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Team Nord-Korea wirbt bei der Frauen-WM für sein Land – Overath zum 60. – Interview mit Reinhold Beckmann
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| Donnerstag, 25. März 2004Hat denn niemand mehr Humor?
Matthias B. Krause (FTD 30.9.) beschreibt die Inszenierungsversuche der nordkoreanischen Abordnung während der Frauen-WM in den USA: „Robert Egan ist ein Geschäftsmann aus der Region Philadelphia, der neben guten Beziehungen nach Fernost auch mit einer blühenden Fantasie gesegnet ist. Ob sie den Filmhelden Rocky Balboa kennten, fragte Egan die Funktionäre der nordkoreanischen Frauen-Fußballnationalmannschaft, um sogleich mit einem ungebetenen Rat zu dienen. „Ihr seid in Philadelphia, der Heimat des Underdogs, und ihr spielt in der Weltmeisterschaft. Ihr müsst die Treppen des Kunstmuseums rauflaufen, genau wie Rocky im Film. Großartige Publicity.“ Aus der Sache wurde zwar nichts, aber auf schräge Polit-Werbung in Feindesland versteht sich das nordkoreanische Team bei der Frauen-WM trotzdem. Das aus der DDR bekannte Rollenspiel als Botschafter im Trainingsanzug erlebte ein gruseliges Revival. „Für mein Gefühl sind die koreanischen Menschen eine Nation, sie verbindet dasselbe Blut“, sagte etwa Stürmerin Jin Pyol Hui, und: „Ich bin entschlossen, mein Bestes zu geben, um Freude und Glück für Kim Jong Il zu bringen.“ Der Team-Dolmetscher beginnt seine Statements stets mit einer Lobpreisung des Staatsmannes, dessen Regime der US-Präsident George W. Bush neben Irak und Iran zur „Achse des Bösen“ zählte. Die US-Medien quittieren die ungelenken Polit-Kundgebungen der Nordkoreaner während der WM notorisch mit dem Hinweis, dass es sich um einen stalinistischen Staat handle, in dem die Menschen des Hungers sterben. Die drei Auftritte des nordkoreanischen Teams waren stets von einer Mischung aus Fan-Bezeugungen und politischer Kundgebung begleitet. In Philadelphia etwa, wo es die Nigerianerinnen 3:0 bezwang, riefen 200 Fans in den Zuschauerreihen lauthals und ausdauernd „Ko-re-a!“, schwenkten Flaggen und forderten auf ihren T-Shirts Frieden und Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel. Normalerweise verlassen die Kickerinnen ihr Land nur selten, noch viel seltener den asiatischen Kontinent. Trotzdem sind sie mittlerweile zu einer festen Größe im fernöstlichen Frauen-Fußball aufgestiegen (…) Einem Hersteller von Sportgetränken schlug Egan einen Werbespot vor, in dem immer dann eine Atom-Explosion gezeigt werden sollte, sobald eine Nordkoreanerin auf den Ball drischt. Dass seine Idee nur verstörte Reaktionen provozierte, verstand er nicht: „Hat denn niemand mehr Humor?“
Steffen Haffner (FAZ 29.9.) beglückwünscht: „Wolfgang Overath, der am Montag 60 Jahre alt geworden ist, redet so temperamentvoll über Fußball, wie er einst im Mittelfeld gespielt hat. Fußball, das ist für mich Faszination ohne Ende. Und ich hätte auch Fußball gespielt, wenn ich keine Mark dafür bekommen hätte, sagt der 81malige Nationalspieler. Der gebürtige Siegburger und bekennende Kölner nimmt nicht nur passiv am Fußballgeschehen Anteil, sondern tobt sich noch dreimal in der Woche aktiv am Ball aus, davon zweimal in der Halle: Das ist für jeden guten Techniker das Schönste. Und außerdem kann man in der Halle am besten schwitzen. Dienstags, bei seinem FC, dem ich auch in der Amateurliga die Treue halten würde, wenn eine andere zusammengekaufte Kölner Mannschaft deutscher Meister würde, donnerstags spielt er mit Freunden in der Sportschule Hennef unweit seines Wohnorts Siegburg. Und samstags beschließt der Weltmeister von 1974 seine englische Woche meist in der Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft mit Torhüter Wolfgang Kleff, dem Mittelfeldstrategen Uwe Bein oder den Torschützen vom Dienst Klaus Fischer und Olaf Marschall. Und da diese Prominentenspiele im Freien stattfinden, kann der einst beste deutsche Linksfuß auch seine alte Stärke, den langen Paß, ausspielen (…) Erfolgstrainer Udo Lattek hätte in der Nationalmannschaft immer Overath den Vorzug vor Netzer gegeben, weil er der bessere Turnierspieler war, der sich von Spiel zu Spiel steigern konnte. Der Gladbacher, der bei einer Weltmeisterschaft nur einundzwanzig Minuten spielte, 1974 beim 0:1 gegen die DDR, bezeichnet Overath ebenfalls als den besseren Nationalspieler, weil er mit seiner weniger komplizierten Spielweise kompatibler war als ich. Dennoch hat der Name Netzer heute in der Öffentlichkeit die größere Strahlkraft, weil er als genialer in Erinnerung blieb und nicht zuletzt weil er noch immer als Fernsehkommentator präsent ist. Sein Konkurrent von einst mag dagegen die öffentlichen Auftritte nicht und macht sich eher rar. So auch an seinem Geburtstag, den er irgendwo im Ausland mit seiner Familie feiert.“
Rudi Völler fühlt sich von seinen Vorbildern überfahren
FAZ-Interview Reinhold Beckmann
FAZ: Wie fühlten Sie sich nach der Sendung mit Effenberg?
RB: Nach der Sendung ist vor der Sendung, sagt mein Redaktionsleiter immer. Und das, obwohl er Österreicher ist, also nichts von Fußball versteht. Effenberg hat bei mir den Eindruck hinterlassen, er bilde sich noch was drauf ein, andere mies zu behandeln. Wenn beim Zuschauer derselbe Eindruck entstanden ist, hat das Gespräch seinen Zweck erfüllt. Wir können mit diesem Format keinen Enthüllungs-, sondern nur Selbstdecouvrierungs-Journalismus machen. Wir geben unseren Gästen eine Bühne, lassen sie reden und fragen nach. Der Zuschauer macht sich von ihnen ein Bild, und im Idealfall geht ihm dabei etwas auf. Giovanni di Lorenzo hat bei uns als Redaktionskritiker gesagt, er habe lernen müssen, daß es in der Talkshow nicht darauf ankommt, was die Leute sagen, sondern wie sie es sagen. Ich hoffe, das ist nicht ganz richtig. Ein bißchen Wahrheit steckt aber drin: Die Zwischentöne, die Stimmung, das liefert uns das Bild des Menschen. Bei Effenberg war es genau so. Was hätte es genützt, wenn ich ihm Vorhaltungen gemacht hätte nach dem Motto: Du bist der größte Idiot, du hast ein miserables Buch geschrieben, das du nicht mal selbst verfaßt hast, sondern ein schlechter Koautor. Wenn ich das mache, sitzt er da, sagt nichts, legt die Hände in den Schoß und schaut mich an. Habe ich alles ausprobiert. Es gibt natürlich Autoritäten, manchmal Demagogen, die man anders packen muß.
FAZ: Was Sie jetzt machen, ist das die Endstation: Beckmann, der Talkmaster? Schnittmenge aller Dinge, die Sie gemacht haben? Nach Sport bei Sat.1, der ARD-Unterhaltung?
RB: Es ist sicher die persönlichste Sendung, die ich bisher gemacht habe. Und von daher der Platz, an dem ich mich zu Hause fühle. Ich gehe wahnsinnig gern in dieses Studio, ich habe ein gutes inneres Gefühl dabei, wenn ich mich auf diesen Stuhl setze und diese Sendung mache. Was die große Unterhaltung, respektive die Guinness-Show, angeht: Ich habe das nicht gemacht, um Samstagabendunterhaltung zu machen, sondern weil ich glaubte, es sei etwas Sportaffines. Und so habe ich es auch verstanden. Ich muß aber gestehen, daß mich diese Sendung nicht besonders erfüllt hat.
FAZ: Die Sportschau sieht im Vergleich zu ran ziemlich unflott aus, wirkt ein bißchen steif. Meinen Sie, es stimmt, daß Fußball bei Sat.1 zur Show verkam?
RB: Show ist nicht der richtige Begriff. Wir müssen zurückblenden, damit der Kontext klar ist: 1990/91/92, da gab es Präsentationsformen, die heute selbstverständlich sind, noch nicht. Es gab eine Sportschau, die trocken daherkam und drei Bundesligaspiele zeigte. Diese drei Spiele wurden mit wenigen Kameras statisch fotografiert. Wenn Sie sich heute Premiere, Sat.1, RTL, ZDF und die ARD anschauen – das ist eine andere Welt. Jetzt gibt es bei den Zuschauern wieder das Bedürfnis, daß weniger Pirouetten gedreht werden. Deshalb ist die etwas sachlichere Form der Sportschau genau richtig. Zugegeben, wir sind selbst überrascht über die guten Marktanteile – bei jeder Sendung dreißig bis zweiunddreißig Prozent. Das sind dreizehn, vierzehn Prozent Marktanteil mehr als bei Sat.1 zur gleichen Zeit im letzten Jahr. Oder schauen Sie sich das Sportstudio im ZDF an, immer noch ein wunderbares Format, aber: Da wird getrampelt und gejohlt, daß ich mich manchmal frage: Welche Drogen verteilen die auf dem Lerchenberg vor der Sendung?
FAZ: Wie stehen Sie zu Rudi Völlers Kritik an den Kritikern? An Delling und Netzer? Dahinter steckt die Sache mit dem reisenden Glaskasten. Wenn man mit den Fußballern redet, sagen sie: Ach, da oben, guck mal, da ist er wieder, der Glaskasten. Der Glaskasten der Kommentatoren. Er ist ein Sinnbild. Ich finde die Geschichte um Völler nicht so schlimm. Beide Seiten dürfen kein Glaskinn haben. Netzer und Delling sind kluge Analytiker und ein wunderbares Team. Sie verhalten sich richtig, geben keine Interviews und gehen nicht in Talkshows, um sich zu rechtfertigen. Das finde ich sehr souverän.
FAZ: Also liegt Völler falsch.
RB: Das ist nicht der Punkt. Ich glaube, es tritt ein tieferer Konflikt zutage: Netzer, Breitner, Beckenbauer – das sind die Fußball-Vorbilder von Rudi Völler, die Helden seiner Kindheit. Und von genau denen fühlt er sich jetzt überfahren.
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