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Teil 1 (11.01.): Sebastian Kehl

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Teil 1 (11.01.): Sebastian Kehl

Mit „gedrechselten Formulierungen“ (Hans-Joachim Leyenberg FAZ 08.01.) habe sich der Jungnationalspieler Sebastian Kehl aus der Affäre ziehen wollen. „Ich habe mich davon überzeugt, dass Bayern München davon ausgehen konnte, dass eine Zusage zu meinem Wechsel nach München besteht. Ich habe Verständnis, wenn der FC Bayern München über meine Entscheidung, zu Borussia Dortmund zu wechseln, enttäuscht ist.“ (Kehl). Zwischen den Zeilen erkennt Leyenberg darin ein Eingeständnis des Ex-Freiburgers. Auch Gerhard Pietsch (Welt 09.01.) ärgert sich über diesen „Satz des Monats“, zu dem Kehl von seinen Anwälten gezwungen worden sei.

Unverständnis erweckte die lang anhaltende Weigerung Kehls, sich zu den Vorwürfen aus München zu äußern. Jochen Schlosser (Welt 18.12.) „drängt sich der Verdacht auf, dass Konsequenz nicht gerade der hervorstechende Charakterzug“ Kehls zu sein scheint. „Egal, was er sagt, man sollte es nicht ernst nehmen.“ Auch Raimund Witkop (FAZ 20.12.) kommt zum Schluss, Kehl sei „nicht ohne eigenes Zutun“ in diese Affäre gerutscht. Oliver Trust (Tagesspiegel 18.12.) hält fest, dass es dem 21-Jährigen dadurch gelungen sei, „sogar im beschaulichen Freiburg ein Durcheinander anzurichten“. Seiner Leistung und nicht zuletzt dem Verein SC Freiburg habe die Angelegenheit zuletzt ohnehin geschadet. „Ich hoffe auch in unserem Sinne, dass Sebastian sich jetzt äußert“, wurde der Freiburger Manager Rettig bereits im Dezember zitiert.

Auch wenn die Details der Verhandlungen zwischen Kehl und München nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind (und niemals sein werden), sei davon auszugehen, dass der Spieler eine mündliche Zusage in irgendeiner Form getätigt hat. „Irgendetwas muss er im Mai ja auch zu Bayern-Manager Uli Hoeneß gesagt haben“ (Schlosser). Bayern-Anwalt Schickhardt sah zudem in der Einlösung des Schecks folglich eine „konkludente (rechtswirksam) Handlung“ des Spielers und eine Zusage, im nächsten Jahr die Farben der Bayern tragen zu wollen. So hält Oliver Trust (Tagesspiegel 22.12.) noch vor Kehls Zusage an Dortmund fest: „Kehl düpiert die Bayern“.

Mittlerweile scheint sich die allgemeine Auffassung durchgesetzt zu haben, es werde keine nachhaltige Belastung für seine Karriere entstehen. Offenbar lässt man mit einem 21-Jährigen Nachsicht walten. Kehl hat inzwischen eigene Fehler eingestanden und sein Bedauern über die entstandene Debatte ausgedrückt. „Es wäre besser gewesen, den Scheck nicht anzunehmen. Das Geld wurde auf einem gesonderten Konto verbucht und von meinem Vater verwaltet.“ Auch seine Erklärung, aus sportlichen Motiven heraus der Borussia den Vorzug gegeben zu haben, wird mittlerweile von der Fußballöffentlichkeit als nachvollziehbar und zumindest teilweise glaubhaft akzeptiert. Doch erst die Rückrunde wird zeigen, ob der Rummel Spuren hinterlassen hat.

Teil 2 (14.01.): Borussia Dortmund

Vereinzelte Kritik vernahm man über das Verhalten der Verantwortlichen von Borussia Dortmund. „Für einen Verführten bedarf es eines Verführers“ schreibt Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 08.01.) und erkennt zwischen den Zeilen des Entschuldigungsschreiben Kehls Ansätze eines schlechten Gewissens der Dortmunder Führung. So müssen sich Manager Meier und Präsident Gerd Niebaum den Vorwurf gefallen lassen, Paragraphenreiterei betrieben zu haben. Statt in den mündlichen Vereinbarungen zwischen Kehl und Hoeneß gerechtfertigte Ansprüche der Bayern zu erkennen, haben die Juristen zunächst ausschließlich auf die Rechtslage des Verbands verwiesen. Der sieht nämlich vor, dass Verträge schriftlich zu vollziehen sind. Alexander Steudel (Welt 31.12.) hätte es lieber gesehen, wenn die Borussen den Bitten von Andreas Rettig, Manager seines damaligen Arbeitgebers SC Freiburg, rechtzeitig nachgekommen wären: „Dortmund soll dem Sebastian sagen, dass er sich nicht ganz sauber und elegant verhalten hat und dass es als erzieherische Maßnahme ein klärendes Gespräch mit Bayern geben sollte.“

In die Aufmerksamkeit der Kritik gerieten dabei zwei Aussagen des durch die Vorwürfe aus München gereizten Niebaum. „Immer wenn solches Geheul aus München kommt, bestätigt das, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Jochen Schlosser (Welt 18.12.) erkennt darin ein fragwürdiges Rechtsbewusstsein: „Gut ist, was andere als ungerecht empfinden? Schöne Moral.“ In einem Interview mit der FAZ (18.12.) verwies Niebaum Hoeneß in die Schranken, dem er im Siegesgefühl vorhielt, sich auf einer „Loser-Veranstaltung“ zu befinden. Offensichtlich erkannte er in der Angelegenheit auch eine prestigeträchtige Möglichkeit, den Ligagiganten aus dem Süden außerhalb des Spielfeldes zu besiegen. Dabei bemerkte er nicht immer, dass Kehl dadurch noch mehr zwischen die Mühlsteine der Vereine und der Medien geriet. dazu

Teil 3 (17.01.): Randfiguren

Der Transferstreit hat die Arbeitsweisen von Personen ans Tageslicht gebracht, welche gewöhnlich nicht die Aufmerksamkeit der Fußballöffentlichkeit genießen. Jörg Marwedel (SZ 21.12.) beschäftigt sich mit Franz Gerber, Funktionär des Zweitligisten Hannover 96 und als Berater von Sebastian Kehl an der Affäre direkt beteiligt. Nach seiner aktiven Stürmerzeit in den 70ern und 80ern (Hannover 96, FC Bayern, 1860 München, St. Pauli) – da er Reptilien als Haustiere hielt, kennt man ihn auch als „Schlangen-Franz“ – fungierte er an der Leine mal als Manager und mal als Trainer. Momentan könne man seine Aufgabe nicht exakt benennen. „Den Titel für mich muss man erst noch erfinden“ (Gerber). Bei den 96-Fans gelte er als Kultfigur, da er aus deren Sicht vor etwa einem halben Jahrzehnt maßgeblich dazu beigetragen hatte, den Verein aus den Niederungen der Drittklassigkeit zurück in den bezahlten Fußball zu führen. Seiner Verdienste und Popularität zum Trotz sei er den dortigen Verantwortlichen jedoch nur noch ein Dorn im Auge. Durch einseitige Spielerverträge habe er diesen nahe an den Konkurs gebracht. So provozierte er geradezu den damaligen Weggang seines Ziehsohnes Kehl aus Hannover, indem er eine Ausstiegsklausel in dessen Vertrag setzen ließ, die für den Fall einer Demission des damaligen Trainers Fanz eintreten sollte. In Anbetracht der Unberechenbarkeit des Trainergeschäfts eine in der Tat vereinsschädigende Handlung. Der SC Freiburg konnte im Anschluss an Fanz´ Entlassung Kehl für die lächerliche Summe von 200.000 DM verpflichten. Spekulationen zufolge soll Gerber beim Transfer des Hannoveraners Addo nach Dortmund gar in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Des Weiteren erinnert Marwedel an Gerbers Engagement beim FC Gütersloh und TuS Celle, die seinen Aufschneidereien Lizenzentzug bzw Ruin zu verdanken hätten. „Irgendwo zwischen Vereinsinteressen, persönlichen Deals und Freundschaft“ (Marwedel) habe Gerber sich nun verheddert. Seine Beratertätigkeit in dieser Angelegenheit biete 96-Präsident Kind nun die Möglichkeit zur willkommenen Kündigung, weil Gerber dadurch vertragsbrüchig geworden sei. Seine Tage in Hannover scheinen gezählt.

Das Drama um Kehl öffnete auch den Vorhang für Juristen. Wer jedoch eine gehaltvolle Debatte rechtstheoretischen Zuschnitts erwartet hatte, musste sich enttäuscht sehen. Einen Mangel an Innovation glaubte wohl DFB-Chefankläger Horst Hilpert beheben zu können, als er bereits vor dem Ermittlungsverfahren über die seitens Bayern München geforderte Ablösesumme ebendiese öffentlich ankündigte, womit laut Alexander Steudel (Welt 31.12.) „interessanterweise das Urteil der Urteilsfindung vorausging“. Im Gegensatz dazu entsprach die Formulierung des DFB-Präsidenten Mayer-Vorfelder („wo kein Kläger, da kein Richter“), als er Vorwürfe gegen die Fristverletzungen der Münchner abwehrte, schon eher den landläufigen Gepflogenheiten sportpolitischer Argumentation in verzwickten Fragen. Christoph Schickhardt hingegen spürte in seiner Funktion als Bayern-Advokat wohl die Rückendeckung einer Großmacht, was ihn zu offensiver und kreativer Rechtsauslegung beflügelte. Dadurch musste er dauerhafte Medienpräsenz in Kauf nehmen. Ob er diese allerdings als einen hohen Preis empfand?

Teil 4 (21.01.): Uli Hoeneß

„Nach seinem sportlichen Triple reklamiert der FC Bayern München den inoffiziellen Titel des Hüters von Anstand und Moral, was besonders dann zum Tragen kommt, wenn jungen, hoffnungsvollen Nachwuchsspielern die Karriere vermasselt werden soll […] Ist der Fall des Freiburgers Kehl etwa so zu verstehen, dass in Bayern Handschlag-Verträge abgeschlossen werden, wenn die Regeln einen schriftlichen Vertrag noch nicht zulassen?“ Die Ausführungen der preisgekrönten Journalistin Evi Simeoni (FAZ 24.12.) beinhalten die beiden entscheidenden Vorhaltungen, an denen sich die vehemente Kritik an Bayern-Manager Uli Hoeneß durch nahezu alle überregionale Gazetten entfacht. Einerseits wirft man ihm einschüchterndes Drohgebaren vor, das darauf abziele, den Ruf des abtrünnigen Kehl nachhaltig zu schädigen. Andererseits kritisiert die Sportpresse die doppelzüngige Rechtsauffassung des Managers, welche er mit einer Moralhoheit zu verzieren gedenke, deren Ansprüche er allenfalls karikiere. (Zitate von Hoeneß zur Sache)

Zunächst stört man sich am Tonfall: Roland Zorn (FAZ 17.12.) spricht von „Jähzorn“, Matti Lieske (taz 19.12.) erkennt einen „verbalen Amoklauf […], der zeigt, dass die Bayern im Hochgefühl ihres Aufstiegs zur, wie sie glauben, weltbesten Mannschaft jegliche Bodenhaftung verloren haben.“ Michael Horeni (FAZ 17.12.) sieht die Aggressivität Hoeneß´ auch in der sportlichen Durststrecke begründet, denn „wie so häufig, wenn die Münchner Meister schwächeln, tönt und dröhnt es sachfremd aus dem Süden.“ Zu einem Gutteil dürfte dessen Attacke Ablenkungsmanöver von eigenen Niederlagen gewesen sein, seien es sportliche oder solche auf dem Transfermarkt. So interpretiert Jan Christian Müller (FR 17.12.) die Drohungen des Bayern-Managers – zu einem Zeitpunkt, da Kehls Wechsel nach Dortmund noch nicht feststand – als „rhetorische Vorbereitung der Niederlage im Vertragspoker“. Schließlich konnte Hoeneß eigenen Ambitionen nicht genügen: „Wenn wir einen Spieler unbedingt haben wollen, bekommen wir ihn auch.“ Folglich gerate er, so Cai Philippsen (FASo 16.12.), durch „die peinlichen Aufritte [in] die Rolle des schlechten Verlierers“. Doch Uli Hoeneß sei ein „Meister darin, Kummer in Aggression zu verwandeln“ (Lieske in taz 21.12.), nicht zuletzt um denjenigen zu diffamieren, der gegen seine Interessen handelt: „derzeit Sebastian Kehl, der einfach nicht zugeben will, dass es eine verbrecherische Schandtat war“(Lieske 21.12.), nicht an die Isar zu wechseln. Die beabsichtigte Signalwirkung sei klar: Wer sich mit Hoeneß anlegt, zieht den kürzeren! „Ein Dekret des DFB, dass jeder Nationalspieler, den sie haben wollen, auch zu ihnen kommen muss“ (Lieske 19.12.) erscheine daher den Bayern Herzenswunsch zu sein. „Alles zum Wohle des deutschen Fußballs, wie sich natürlich von selbst versteht.“

Substanzieller ist die Kritik an Hoeneß´ Rechtsempfinden und -kohärenz, zumal da die Transfersache Kehl im zeitlichen Kontext des kurz zuvor abgehandelten Deisler-Transfer steht. Schließlich waren erstens beide Vertragsschlüsse nicht rechtens, weil gegen die Fristregelungen der DFB-Statuten verstoßend, „und möglicherweise haben sich andere Vereine, denen Hoeneß jetzt wie im Falle der bösen Dortmunder `Tiefschlaf´ vorwirft, ja sogar daran gehalten“ (Lieske 19.12.). Zweitens sei die Praxis der Hangeld- und Vorauszahlungen bedenklich, da diese eine Wettbewerbsverzerrung darstellen könnten. Daher empfinden es viele Autoren als unverfroren, wenn der Schuldige mit seinem Finger auf andere zeigt und obendrein droht. Wurde Hoeneß Ende November (also vor der Kehl-Affäre) kritisch auf den Fall Deisler angesprochen, reagierte er auf den Vorwurf des Rechtsbruchs äußerst allergisch. Dabei verwies er auf die gängigen Usancen des Profigeschäfts, welches sich nicht durch rechtliche „Spitzfindigkeiten“ regeln lasse. Im Fall Kehl wiederum ist er derjenige, der auf Einhaltung (angeblich) geltenden Rechts pocht. „Verblüffend ist die verbale Verve, mit der Uli Hoeneß das moralisch fragwürdige Vorgehen seines Klubs in Transferdingen begleitet. Dass jemand, der Sebastian Deisler 20 Millionen Mark `Darlehen´ auf ein Geheimkonto überwies, um ihn Hertha BSC abspenstig zu machen, einen ähnlichen Betrag vermutlich an Leverkusens Ballack und eingestandene 1,5 Millionen an Kehl, anderen Vereinen vorwirft, mit Geld um sich zu schmeißen, ist eine große Dreistigkeit“ (Lieske 19.12.). Ähnlich argumentiert Philippsen: „Hoeneß scheint vergessen zu haben, dass er selbst mit allen Mitteln und Methoden um die Spieler der Zukunft und gegen andere Vereine kämpft. Wenn Hoeneß mit Handgeldern, Millionenschecks oder Darlehen wie ein Weihnachtsmann über die deutschen Fußballplätze reist, ist das alles andere als fair und entspricht zudem nicht einmal den Regeln des DFB. Gleichzeitig fordert Hoeneß von den rivalisierenden Klubs und den Profis selbst Fairplay.“

Als deplatziert wird Hoeneß´ gleichzeitiger Anspruch auf Moralhoheit empfunden, mit der er offenbar eigene Glaubwürdigkeit zu unterstreichen versuche. „Wir wollen die Moral in diesem Geschäft hochhalten“ wird Hoeneß zitiert und: „Ich bin einer der sozialsten Menschen, die ich kenne.“ „Warum denn von Moral sprechen, wenn nur an Erfolg gedacht wird“ fragt Horeni bezüglich solcher Aussagen, wonach Kehl labiler Charakter zu unterstellen sei. In der Tat handelt es sich bei demjenigen, der Kehl öffentlich der Lüge und der Abzockerei bezichtigte, um dieselbe Person, die ein paar Tage zuvor alle Transferverhandlungen wider besseren Wissens verneinte („Das ist erstunken und erlogen. Das ist absolut falsch. Es gibt überhaupt keine Vereinbarung.“). Dieses Muster – so lange wie möglich (mit Klagedrohungen) zu dementieren und so viel wie nötig zu bestätigen – war bereits im Fall Deisler zu beobachten. Zu dieser Strategie gehörte auch, die Vorauszahlungen an Deisler und Kehl als „Darlehen“ (ausschließlich der Bayern-treue kicker übernimmt diese fragwürdige Bezeichnung ohne Anführungszeichen) zu deklarieren. Diese Vertuschungsmanöver lassen zweifelsfrei ein Schuldbewusstsein eigenen Handlungen gegenüber erkennen. Lieske (19.12.) erstaunt es zudem, „wie schnell das angebliche Darlehen zur bindenden Bezahlung mutiert“, ist das „Recht der Rückzahlung“ eigentlich integraler Bestandteil eines solchen. Alles in allem ist es Uli Hoeneß offenbar misslungen, sich als moralischer Sieger zu verkaufen, oder wie Zorn es formuliert: „Die Charakterfrage darf in der Bundesliga kaum noch jemand stellen. Vor allem nicht diejenigen, die am lautesten darüber reden.“

Teil 5 und letzter Teil (23.01.02): Bundesliga

Einen „Imageschaden für die Bundesliga“ habe die Transferaffäre Kehl mit sich gebracht, schreibt Bereis Bossmann (Welt 08.01.). Einen Verlust an Glaubwürdigkeit attestiert Achim Dress (FAZOnline 13.12.) dem Genre. Zwar kenne man das prestigeträchtige Wettbieten der beiden Bundesligariesen aus der Vergangenheit. Dortmund und Bayern stritten bereits um die Spieler Pizarro Thiam, Rosicky, Sergio und Wörns wie um „die eierlegende Wollmilchsau“ (Ralf Wiegand in SZ 15./16.12.). Jedoch habe der Grad an öffentlicher Transparenz einer Karriereplanung ein neues und bedenkliches Höchstmaß erreicht. „Da kommt die Einsicht des Münchner Vorstands Rummenigge wohl zu spät, wenn er bedauert, dass der Streit um Kehl zwischen Bayern und Dortmund etwas mehr über das Geschäftsgebaren der Bundesliga verrät als für deren Ansehen gut ist“ (Philipp Selldorf in SZ 20.12.). Er hatte angekündigt, in Zukunft auf Vorauszahlungen zu verzichten. „Die Bayern sorgen sich um ihren Ruf, und das zu Recht“ hält Bossmann (Welt 16.01.) fest. Die Schuld an der Angelegenheit, so Rummenigge, trage übrigens der Bankangestellte, durch dessen Indiskretion die Zahlungen erst öffentlich wurden. „Auch eine Sicht der Dinge“ (Wolfgang Hettfleisch u Jan Christian Müller in FR 16.01.). „Schon lange halten sich die Klubs nicht mehr an die in den Statuten des DFB festgeschriebenen Frist von sechs Monaten vor Vertragsablauf“ (Bossmann), was auch BVB-Präsident Niebaum bejaht. Daher kritisiert man sowohl das Saubermann-Image der Dortmunder als auch (und viel mehr) die Moralkeule von Uli Hoeneß. „Moral und Geschäft, das verträgt sich im Fußball immer weniger“ findet daher Roland Zorn (FAZ 17.12.). Darüber hinaus hätte eine inzwischen abgewendete juristische Auseinandersetzung – wie ursprünglich von Hoeneß gefordert – wohl noch mehr ans Tageslicht gebracht. „Interessant wäre das schon, denn dann erführe man bestimmt noch eine Menge mehr über die Transfergebräuche in der Bundesliga“ (Michael Horeni in FAZ 17.12.).

„Der Transferbereich scheint zur rechtsfreien Zone zu verkommen“ (Bossmann 08.01.), „in der Fristen, Statuten und Verträge nichts mehr wert sind“ (Bossmann 16.01.). Dem DFB, der DFL und deren Funktionären jedoch hat der Fall Kehl wieder einmal eigene Machtlosigkeit vorgeführt. Zum einen werden zum Schein Ermittlungsverfahren eingeleitet und nach kurzer Zeit ergebnislos eingestellt. Die nach DFB-Statuten rechtswidrigen Fristverletzungen der Bayern (und wohl auch der Dortmunder) wehrte der DFL-Kontrollausschussvorsitzende Hilpert leisetreterisch mit dem Hinweis ab, es handle sich um einen Verstoß gegen einen Paragraphen, dessen Gültigkeit in der nächsten Saison sowieso abgeschafft werde. „Fakt ist: Als die Bayern mit ihren Millionen um sich warfen, war die Bestimmung voll gültig“ schreibt Matti Lieske (taz 19.12.) und erinnert an die drastischen Strafen gegen Spieler und Funktionäre, wie sie in der amerikanischen Basketballliga NBA gegen derartige Regelverstöße üblich seien. „Wo kein Kläger, da kein Richter!“ sagt jedoch DFB-Präsident Mayer-Vorfelder. „Wie auch, wenn der DFB darauf verzichtet, seine eigenen Regeln anzuwenden“ (Lieske). Zum andern muss sich DFL-Geschäftsführer Heribert Bruchhagen von Uli Hoeneß für seine Bedenken maßregeln lassen (UH: „der soll sich lieber in sein Kämmerlein einschließen“), die er gegenüber den weit vor Vertragsbeginn geleisteten Vorauszahlungen an Spieler von Konkurrenzvereinen äußerte. Bruchhagen hatte sich den Auslegungen von BVB-Manager Meier angeschlossen und diese Praxis als Vorstufe von Wettbewerbsverzerrung gedeutet. „Als Aussage der DFL, so musste Bruchhagen lernen, hat das die Bayern nicht gejuckt“ (Hettfleisch Müller). Doch: „Wo von einem regulären Wettbewerb nicht mehr die Rede sein kann, verliert auch der Zuschauer schnell das Interesse“ sorgt sich Bossmann (16.01.).

„Der schnöde Mammon versaut nicht nur labile Menschen, sondern auch Deutschlands Hoffnungen auf eine bessere Fußball-Zukunft“ ironisiert Thomas Lötz (SpiegelOnline 16.12.). Ernsthaftere Bedenken meldet Wiegand an: „Wenn also die angeblich wichtigsten Spieler dieser Liga, nämlich die deutschen Talente, noch immer so schlecht beraten sind, dass sich Kehl zielsicher zwischen alle Stühle setzen konnte, wenn zudem die beiden Ligagrößen BVB und FCB öffentlich zocken – dann sollte diese Liga bitte nie mehr über die Entwicklung auf dem Transfermarkt jammern“, beispielsweise über „italienische Methoden“, wie BVB-Manager Meier im Transferstreit mit Schalke 04 um den Dänen Christian Poulsen. „Italienische Verhältnisse? Frechheit, werden die Italiener sagen“ (Selldorf).

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