2004Frech, selbstsicher und ordentlich abgebrüht
Felix Reidhaar (NZZ 2.10.) berichtet den Sieg Stuttgarts: „Das Schwabenland stehe hinter dem VfB wie seit Jahrzehnten nicht mehr, erzählen Einheimische. Die über Erwarten gute Vorsaison, die erstmalige Qualifikation für die europäische „Königsklasse“ und der glänzende Start in dieses Bundesliga-Jahr mit einem seit 735 Minuten nicht überwundenen Keeper Hildebrand hatten den grundsätzlich reservierten Schwaben aus der Reserve gelockt. An diesem frühherbstlichen Mittwochabend schliesslich, vor einer erwartungsfroh bis euphorisch gestimmten Kulisse, öffnete sich das Ventil vollends: Der VfB hatte sich gegen die Reichsten des Fussballgeschäfts aus Manchester respektlos und überzeugend hinweggesetzt. Das Ergebnis hätte deutlicher ausfallen können gegen einen britischen Widersacher, der seltsam verhalten, uninspiriert wirkte und recht biederen Fusswerks den Herausforderer zu stoppen trachtete. VfB-Coach Felix Magath kann nachempfunden werden, dass ihn die schnellen Fortschritte seines Teams beinahe erschrecken. Dass es diesen „Lauf“ auch in der Champions League fortsetzen könnte, hatte er insgeheim erhofft; wie die selbstsicheren und von den eigenen Fähigkeiten überzeugten Spieler ihre Vorsätze umsetzten, imponierte und unterstrich, wie sicher eine Erfolgsserie machen kann. Allerdings kommt man nicht umhin, die Leistung des Favoriten als enttäuschend einzustufen. Manchester United, obwohl im eigenen Land souverän gestartet, verriet defensive wie konstruktive Schwächen, wirkte relativ unausgeglichen und hatte ein paar Spieler in den Reihen, auf deren vorzeitige Auswechslung man vergebens wartete. Was Alex Ferguson veranlasste, während 94 Minuten auf die Neville-Brothers (vor allem den jüngeren und völlig überforderten Philip) zu setzen, bleibt sein Geheimnis. Und weshalb er den blutjungen Cristiano Ronaldo als Linksaussen nominierte, blieb ebenso unergründlich. Doch Sir Alex ist für solche Massnahmen bekannt. In Stuttgart bekam er die Quittung. Sein Team, so machte es in diesem abwechslungsreichen, schnellen Match ohne viele Torszenen den Anschein, ist stehen geblieben. Wenn etwas an diesem Abend erstaunte, dann waren es Selbstverständlichkeit und Gelassenheit, mit denen das junge Stuttgarter Team dem Favoriten entgegentrat. Von Captain Soldo (36-jährig) und Heldt (33) abgesehen, stand da eine Gruppe teilweise sehr unerfahrener Nachwuchskräfte Anfang zwanzig ohne lange Praxis, alle frech, selbstsicher und bis zu einem gewissen Grad auch schon ordentlich abgebrüht.“
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Wir haben mal wieder alles richtig gemacht
Christian Eichler (FAZ 2.10.) deutet das Remis der Bayern: „Abgewendete Niederlagen, erfolgreiche Schadensbegrenzungen sind mitunter hilfreicher als leichte Siege, weil sie helfen, das gemeinsame Positive zu finden. So war den Verantwortlichen des deutschen Meisters nach dosiertem Schwärmen zumute. Trainer Ottmar Hitzfeld lobte, was Trainer immer in solchen Fällen loben, nämlich Moral und Charakter der Mannschaft. Vorstandschef Karlheinz Rummenigge pries, was Vorstandschefs besonders gern sehen in diesen schweren Zeiten, nämlich die Leidenschaft für das gemeinsame Unternehmen. Und Manager Uli Hoeneß jubelte über das Ergebnis, wie es Manager tun, die in schwieriger Lage erfolgreich verhandelt haben: Man habe klug gewartet, bis die anderen sich ausgetobt hatten. Wohlgemerkt, man sprach nicht von einem Sieg, sondern einem Remis; aber einem Remis der Rubrik Aufbauhilfe. Gegenüber der Bundesliga, so Rummenigge, war das ein Schritt nach vorn. So wurde es kein Abend, um sich lästige Fragen zu stellen: etwa die, warum sich Claudio Pizarro in der 35. Minute so dumm anstellte, nur eine Minute nach einer Verwarnung mit hohem Ellbogen in einen Luftkampf zu gehen und so sein Team in Unterzahl zu bringen; warum Sturmpartner Roy Makaay keinen Stich machte gegen den siebzehnjährigen Vincent Kompany (gratis aus der A-Jugend von Anderlecht); warum sich Robert Kovac von Dindane Aruna so leicht ausspielen ließ und warum Oliver Kahn diesem so überstürzt an der Auslinie entgegenrannte, daß das Tor nach Arunas Rückpaß auf Mornar ganz frei war; und warum die Bayern sich trotz einer spielerischen Überlegenheit im Mittelfeld in der ganzen Partie nur eine einzige Torchance erarbeiteten. Die aber nutzten sie – und das war ein hundertprozentiges Argument nach Bayern-Art, das alle Fragen vom Tisch wischte. Irgendwie klang das kollektive Schulterklopfen der Bosse auch nach einem indirekten Selbstlob. Besonders die fast hymnische Belobigung des argentinischen Einkaufs Martin Demichelis, der sich noch vor einer Woche über seine Reservistenrolle beklagt hatte, klang nach einer lautstarken Rechtfertigung für die Ausgabe von 4,5 Millionen Euro. Weltklasse nannte Hoeneß den defensiven Mittelfeldspieler übertrieben, Hitzfeld fand ihn den besten Mann auf dem Platz, und Rummenigge verriet: So stellen wir uns das vor. Bei alledem klang jener erfolgsverwöhnte Ton durch, den Bayern-Hasser so hassen und Bayern-Liebhaber so lieben: Wir haben mal wieder alles richtig gemacht.“
Weltklasse in Effektivität
Bernd Müllender (taz 2.10.) erklärt die Reaktionen der Münchner nach dem Spiel: „La Capitale hatte die Richtung vorgegeben. Die Gazette hatte das Spiel der Münchner Bayern beim Brüsseler Vorortclub RSC Anderlecht mit dem ganzseitigen Foto einer Maß-beladenen Hofbräuhaus-Kellnerin launig ein Derby de la bière getauft, ein Bierduell also, weil beide Städte maßgeblich Großes zur nationalen Braukunst beitragen. Und tatsächlich wurde die Begegnung überaus bierlastig. Der FC Bayern wäre nicht der FC Bayern, hätten seine Repräsentanten das 1:1 beim belgischen Rekordmeister nicht selbstbesoffen bewertet wie nach einer ex gekippten Flasche extra-prozentigen belgischen Abteibiers. Ottmar Hitzfeld hatte ein sehr gutes Champions-League-Spiel beobachtet, stammgewürzt durch, so Karl-Heinz Rummenigge, große Leidenschaft und in der zweiten Halbzeit Weltklasse bei Martin Demichelis. Manager Uli Hoeneß, in Rostock noch schimpfend auffällig geworden, wollte gar eine grandiose Leistung in der letzten halben Stunde gesehen haben. Hatte der FC Bayern, nach Claudio Pizarros dummem Doppelfoul innerhalb von 60 Sekunden ab Minute 36 gelb-rot-dezimiert (Hitzfeld: das war internationale Härte), dem belgischen Tabellenführer wirklich so vehement eingeschenkt? Die Statistik führte in der Rubrik Schüsse aufs Tor für die Bayern nachher den Wert 1 wie auch für die Rubrik Tore. Der selbst ernannte Favorit war also Weltklasse in Effektivität. Insofern einigten sich alle auf den Begriff hochzufrieden. Nüchtern betrachtet war es ein Spiel, das bis zum Platzverweis zwar deutlich überlegene Bayern gegen eine biedere, aber defensiv brillant organisierte Heimelf sah, mit netten Ballstafetten unter sichtlichem Führungsanspruch von Michael Ballack, aber einheitlich ohne Torchancen.“
Grätschen, Kontern, Gewaltschüsse
Birgit Schönau (SZ 2.10.) berichtet den 2:1-Sieg Inter Mailands über Dynamo Kiew: „Sechs Spiele, sechs Siege. Die Italiener machen in dieser Champions-League-Saison da weiter, wo sie mit Pokalgewinner AC Mailand aufgehört hatten. Vier Klubs sind im Rennen, neben Milan auch Inter, Juventus und Lazio Rom. Wer vor zwei Wochen Arsenal – Inter gesehen hatte, rieb sich verdutzt die Augen. Ausgerechnet die Mailänder Internazionale, die sich mit konsequenter Verweigerung zuletzt bis ins Halbfinale gequält hatte, machte es britischer als die Briten. Und gewann 3:0. Ohne Christian Vieri. „Helden von Highbury“ wurden sie sofort zu Hause genannt. Man ahnte schon: Eine Glanzleistung macht noch keine Mannschaft. In der Meisterschaft hat Inter zwei Nullnull hinter sich. Nach solch peinlichen Auftritten deuten immer alle auf Christian Vieri, der sich vor drei Wochen beim Länderspiel gegen Serbien verletzt hatte. Vieri ist der beste Torjäger der Serie A. Gegen Dynamo Kiew haben es Debütant Daniele Adani und Vieri gerichtet. Ein Auftritt des Stürmers war von Hector Cuper, diesem irdischen Stellvertreter der Göttin Prudentia, überhaupt nicht vorgesehen. Vieri präsentierte sich kurz vor dem Spiel in der Kabine und setzte sich durch. „Wollte spielen“, murmelte er später, da hatte er mit seinem Kopfball zum 2:1 in den Schlussminuten noch eine Blamage abgewendet. „Jetzt seid mal nicht so kleinlich, wir haben gewonnen, und das Ergebnis zählt“, sagte Vieri dann noch – diesen Satz kann jeder Inter-Spieler mittlerweile im Schlaf. Wie fast immer machte auch Trainer Cuper nicht den Eindruck, als hätte er sich amüsiert. „Wir haben gelitten“ – ein anderer Satz aus dem Inter-Gencode – „denn wir wussten: Wenn die den Ball kriegen, kennen sie keine Gnade.“ Gnadenlos, auf diese Formel könnte man das Spiel von Dynamo Kiew tatsächlich bringen. Einst galt das Team, das noch heute fast identisch mit dem Nationalteam der Ukraine ist, als Kollektiv der Alleskönner. Das war unter „Oberst“ Valeri Lobanowski. Inzwischen ist Lobanowski tot, sein Starspieler Andrej Schewtschenko wurde zum Star beim AC Mailand, und Dynamos Spieler können vor allem austeilen. 31 Fouls in 90 Minuten, dazu kamen nicht wenige, die der französische Schiedsrichter Brè gar nicht gesehen hatte. Lobanowskis Nachfolger Michailitschenko lässt mit Libero und Manndeckung spielen, mit eiserner Manndeckung, aus deren Griff sich Inter über weite Strecken nicht befreien konnte. Dynamo ging es vor der gähnend leeren Kulisse von San Siro (15 000 Zuschauer) erst recht darum, ein brauchbares Resultat zu erreichen. Grätschen, Kontern, Gewaltschüsse, das war ihr Programm, und die Italiener ließen sich davon beeindrucken.“
FC Porto – Real Madrid (1:3) NZZ
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