Ballschrank
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| Donnerstag, 25. März 2004
Themen: George Best wird rückfällig – gereizte Reaktionen mancher Bundesliga-Verantwortlicher auf die Reformvorschläge Blatters – zwielichtige Figuren sind im internationalen Fußballgeschäft tätig – antisemitischer Ausfall eines hochrangigen argentinischen Funktionärs – homeless soccer cup – Tabu Homosexualität beim DFB u.a.
Peter Hartmann (NZZ 15.7.) berichtet den Rückfall eines Fußballgenies zum Alkohol. „Die meisten Briten, und nicht nur die Nordiren in seiner Heimat Belfast, halten George Best für den viel, viel besseren Fussballer als David Beckham. Best ist allerdings schon 57, seine grosse Zeit fällt in die sechziger Jahre, bei Manchester United, auch er. Aber es gab damals kaum Werbung und keine Sponsoren, keinen Hype. Beckham ist ein Plasticprodukt der Unterhaltungsindustrie, ein Wegwerfstar sozusagen; Best war ein Rebell, authentisch und anarchisch. Gelegentlich verschwand er tagelang nachrichtenlos in seinen Lovestorys und Gelagen, und statt Frisuren trug er immer die gleiche schwarze Flattermähne zu den grünen Augen, mit denen er die Mädchen und die Gegenspieler hypnotisierte. Ein unwiderstehlicher Ballkünstler, irischer Säufer, Herzensbrecher und Poet, der mit den Füssen Balladen erzählte. Wie in jenem Dokumentarfilm der BBC: Die Kamera verfolgte nur Bests Schuhe, 90 Minuten lang ausschliesslich und ungeschnitten diese gnadenlose Nahaufnahme. Best, wie er trottete, wie er sprintete, wie er angewurzelt stillstand, wie seine Hände die Schuhbändel neu knüpften, wie plötzlich der Ball an seinem Rist klebte, wie er gegnerische Beine wie Slalomstangen austanzte, wie fremde Eisenfüsse in diese Choreografie einbrachen, erfolglos. Im Hintergrund aufbrausend und abschwellend der Geräuschpegel des Publikums, dann, offensichtlich ein Torschuss, Beifallssturm, ein Gewirr von herbeilaufenden gratulierenden Schuhen. Ein seltsam geheimnisvoller Streifen, ohne Kommentar, ohne Nennung der Mannschaften und des Resultats und doch in keiner Sekunde langweilig. – Wie eine Parabel seines Lebens. Ein Schlafwandler, scheinbar ziellos und dennoch von seinem Instinkt gelenkt. Ein Artist und Autist. Die Gerüchte, dass George Best letzte Woche täglich im Pub „Chequers“ in Walton on the Hill in der Grafschaft Surrey auftauchte, obwohl seine Frau Alex die Wohnung verriegelte und den Autoschlüssel versteckte, verdichteten sich zu einer tragischen Geschichte. Es war Alex selber, die sie im Londoner Massenblatt „Mail on Sunday“ exklusiv enthüllte: Georgie, der legendäre Fussballer der sechziger Jahre, hat der Versuchung nicht widerstanden, er hängt wieder an der Flasche.“
Jan Christian Müller (FR 12.7.) referiert gereizte Reaktionen auf Blatters Vorschlag, die nationalen Ligen zu reduzieren. “Nun, da die Einnahmen im Fußball nicht mehr so heftig sprudeln wie noch zum Jahrtausendwechsel, wird der Verteilungskampf aggressiv mit offenem Visier ausgetragen. Erwartete Einbußen aus dem TV-Geschäft in der Champions League: bis zu 30 Prozent. In der Bundesliga: fast 40 Prozent. In solchen Zeiten liegen die Nerven ohnehin blank. Es hätte also kaum einen ungeschickteren Zeitpunkt geben können, in einem erneuten Vorstoß seine Pläne in die Öffentlichkeit zu tragen, als jenen, den Fifa-Boss Sepp Blatter in dieser Woche wählte. Nur noch 16 Mannschaften sollen nach seinem Willen künftig in den nationalen Top-Ligen mitmachen dürfen. Die besten Profis, die für sonderbare Wettbewerbe wie Club-WM und Konföderationen-Cup so ganz dringend gebraucht werden, sollen sich, bitte schön, nicht unnötig aufreiben in der Provinz. Nicht sonderlich verwunderlich, dass etwa der Chef der Deutschen Fußball-Liga, Werner Hackmann, ungewohnt scharf auf die wenig einfühlsamen Ideen des obersten Fußball-Bosses reagierte Das geht Herrn Blatter gar nichts an, ließ Hackmann humorlos verlauten.“
In diesen Reaktionen (Dortmund und Leverkusen drohen mit Streik) erkennt Wolfgang Hettfleisch (FR 15.7.) den bekannten Interessenkonflikt der Klubs. „Den Clubs ist durchaus daran gelegen, dass ihre besten Angestellten ihre Kunst auf den wichtigsten Bühnen rund um den Globus zelebrieren. Andererseits lehrt das Beispiel Leverkusen, dessen stärksten Kräfte nach Champions League und WM pünktlich zum Auftakt der vorigen Bundesliga-Saison im Formtief steckten, wie hoch der Preis dafür sein kann. Der Manager eines Unternehmens, der solch nachhaltige Effekte ignoriert, handelt hinsichtlich der Zukunft seiner Firma grob fahrlässig. Nun hat Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge dankenswerter Weise darauf hingewiesen, dass dem Uefa-Terminkalender eigentlich gar keine neuen Spieltage hinzugefügt werden. Vielmehr könnten die Testspiele, deren Erkenntniswert ohnehin fragwürdig ist, den vier zusätzlichen Pflichtpartien im geänderten Qualifikationsmodus weichen. Rummenigge, sonst bisweilen ganz gern auf den Barrikaden, wenn’s gegen die Blatters und Johanssons was zu wettern gibt, hält die Angelegenheit ergo für viel Lärm um nichts. Was spätestens dann stimmt, wenn der DFB sich bequemt, die leidigen Freundschaftskicks zusammenzustreichen.“
Christian Zaschke (SZ 15.7.) analysiert diesbezüglich. „Was auf den ersten Blick wie ein richtiger Gedanke der Funktionäre aussieht, nämlich nach Protest gegen noch mehr Spiele im Kalender, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als erstaunlich sinnlos. Eine solche Veränderung hin zu mehr Qualifikationsspielen war von Fußball-Offiziellen immer wieder gefordert worden, um die Zahl der Freundschaftsspiele zu reduzieren. Der Fifa- Kalender steht im wesentlichen fest. Darin ist geregelt, wann gespielt wird, und wenn jetzt mehr Pflichtspiele auf dem Programm stehen, bedeutet das notwendig weniger Freundschaftsspiele. Also weniger Spiele wie jenes 1:1 der Deutschen gegen Bosnien-Herzegowina vom vergangenen Herbst, ein Kick von peinigender Ereignislosigkeit, über den Oliver Kahn unmittelbar nach dem Abpfiff sagte: „Es lohnt sich nicht, darüber ein weiteres Wort zu verlieren.“ Natürlich wissen das auch Holzhäuser und Meier, sie sind ja nicht neu im Geschäft. Ihre harsche Kritik bis hin zur Streikdrohung ist eher als Reviermarkierung zu verstehen. Es geht nicht um die Sache, sondern um die Macht, die größtenteils bei den nationalen und internationalen Verbänden liegt. Mit der Streikdrohung wollen die beiden wieder einmal deutlich machen, dass die Spieler bei den Vereinen angestellt sind, und dass deshalb ihrer Ansicht nach dort die Macht im Millionengeschäft liegen sollte. Der laute Protest war sinnvoll, als es um Fifa-Chef Sepp Blatters Vorschlag ging, die europäischen Ligen auf 16Vereine zu reduzieren. Im jetzigen Fall darf man den Lärm guten Gewissens überhören.“
Ralf Wiegand (SZ 12.7.) sorgt sich um den zunehmenden Einfluss zwielichtiger Gestalten im internationalen Fußball. „Die Krise des Fußballs ist vielfältig, und die neuesten Modelle zur Lösung tragen Namen mit äußerst zweifelhaftem Klang: Gaddafi (in Italien), Abramowitsch (in England), Sun Myung Moon (in Deutschland). Al-Saadi Gaddafi, Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar al- Gaddafi, kaufte sich mit Millionen beim klammen AC Perugia ein, dafür darf er in der ersten Mannschaft mitspielen. Der russische Multiunternehmer Roman Abramowitsch übernahm mit seinem Geld, von dem niemand genau weiß, wo es herkommt, den FC Chelsea, genannt nun: FC Chelski. Und jetzt bedankt sich der TSV 1860 München artig für 600.000 Euro Startgeld und eine kostenlose Reise um die halbe Welt, finanziert aus dem Vermögen des umstrittenen Glaubensführers Sun Myung Moon, indem er die Geschäfte und Absichten der „Vereinigungskirche“ verharmlost. So schmutzig kann offenbar kein Geld der Welt sein, dass es nicht den hell ausgeleuchteten Kanal in die Kassen des Fußballs findet. Die Geldbeschaffung in Zeiten sinkender Einnahmen aus den Kerngeschäften mit Fernsehen und Sponsoren führt als jüngsten Fall den TSV 1860 und sieben weitere Vereine an den Rand der Gesellschaft, wo Menschenfänger ihre Beute suchen. Durch ihre Teilnahme an dem mit monströs viel Geld ausgestatteten Turnier in Korea – Etat: 18 Millionen Dollar – und die treuherzige Übernahme aller PR-Slogans (Weltfrieden!) leisten sie einer Organisation Vorschub, die hier zu Lande nach Meinung von Sekten-Experten auf den Index gehört. Mit einer der Geldnot entsprungenen Naivität ignorieren sie jedes Argument, mit dem Sektenbeauftragte die Gefährlichkeit der Moonies zu belegen versuchen. Sie lassen sich instrumentalisieren, schlimmer noch: rechtfertigen sich durch Verharmlosung bekannter Fakten.“
Im Hinblick darauf referiert Ingo Malcher (taz 15.7.) ein einschlägiges Beispiel. “Julio Grondona, Nummer eins des Argentinischen Fußballverbands (AFA) und Nummer zwei des Weltfußballverbands (Fifa), droht Gefängnis – zumindest wenn es mit rechten Dingen zugeht. Der argentinische Staranwalt Ricardo Monner Sans, der bereits Expräsident Carlos Menem in Hausarrest geschickt hatte, präsentierte vor Gericht eine Klage gegen Grondona. In dem Schriftsatz legt er dem obersten Fußballfunktionär Argentiniens Antisemitismus zur Last – in Argentinien eine Straftat. Den Beweis hat Monner Sans auf Video, und er war ohnehin in ganz Argentinien zu sehen. Von einem Fernsehreporter gefragt, warum es in der argentinischen Liga so wenige jüdische Schiedsrichter gebe, antwortete Grondona: Den Juden gefallen komplizierte Sachen nicht. Und deswegen würden sie die Schiedsrichterprüfung nicht schaffen. Solche diskriminierenden Äußerungen stehen in Argentinien nach Artikel3 des Antidiskriminierungsgesetzes unter Strafe. Grondonas Entschuldigung, er habe alles nicht so gemeint, will Sans nicht durchgehen lassen. Dieser Herr hat großen Einfluss in internationalen Fußballorganisationen, seine Stimme wird weltweit gehört, und er muss deshalb besonders darauf achten, was er sagt. Antisemitismus in argentinischen Fußballstadien ist kein neues Phänomen. Bei Auswärtsspielen des Clubs Atlético Atlanta aus dem jüdischen Viertel Villa Crespo in Buenos Aires werden regelmäßig Lieder über abgeschnittene Schwänze der Atlanta-Fans gesungen. Der Fußballverband hat dazu schon immer geschwiegen. Neu ist, dass sich sein Chef Grondona zu antisemitischen Sprüchen hinreißen lässt. Es ist aber schwer vorstellbar, dass Grondona hinter Gittern landet. International hat er beste Beziehungen. Der Argentinier ist einer der treuesten Freunde von Fifa-Chef Joseph Blatter.“
In Graz gab es den homeless soccer cup, also die Fußball-WM der Obdachlosen. Österreich hat gewonnen, kein Wunder: das Team bestand aus Asylbewerbern aus Schwarzafrika. England wurde zweiter, trainierte vorher mir Profi-Mannschaten.Deutschland wurde 15. von 18 Mannschaften. Der DFB unterstütze die Sache mit der sagenhaften Summe von 1500 Euro.
„Wie beginnt man einen Bericht über die Antirassistische Fußball-WM 2003?“taz
Spiegel-Interview mit Ex-Nationalspielerin Martina Voss über das Tabu Homosexualität beim DFB
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