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Interview mit Felix Magath, Krise bei Hertha Berlin, Streit zwischen Assauer und Bremen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Interview mit Felix Magath, Krise bei Hertha Berlin, Streit zwischen Assauer und Bremen

Sie müssen das Gefühl haben: ‚mit dem VfB kann ich auch Meister werden’

SZ-Interview mit Felix Magath

SZ: Als Teammanager sind Sie für das Personal zuständig. Soeben hat Schalke 04 den Konkurrenten Werder Bremen durch die Verpflichtung von Ailton und Kristajic empfindlich, vielleicht entscheidend geschwächt. Wie groß ist die Gefahr, dass auf diese Weise auch Ihr Modell VfB zerstört wird?

FM: Auf Grund der finanziellen Situation können wir immer noch nicht mit Vereinen wie Bayern, Dortmund, Berlin oder Schalke konkurrieren, geschweige denn mit Klubs aus anderen Ländern, die durch die Champions League Interesse an unseren Spielern bekommen könnten. Für uns dürfte es außerordentlich schwierig werden, die Mannschaft in dieser Form zusammenzuhalten.

SZ: Reiche Klubs wie Chelsea, Arsenal oder Inter Mailand würden für Jungstars wie Kuranyi, Hinkel oder Hildebrand gegebenenfalls auch hohe Ablösesummen bezahlen.

FM: Bisher haben diese Vereine gedacht, warten wir mal ab, wie sich die jungen Leute aus Stuttgart international entwickeln. Durch die großartige Leistung in der Champions League gegen Manchester könnte der eine oder andere jetzt umdenken. Das bedroht uns latent. Je besser wir spielen in der Champions League, desto stärker ist unser Modell in Gefahr.

SZ: Was können Sie tun gegen einen möglichen Ausverkauf?

FM: Zum einen müssen wir den Spielern eine sportliche Perspektive bieten. Wenn also ein Meisterschaftskandidat anklopft, müssen sie das Gefühl haben, mit dem VfB kann ich auch Meister werden. Wir müssen dem Spieler sagen können: ’Was willst du bei Bayern, wir spielen nächstes Jahr auch um den Titel.‘ Hier in Stuttgart haben sie ihre Wertschätzung, bei Bayern wissen sie nicht, ob sie überhaupt spielen. Natürlich muss man den Spielern neben der sportlichen Perspektive auch mehr Geld bieten.

SZ: Ganz Fußball-Deutschland ist in Liebe zum VfB entbrannt. Schützt diese breite Sympathie sie ein bisschen vor den Transfer-Wilderern?

FM: So etwas hat es in Deutschland bisher nur einmal gegeben. Die Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach zu Anfang der siebziger Jahre ist ähnlich erfolgreich und sympathisch rübergekommen wie jetzt der VfB. Aber diese Sympathie aus allen Teilen der Gesellschaft würde die Bayern nicht davon abhalten, sich die Spieler zu holen, die sie wollen. Am meisten kann uns helfen, dass die Spieler merken, dass sie hier in einer Atmosphäre und einer Umgebung spielen, die sie anderswo nicht geboten bekommen. Es stimmt momentan alles. Eine solche Situation ist so selten, die muss auch ein Spieler einfach festhalten.

SZ: Sie streben die Meisterschaft an. Wo sind die Grenzen Ihrer Mannschaft?

FM: Es gibt keine. Die Frage ist nur, was macht man aus der Situation. Man darf sich nicht hinsetzen, sich auf die eigene Schulter klopfen und sagen: Das haben wir ja toll gemacht. Wir müssen vielmehr sagen: Was können wir tun, um weiterzukommen? Aus meiner Sicht sind wir dieses Jahr noch nicht so aufgestellt, dass wir Bayern gefährden könnten. Aber wenn wir die Gunst der Stunde nutzen, der VfB über seinen Schatten springt und in die Mannschaft investiert und ich die, ein, zwei Spieler finde, die uns wirklich verstärken, dann können wir für die kommende Saison die Meisterschaft anpeilen.

Auf Nummer Sicher zu gehen kann Schalke sich nicht mehr leisten

Richard Leipold (FAS 12.10.) bewertet den Streit zwischen Rudi Assauer und den Verantwortlichen von Werder Bremen: “Ob ein juristischer Verstoß vorliegt, werden die Wettbewerbshüter der DFL entscheiden. Die Meßlatte der Moral liegt im Fußballgeschäft nicht mehr allzu hoch. Assauer, der gern den Macho der Branche gibt, zögert nicht lange, wenn sich im Strafraum des Transfermarktes eine solche Chance bietet. Die Transfers waren von langer Hand geplant, sagt er. Im Einklang mit dem Managerknigge oder nicht: Assauer hatte nur auf diese Gelegenheit gewartet und ist wie fast immer seinem Instinkt gefolgt. Er brauchte diesen Erfolg: für sich selbst und für den Klub, der im nächsten Jahr hundert Jahre alt wird. Ein Trainerstar wie Jupp Heynckes allein genügt nicht, um aus einer Mannschaft von gehobenem Durchschnitt ein Spitzenteam zu machen. Auch diese Einsicht hat Assauer dazu gebracht, ohne lange Vorrede zu handeln, selbst auf die Gefahr hin, daß die DFL am Ende eine Vertragsstrafe von maximal 250000 Euro verhängen könnte. Dieses Risiko (soweit es ihm überhaupt bewußt war) hat er in Kauf genommen wie die Gefahr, in Bremen, wo er früher selbst gearbeitet hat, den einen oder anderen Freund zu verlieren. Auf der Rasenbühne weit von den eigenen Ansprüchen entfernt, benötigt das Gelsenkirchener Theater der Träume dringend neue Darsteller, die für Visionen stehen oder wenigstens für die Hoffnung, in die Spitzengruppe zurückzukehren. Ob ein Star wie Ailton in der Winterpause schon kommt oder erst im Sommer: Eine Personalie dieser Größenordnung könnte Schalke schon im Herbst aus dem Stimmungstief helfen. Mögen die Bremer noch so zetern: Daheim ist der jüngste Coup auch ein PR-Erfolg für Assauer. Mit dem Doppeltransfer lenkt er von der aktuellen Tristesse ab und verkündet die Botschaft: Schalke kann auch in wirtschaftlich schwieriger Zeit profilierte Spieler für sich gewinnen. Auch wenn der Arbeiterverein die Börse scheut, hat der Vorstand gehandelt wie ein Spekulant, der antizyklisch investiert. Der Bauchmensch Assauer spürt: Auf Nummer Sicher zu gehen kann Schalke sich nicht mehr leisten.“

Der eingeschlafene Riese

Christian Ewers (FAS 12.10.) schildert die Lage in Berlin: “Bei Hertha BSC Berlin gibt es jemanden, der durch Worte einschüchtern kann. Er heißt Huub Stevens, ist Trainer der Profimannschaft und gleichzeitig Herr des Kabinentraktes. Wenn Stevens den benachbarten Presseraum betritt, wird es still wie in einer Kirche. Allgemeinen Fragen zum Spiel begegnet er meist mit gebellten Gegenfragen: Haben Sie das Spiel nicht gesehen, oder was? Spezielle Fragen, zum Beispiel zur Aufstellungspolitik, beantwortet Stevens gern adressatenbezogen: Entschuldigung, daß ich Ihren Lieblingsspieler nicht nominiert habe. So geht das schon seit Wochen bei Hertha. Huub Stevens, schlecht gelaunt wie ein Türsteher im Regen, hat sich komplett in die Defensive zurückgezogen. Seine patzigen Kommentare zeigen Wirkung, Pressekonferenzen nach Heimspielen von Hertha BSC dauern nur wenige Minuten. Es stellt sich allerdings die Frage, was Stevens überhaupt verteidigen will. Was meint er, wenn er sagt: Ich werde meinen Weg weitergehen? Stevens trainiert die Berliner bereits im zweiten Jahr, aber sein sogenannter Weg, seine Idee von Fußball, ist der Hauptstadt bis heute ein Rätsel geblieben (…) Für Hertha geht es um mehr als nur um eine verkorkste Saison. Die Berliner haben nämlich Großes mit sich vor. Ihr Ziel ist es, mittelfristig die dritte Kraft im deutschen Fußball zu werden – hinter Bayern München und Borussia Dortmund. Ende der neunziger Jahre sah es schon so aus, als hätte Hertha das Plansoll vorzeitig erfüllt. Die Mannschaft spielte in der Champions League, Schulter an Schulter mit den Bayern, und Franz Beckenbauer lobte den Klub damals als schlafenden Riesen. Das ist vier Jahre her. Der Tagesspiegel betitelte kürzlich eine Hertha-Geschichte mit der treffenden Schlagzeile Der eingeschlafene Riese. Tatsächlich hat sich der Verein ein Schäferstündchen gegönnt. Es ist ermüdend viel geredet worden über Potentiale, Chancen und eine schöne Zukunft – doch das Tagesgeschäft funktioniert nicht.“

FR über Hertha

taz-Interviewmit Volker Finke

taz: Herr Finke, in 40 Jahren Bundesliga-Geschichte ist der Anteil der ausländischen Spieler von 1,7 im Jahre 1963 auf heute 53,1 Prozent geklettert. Hat das tatsächlich negative Auswirkungen auf unseren Fußball, wie uns in jüngster Zeit weisgemacht wird?

VF: Es ist doch das Normalste auf der Welt, dass sich im Profisport die talentiertesten Spieler zusammenfinden – unabhängig von ihrem Pass. Die besten Basketballer der Welt sind in der NBA, ob sie nun aus Litauen, vom Balkan oder aus den USA stammen. Und im europäischen Fußball gibt es eben fünf Ligen – Italien, Spanien, England, Frankreich und Deutschland – die den Fußball am weitesten professionalisiert haben. Also spielen dort auch die besten Spieler, und es ist nicht sinnvoll, das verhindern zu wollen.

taz: Weshalb verbreiten die Verantwortlichen für die Nationalmannschaft dann eine Alarmstimmung?

VF: Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen der Leistungsstärke der Nationalmannschaft und dem Ausländeranteil in der Liga. Und die Zuschauer haben damit offenbar auch kein Problem: Die Stadien werden immer voller, und das, obwohl teilweise höchstens zwei deutsche Spieler in den Startformationen stehen.

taz: In Umfragen ist eine Mehrheit für eine Quotierung des Ausländeranteils.

VF: Solche Umfragen hätten ein anderes Ergebnis, wenn man eine fachspezifische Diskussion vorwegstellen würde. So aber sehen die Leute nur: Es gab noch nie so viele Ausländer in der Bundesliga, und wir haben eine Nationalmannschaft, die nicht mehr souverän gegen die so genannten Kleinen gewinnt. Da wird dann ein bauchgesteuerter Zusammenhang hergestellt.

taz: Eine inhaltliche Auseinandersetzung könnte man gerade vom Dachverband erwarten. Doch DFB-Präsident und Teamchef machen sich zum Wortführer einer verschärften Quote, um in der Bundesliga die Zahl der Nicht-EU-Ausländer von derzeit fünf zu reduzieren.

VF: Wenn ich jetzt sagen würde, dass da der Hintergrund zu wenig aufgearbeitet wurde, würde das als Kritik am DFB und an Mayer-Vorfelder verstanden werden. Das ist nicht mein Interesse. Wenn es aber irgendwann auf der einen Seite die so genannten Quotenspieler gibt und dann die Ausländer, von denen nur ein Teil eingesetzt werden darf, kann ich nicht mehr nach Leistungskriterien aufstellen. Das macht die Gruppendynamik in einer Mannschaft kaputt.

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